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Wahlprogramm zur Europawahl 2024

Zeit für Gerechtigkeit. Zeit für Haltung. Zeit für Frieden.

Wir wollen ein Europa der sozialen Gerechtigkeit, in dem alle Menschen in Würde und frei von Armut leben können. Eine demokratische EU, in der die Menschenrechte für alle gelten. Eine EU, die dem Frieden verpflichtet ist. Unsere Vision von einem geeinten Europa ist, dass es sich unabhängig von der Blockkonfrontation zwischen den USA und China macht und auf soziale Sicherheit, Klimagerechtigkeit, Diplomatie und Abrüstung setzt. Ein Europa der globalen Gerechtigkeit, das damit aufhört, den globalen Süden durch Freihandelsverträge und im Interesse von Konzernen auszubeuten. Eine EU, in der Mensch und Natur mehr zählen als der Profit.
(aus der Präambel unseres Europawahlprogramms) 

Unser Wahlprogramm zur Europawahl 2024

Liebe Wähler*innen,

bei den anstehenden Europawahlen kommt es auf Ihre Stimme an. Schaffen wir es, aus den vielen Krisen herauszukommen, die soziale Schieflage zu beenden und Entscheidungen über unsere Zukunft nicht länger Konzernen und mächtigen Interessengruppen zu überlassen? Denn viele wichtige Entscheidungen werden längst auf europäischer Ebene getroffen. Wie können wir Lebensmittel und Energie bezahlbar machen? Wie die Wirtschaft in Europa sozial gerecht umbauen? Wie die Umwelt- und Klimakatastrophe stoppen und das Massensterben auf dem Mittelmeer, die Brutalität an den EU-Außengrenzen beenden? Wie unsere Demokratie schützen und Frieden schaffen?

Die Linke macht dafür ein klares Angebot: Wir müssen den Markt grenzübergreifend regeln und Demokratie ausbauen. Wir greifen die Wut vieler Menschen auf und machen Druck für grundsätzliche Veränderung. Reiche und Konzerne wollen wir endlich in die Verantwortung nehmen und zur Kasse bitten, um massiv in eine soziale, klimagerechte und umweltverträgliche Zukunft zu investieren – statt Europa den Konzernlobbyist*innen und Rechten zu überlassen.

Die Linke will ein Europa der sozialen Gerechtigkeit, in dem alle Menschen in Würde und frei von Armut leben können. Eine demokratische EU, in der die Menschenrechte für alle gelten. Eine EU, die dem Frieden verpflichtet ist. Unsere Vision von einem geeinten Europa ist, dass es sich unabhängig von der Blockkonfrontation zwischen den USA und China macht und auf soziale Sicherheit, Klimagerechtigkeit, Diplomatie und Abrüstung setzt. Ein Europa der globalen Gerechtigkeit, das damit aufhört, den Globalen Süden durch Freihandelsverträge und im Interesse von Konzernen auszubeuten. Eine EU, in der Mensch und Natur mehr zählen als der Profit. Dafür werben wir um Ihre Unterstützung. Dazu laden wir Sie ein.

Die letzten Jahre haben gezeigt: Eine starke linke Stimme im Europaparlament macht einen Unterschied. In der vergangenen Legislaturperiode haben wir im Europaparlament einiges erreicht: Auf unsere Initiative hin hat das Europaparlament die Freigabe von Impfpatenten beschlossen. Wir haben dazu beigetragen, dass ein gesetzlicher Mindestlohn in Europa eingeführt wird, der Millionen Beschäftigte aus der Armut führt oder ihre Armut deutlich mindert. Wir haben im Europaparlament entscheidenden Druck für das Gesetz zum Schutz von über 28 Millionen Arbeitenden auf den digitalen Plattformen gemacht. Das zeigt: Eine starke Linke stärkt soziale Sicherheit in Europa und baut aus, was Leben und Alltag besser macht.

Die Vision eines vereinten Europas als Gegenpol zu Faschismus und Krieg ist nach dem Zweiten Weltkrieg stark geworden. Die Europäische Union verkörpert für viele die Hoffnung auf Frieden und Freiheit. Zugleich ist die EU aufgebaut worden, um Schranken für Wettbewerb und Profite zu beseitigen, einen gemeinsamen Markt zu schaffen und das Kapital zu stärken. Während Regierungen und große Unternehmen die Wirtschaftsunion forciert haben, blieb die Entwicklung einer Sozialunion meilenweit dahinter zurück. Wo nach der Euro-Krise die Troika gewütet hat, ist Europa keine Hoffnung auf Frieden und Freiheit, sondern der Grund für Sozialabbau und Privatisierung. Im Namen des gemeinsamen Marktes wurden Regeln vereinheitlicht, Handelshemmnisse abgebaut, Güter- und Warenverkehr ebenso liberalisiert wie die Freizügigkeit für Beschäftigte durchgesetzt – zu oft auf Kosten von erkämpften sozialen Sicherheiten und öffentlicher Infrastruktur. Eine EU, die soziale Sicherheit auf nationaler Ebene abbaut, ohne sie auf europäischer Ebene zu schaffen, wird auf Dauer keine Mehrheit haben.

Zwischen diesen Hoffnungen und Interessen, in diesen Widersprüchen bewegt sich unser Kampf für ein sozial und ökologisch gerechtes, demokratisches und friedliches Europa.

Trotz all ihrer Unzulänglichkeiten und Fehlkonstruktionen darf es kein Zurück hinter den politischen Erfolg der europäischen Integration, kein Zurück zum Nationalstaat geben. Wir wissen, dass der Kampf für soziale Garantien, für Klimagerechtigkeit, gegen Energiearmut, gegen die Macht transnationaler Konzerne allein auf der Ebene der Nationalstaaten nicht mehr aussichtsreich geführt werden kann. Um erfolgreich zu sein, brauchen wir grenzübergreifende Zusammenarbeit. Daher stellen wir uns als demokratische Sozialist*innen sowohl gegen die Befürworter*innen einer marktradikalen EU als auch gegen das nationalistische Konzept eines „Europas der Vaterländer“. Im Bewusstsein der Verfassung der EU und der bestehenden Kräfteverhältnisse überlassen wir die europäische Ebene der Auseinandersetzungen nicht Neoliberalen und Rechten. Unsere Vorstellung von einem demokratischen Sozialismus ist international und umfasst daher den Kampf für eine demokratischere, sozialere Europäische Union.

Die EU braucht dringend Veränderung. Oft werden große Unternehmen mit Steuergeldern unterstützt, während alle anderen den Gürtel noch enger schnallen sollen. Rennen, rackern, rasen für die Profite von Banken und Großkonzernen soll der Weg nach vorne sein. Statt sozialer Sicherheit sollen wir uns wahlweise mit einem etwas freundlicheren Anstrich, der Ausbesserung des bisherigen Pfades oder dem Treten nach unten zufriedengeben.

Die Ungleichheit in Europa wächst, der Reichtum von wenigen steigt unaufhörlich – umso dringender braucht es eine starke Linke im Europaparlament, um gegen diese Missstände vorzugehen. Die Maastricht-Kriterien verbieten es, für langfristige öffentliche Ausgaben Kredite aufzunehmen. Im Ergebnis fehlt in der EU öffentliches Geld für Bildung, bezahlbares Wohnen, Pflege und Gesundheit, für funktionierende Kommunen und für die Abschaffung der Armut. Jedes vierte Kind in der EU lebt in Armut.

Viele Gesundheitssysteme in der EU sind in der Corona-Krise in die Knie gegangen. Pflegekräfte haben bis weit über ihre Grenzen gearbeitet. Doch die Gewinne der Pflege- und Pharmakonzerne sind rasant gestiegen. Öffentliche Schulen und Hochschulen sind marode, es gibt viel zu wenige Lehrkräfte. In vielen Städten herrscht Wohnungsnot für Menschen mit mittlerem und niedrigem Einkommen. Die Mieten explodieren, aber Wohnungskonzerne und Investmentfonds machen große Profite. Die Regeln zur Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und Binnenmarkt haben die Privatisierung von öffentlichem Eigentum und öffentlichen Dienstleistungen vorangetrieben. Die Leistungen sind teurer und schlechter geworden. Mit den Renten wird auf den Finanzmärkten spekuliert. Große Digitalkonzerne zahlen viel zu wenig Steuern. Markt und Profitstreben bestimmen Lebensbereiche, die zuerst Bedarf und Bedürfnisse der Menschen befriedigen sollten. Von gleichwertigen Lebensverhältnissen sind wir innerhalb der EU und auch hierzulande weit entfernt. So kommen wir nicht durch die Krisen. So schaffen wir nicht den nötigen sozialökologischen Umbau. So retten wir nicht die Demokratie.

Die EU scheitert nicht nur an der sozialen Frage. Sie wird ihre selbstgesteckten, viel zu niedrigen Klimaziele krachend reißen – unterdessen eskaliert die Klimakatastrophe mit Waldbränden, Dürren und Starkregen auch in Europa. Der Weg, über höhere Preise und steuerpolitische Anreize die CO2-Emissionen zu verringern, wird die Klimakatastrophe nicht aufhalten. „Der Markt wird es schon richten“ lautet das Credo. Aber der Markt regelt lieber den Profit! Die Regierenden in der EU erklären, dass sie eine klimaneutrale Wirtschaft wollen. Aber sie scheuen den Konflikt mit den Konzernen, die fossile Energieträger ausbeuten, und wollen nicht mit einer Wirtschaftspolitik brechen, die die Interessen von Reichen und Konzernen nach vorne stellt. Ihr Fokus auf „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“ und Standortkonkurrenz bedeutet für Menschen und Umwelt: Ungleichheit, Armut und Zerstörung. Die Ökosysteme kollabieren, die natürlichen Grundlagen werden geplündert. Daran ändert auch der „Green Deal“ der EU-Kommission nichts. Den größten Raubbau verursachen Konzerne und Reiche. Ihre Profitlogik hat uns alle in eine Situation gebracht, in der ein „Weiter so“ unmöglich ist.

Haben das alle zu verantworten? Nein! Der Club of Rome weist in seinem letzten Bericht darauf hin, dass die Reichsten die meisten Ressourcen verbrauchen, ohne die nötigen Konsequenzen zu tragen. Er hat recht. Der durch rücksichtslose Umweltzerstörung erwirtschaftete Reichtum darf nicht privat bleiben, sondern muss im Rahmen einer verantwortungsvollen Politik für die gesellschaftlichen Aufgaben genutzt werden. Wir brauchen Anpassung an die neuen Umweltbedingungen, Energiewende und Wärmewende. Wir brauchen eine enkeltaugliche Wirtschaftspolitik.

Wir wollen den Lobbyismus und die Korruption beenden. Die Demokratie und den Zusammenhalt stärken – das geht nicht mit Worten. Das geht nur, wenn die Interessen von Reichen und Konzernen beschränkt werden, statt diejenigen, die wenig Geld haben, gegen die mit noch weniger Geld auszuspielen. Wir wollen Vorgaben, an die sich die Konzerne halten müssen. Wir wollen, dass erneuerbare Energien und nachhaltige Wirtschaft massiv gefördert werden: mit öffentlichem Geld, das dann zu öffentlichem Eigentum oder öffentlichen Beteiligungen führt. Beschäftigte und Gewerkschaften müssen den Umbau wesentlich mitgestalten können, dafür braucht es mehr Mitbestimmungsrechte, Beschäftigungsgarantien und die Stärkung der Tarifbindung. Eine Energieversorgung aus öffentlicher Hand muss bezahlbare und sozial gestaffelte Preise anbieten. Wir streiten für eine Investitionsoffensive, die Europa zukunftsfähig macht, die den Alltag für die Menschen in strukturschwachen und benachteiligten Regionen in Ost und West besser macht, den Umbau der Industrie schafft und unsere Kommunen stärkt: mehr und verlässlicher Bus- und Schienenverkehr, ÖPNV zum Nulltarif, erneuerbare Energien, starke regionale Wirtschaft mit guten Löhnen und kürzeren Transportwegen. So schaffen wir soziale Sicherheit im Wandel – und Millionen gut bezahlter Industriearbeitsplätze mit Zukunft!

Der soziale und klimagerechte Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft ist eine epochale Herausforderung. Er erfordert mehr grenzübergreifende Kooperation und internationalen Austausch. Doch die EU driftet politisch wie sozial auseinander. Die USA, die EU und China konkurrieren zunehmend miteinander. Die weltweiten Machtblöcke verschieben sich. Die Welt ist unübersichtlicher und gefährlicher geworden, die Blockkonfrontation zwischen den USA und China bzw. Russland spitzt sich zu. Neue Handelskriege und ein gigantischer Rüstungswettlauf sind die Folge. Die EU rüstet im Bündnis mit den USA und der NATO seit Jahren auf und liefert Waffen an Diktaturen. Dabei könnte die EU in Zeiten einer Neuordnung der globalen Machtverhältnisse ein Stabilitätsanker werden: Für eine gerechte Welthandelsordnung, für Völkerrecht und Menschenrechte, für die diplomatische Beilegung von Konflikten, für Rechtsstaatlichkeit, für eine ökologische Wirtschaft. Sie darf daher als eigenständiger Akteur unter keinen Umständen in den Chor imperialer Staaten wie die USA oder Russland mit einstimmen. Globalisierung durch die Aufteilung der Welt in Einfluss- und Handelszonen zurückzudrehen, anstatt sie endlich gerecht zu gestalten, verschärft Blockkonfrontation, Handelskonflikte und Aufrüstung. Damit die EU ihren Teil für die Lösung der Menschheitsaufgaben leistet, kämpfen wir für ihre radikale Umgestaltung.

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine dauert an. Er ist ein Verbrechen. Millionen Menschen sind auf der Flucht, die Zahl der Toten steigt immer weiter, Wohnhäuser und Infrastruktur werden zerstört. Der Krieg muss sofort beendet und die russischen Truppen aus der Ukraine müssen zurückgezogen werden. Dafür sollte die Europäische Union ihre diplomatischen Bemühungen verstärken, anstatt den Abnutzungskrieg zu befeuern. Die EU muss Sanktionen gegen den russischen Machtapparat, die Oligarch*innen und den militärisch-industriellen Komplex konsequent durchsetzen. Zusammen mit Brasilien, Indien und China kann sie diplomatischen Druck für einen Waffenstillstand und eine Friedenslösung aufbauen. Die Eckpfeiler dafür müssen sein: Rückzug der russischen Truppen, Wiederherstellung der territorialen Souveränität der Ukraine, Sicherheitsgarantien und Minderheitenrechte. Zivile Alternativen zum militärischen Tunnelblick und zu immer mehr Waffen sind dringend nötig.

Weltweit toben zahlreiche Kriege, in denen – wie in Äthiopien oder im Jemen – Hunderttausende Menschen getötet werden, oft mit europäischen Waffen und westlicher Unterstützung. Teilweise sind   es NATO-Partner wie die Türkei, die das Völkerrecht brechen. Wladimir Putins brutaler Angriff auf die Ukraine dient zugleich als Anlass, die Rüstungsausgaben der EU-Staaten massiv zu steigern. Auch in Deutschland. 100 Milliarden Euro Sondervermögen bekommt allein die Bundeswehr – trotz Pflegenotstand und Bildungsmisere, Wohnungsnot und verfehlter Klimaziele. Das schafft nicht mehr Sicherheit: Die Rüstungsausgaben der EU-Staaten betragen längst ein Vielfaches derer Russlands. Die Gewinne der Rüstungskonzerne gehen durch die Decke, die Aktionär*innen freuen sich über hohe Dividenden. Statt immer mehr Geld an Rüstungskonzerne zu verschwenden, brauchen wir massive Investitionen in die Zukunft und den klimagerechten Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft – das schafft Energieunabhängigkeit und nachhaltige Sicherheit.

Pandemie und Ukraine-Krieg haben gezeigt, wie anfällig der globale Kapitalismus und die sich über viele Länder erstreckenden Produktions- und Lieferketten sind. In der Krise sind die Energiepreise in die Höhe getrieben worden. Die Regulierung des europäischen Strommarktes ist fehlgesteuert und hat die Lage verschlimmert. Die Gewinne der Energiekonzerne explodieren. Die Preise, besonders für Lebensmittel, bringen überall in Europa Menschen an den Rand der Existenzkrise. Die Konzerne reden angesichts der hohen Inflation von einer Lohn-Preis-Spirale, doch tatsächlich ist es eine Profit-Preis-Spirale. Die Löhne bleiben systematisch hinter der Inflation zurück. Die Gewinne der großen Unternehmen und von Digitalkonzernen wie Amazon steigen in ganz Europa massiv. Konzerne und Superreiche werden immer reicher und mächtiger, nicht zuletzt, weil ihre Lobbyist*innen an den europäischen Gesetzen mitschreiben.

Ergebnis dieses Krisenkapitalismus: In ganz Europa wächst die Verunsicherung. In vielen Ländern erleben wir ein Erstarken der extremen Rechten, die die Demokratie verächtlich machen und menschenverachtende Hetze betreiben. Auch in der EU ist die Demokratie bereits vielfach unter Druck, in vielen Mitgliedstaaten sind Rechte an der Regierung und reißen Grundlagen der Demokratie ein. Auch Parteien der sogenannten Mitte ordnen Menschenrechte und Demokratie zunehmend autoritären Maßnahmen unter und opfern sie kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen. Sie kommen den Rechten immer weiter entgegen. Wir zeigen klare Kante gegen rechts und die große Koalition der Abschottung. Als einzige Fraktion im Europaparlament stellen wir uns den Angriffen auf das Asylrecht kompromisslos entgegen.

Die EU trägt Mitverantwortung für ausgreifende Armut, zunehmenden Hunger und Perspektivlosigkeit in vielen Regionen insbesondere des Globalen Südens. Es ist schändlich, wie die EU als Trägerin des Friedensnobelpreises mit Menschen umgeht, die die lebensgefährliche Flucht wagen. Menschenrechte und Humanität sind unteilbar. Angesichts von zunehmender Militarisierung der EU-Außengrenzen und eines nach rechts driftenden Diskurses setzen wir uns für die Grundwerte der internationalen Solidarität, für Humanität und die Menschenrechte ein. Wir fordern: Keine Deals mit Diktatoren! Menschenrechte verteidigen und Fluchtursachen bekämpfen – nicht Geflüchtete.

Demokratie ist keine Frage des Bekenntnisses und der schönen Worte. Für uns bedeutet Demokratie mehr Gleichheit: beim Reichtum, bei den Lebensbedingungen in Europa und in Deutschland, bei den Entscheidungen, die das Leben aller betreffen. Unsere Demokratie wird gefährdet durch Superreiche, Konzerne und Lobbygruppen, die sich demokratischen Regeln entziehen. Sie wird angegriffen von rechten Parteien: Wo sie stark sind, sind grundlegende Rechte wie die der Frauen in Gefahr. Die Demokratie wird gefährdet durch eine Politik, die Reichen und Rechten den roten Teppich ausrollt. Wir stellen uns den Demokratiefeinden überall in den Weg und kämpfen für gleiche Rechte für alle Menschen. Niemand darf aufgrund seines Geschlechts, seiner sexuellen Orientierung oder Identität benachteiligt werden. Die öffentlichen Leistungen, die soziale Vorsorge dürfen nicht mehr durch Profitstreben, Spekulation und Markt kaputt gemacht werden. Sie sind Grundlagen der Demokratie.

Wir wissen: Es ist nicht wahr, dass für Sozialpolitik und Investitionen kein Geld da ist. Kürzungspolitik und „Schuldenbremse“ sind politische (Fehl-)Entscheidungen, die geändert werden können. Geld kann bei Superreichen und Konzernen eingesammelt werden. Denn der explodierende Reichtum von wenigen beruht auf der Ausbeutung von vielen. Wir wollen den Reichtum zurückholen und so einsetzen, dass Armut in Europa bekämpft wird, dass mit der Energiewende gute Arbeitsplätze entstehen, dass die Lebensverhältnisse sich für alle zum Besseren entwickeln, statt dass in Europa Billiglohn- und Armutszonen Steueroasen gegenüberstehen. Wir streiten für das Primat der Politik über die Wirtschaft! Ein Gemeinwesen, das demokratische Souveränität wahren will, muss Reichtum so besteuern, dass er nicht zum Problem für die Demokratie wird. Ein Gemeinwesen, das seine Demokratie verteidigen will, kann sich nicht von Finanzspekulation die Zukunft kaputt machen lassen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Sondervermögen!

Die Zeit drängt. Konzerne, Konservative und Liberale bereiten unter der Überschrift „Agenda 2030“ schon den nächsten Angriff auf soziale Rechte, Beschäftigte und den Sozialstaat vor. Das zeigt: Wer Europa will, der muss es Reichen und Konzernen nehmen und dem öffentlichen Eigentum Vorfahrt vor Privatisierung, Spekulation und Marktgläubigkeit geben. Unsere Wirtschaft braucht ein starkes öffentliches Rückgrat und massive Investitionen, damit wir die zahlreichen Krisen meistern können. Wir wollen, dass die EU für die Menschen funktioniert. Dafür wollen wir die EU verändern. Noch ist die neoliberale Kürzungspolitik ihren Institutionen eingeschrieben: durch Fiskalpakt, Maastricht-Kriterien und die als „Schuldenbremse“ verharmloste Investitionsbremse. Das muss nicht so bleiben.

Es braucht den Mut, den Markt zu regeln und die Macht der Konzerne zu brechen. Dann ist ein anderes, gerechtes, hoffnungsvolles Europa möglich.

Dafür treten wir überall ein – auf der Straße, in den Parlamenten, in den Betrieben, in den Wohnvierteln. Damit sind wir nicht allein. Die Proteste in Frankreich gegen die unsoziale Rentenreform, die Arbeitskämpfe der Gewerkschaften in Deutschland, Initiativen für eine bessere Gesundheitsversorgung in Spanien oder die Kämpfe der feministischen Bewegung für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in Polen und die Kämpfe für den Kohleausstieg überall in Europa zeigen: Auch der Mut wächst. Darauf wollen wir aufbauen: mit unseren Partnern in der Partei der Europäischen Linken (European LEFT), unserer Fraktion (THE LEFT) und anderen europäischen Verbündeten. Gemeinsam mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Zusammen mit den vielen Menschen, die für bezahlbare Wohnungen und Klimagerechtigkeit, gegen Stromsperren, für Naturschutz, für gute Löhne und Arbeitsbedingungen im Gesundheitssektor aktiv sind. Viele wenden sich gegen Freihandelsabkommen, fordern sichere Fluchtwege und versorgen Geflüchtete. Sie verhindern die Privatisierung des Wassers oder stellen genossenschaftlich Ökostrom her. Sie gehen auf die Straße für Frieden und internationale Solidarität. Die Menschen, die in sozialen Bewegungen aktiv sind und vielfach in ihren Nachbarschaften Solidarität und Demokratie leben – sie sind Botschafter*innen für ein anderes Europa, eine gerechte Europäische Union.

Positive Veränderungen sind möglich. Die Auseinandersetzungen über die Reform des Fiskalpaktes und die Umsetzung der Ergebnisse der EU-Zukunftskonferenz können eine Chance sein. Die Aufnahme gemeinsamer Anleihen, die Lockerung der Beihilferegeln, die Verlängerung der Fristen zum Schuldenabbau und die Schaffung von Investitionsfonds zeigen: Der Neoliberalismus in der EU ist massiv unter Druck. Endlich. Doch er wird nicht von alleine fallen. Wir müssen und wir können ihn überwinden. Bei den kommenden Wahlen geht es daher um nicht weniger als die Zukunft der EU – und damit von uns allen.

Wir treten an gegen ein Europa der Reichen, Rechten und Lobbyist*innen – und für ein Europa im Interesse der abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen, all der Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Das sind unsere Leute. Für sie machen wir Politik.

Wir wollen eine europäische Zeitenwende für Gerechtigkeit. Deshalb wollen wir, dass die EU zu einer Kraft für soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz, Völkerverständigung und Frieden wird. Ein unabhängiges Europa, das den Menschen verpflichtet ist, nicht dem Profit.

Wir sind nicht käuflich und nehmen als einzige Partei im Bundestag keine Spenden von Unternehmen und Konzernen an. Wir haben gemeinsam mit vielen wichtige Verbesserungen auf den Weg gebracht. Mit Ihrer Unterstützung können wir soziale Gerechtigkeit in der EU stark machen. Inmitten all der Krisen ist die Europawahl daher auch eine Chance. Dafür brauchen wir Ihre Stimme.

Die Ungleichheit in der EU ist gewachsen, die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auf. Das Versprechen, dass Europa durch die Europäische Union stärker zusammenwächst, wurde nicht gehalten. Die Vertragsgrundlagen der EU stellen den ungehinderten Kapital- und Warenverkehr vor die sozialen Interessen der Bevölkerung. So entsteht immer mehr Ungleichheit zwischen den Eigentümer*innen der großen Unternehmen und den Beschäftigten, Rentner*innen und ihren Familien. Ungleichheit ist das Gegenteil von sozialer Gerechtigkeit. Sie schließt Millionen Menschen von einer gerechten Teilhabe an der Gesellschaft aus. Die Ungerechtigkeit ist im Alltag zu spüren: Arbeiten bis zur Erschöpfung in der Pflege, an der Kasse und trotzdem kaum über die Runden kommen, höhere Energiekosten – aber die Konzerne freuen sich über Rekordgewinne. Ungleichheit unterhöhlt die Demokratie und zerstört den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der EU. Die EU hat sich gleichwertigen Lebensverhältnissen verschrieben. Die Ungleichheit zwischen den Regionen wächst aber. Ungleichheit bedeutet ungleiche Löhne für die gleiche Arbeit an unterschiedlichen Orten in der EU; Frauen bekommen immer noch weniger für die gleiche Arbeit. Wer reich ist, belastet die Umwelt um ein Vielfaches. Wer arm ist, ist häufiger krank und stirbt früher. Wer reich ist, kann sich leichter vor der Steuer verstecken und hat bessere Chancen, mit Lobbyvereinen die eigenen Interessen ins Parlament zu bringen.

Wer Europa will, muss es den Reichen nehmen. Die Linke streitet für eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums, damit es für ein gutes Leben für alle reicht.

  • Wir wollen den Reichtum von den Profiten zu den Löhnen verschieben: Die Gewinne der Unternehmen in Europa sind durch die Decke gegangen, die Löhne und Gehälter werden von den Preissteigerungen aufgebraucht. Die Inflation wird von den Profiten der Konzerne angetrieben. Die Unternehmen investieren einen immer geringeren Teil ihrer Profite in Innovation und verschieben einen immer größeren zu den Dividenden. Innovationen wollen sie über staatliche Investitionen finanziert bekommen, ohne die eigenen Gewinne einzusetzen und in irgendeiner Form kooperieren zu müssen.
  • Wir wollen die Beschäftigten ins Zentrum wirtschaftlicher Entscheidungen stellen. Steuerung von Investitionen, Modernisierung und allgemeine Arbeitsbedingungen müssen von den Beschäftigten selbst bestimmt werden. Sie schaffen durch ihre Arbeit den Reichtum der Unternehmen – nicht das Management.
  • Wir wollen den privaten Reichtum zum Öffentlichen verschieben: Hohe Vermögen und Konzerngewinne müssen stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens überall in der EU beitragen. Für soziale Sicherheit und verlässliche öffentliche Dienstleistungen und Strukturen, für Investitionen in den klimagerechten und sozialen Umbau unserer Wirtschaft. Das ist auch ein Beitrag zu gleichwertigen Lebensverhältnissen in der EU.
  • Wir wollen den Reichtum von oben nach unten lenken: Wir wollen soziale Mindeststandards durchsetzen und Armut in Europa abschaffen.

Wir setzen uns ein für gute Sozialleistungen und dafür, dass Menschen nicht auf Sozialleistungen angewiesen sind: weil die Löhne und Renten für ein gutes Leben reichen; weil die öffentlichen Dienstleistungen gebührenfrei sind; weil Wohnen bezahlbar ist; weil die Energiekosten sozial gestaffelt sind. Gesellschaftliche Teilhabe und der Schutz vor Armut sind nicht nur eine Frage der Sozialpolitik. Sie bauen auf starke Gewerkschaften, die für gute Löhne kämpfen. Dafür sind Tariftreue und das Streikrecht zentral. Gute Löhne müssen zu Renten führen, mit denen der Lebensstandard gehalten werden kann und die sicher vor Armut schützen. Teilhabe baut auf einer sozial gerechten Wirtschaftspolitik und der Vergabe von öffentlichen Mitteln auf: Entsteht der Reichtum in den Regionen, wo produziert wird? Zahlen die großen Unternehmen dort Steuern, wo sie Umsätze machen?

Entsteht aus öffentlicher Förderung auch öffentliches Eigentum? Werden die öffentlichen Eigentumsanteile genutzt, um auf die Art des Wirtschaftens und soziale Preise Einfluss zu nehmen? Wir wollen die Gewichte verschieben: Die Daseinsvorsorge muss gemeinwohlorientiert arbeiten, nicht nach Profiten. Für stärkere Mitsprache der Beschäftigten in allen Unternehmen und Sektoren, die staatliche Förderung und Investitionen erhalten!

Wir streiten für gute Löhne in ganz Europa, von denen alle gut leben können. Unternehmen dürfen ihre Betriebe oder ihren Firmensitz nicht zum Lohn- und Sozialdumping verlagern oder die Rechtsform wechseln, um Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten auszuhebeln. Wir wollen gute Standards für alle in einem demokratischen Europa. Wir wollen, dass Menschen sich frei in Europa bewegen können – aber sie sollen nicht auswandern müssen, weil es in ihrem Herkunftsland keine Arbeit oder nur zu schlechten Bedingungen gibt. Wir finden uns nicht damit ab, dass sie als Billigarbeitskräfte missbraucht werden, wenn sie zum Arbeiten nach Deutschland oder in andere Länder kommen. Wir haben im Europäischen Parlament eine Mindestlohnrichtlinie erkämpft. Jetzt kämpfen wir dafür, dass sie in Deutschland richtig umgesetzt wird.

Die Löhne hoch!

Mindestens 20 Millionen Menschen sind in der EU trotz Erwerbsarbeit von Armut bedroht. Die EU verpflichtet die Mitgliedstaaten mit der Mindestlohnrichtlinie, bis Ende 2024 Gesetze zu erlassen für eine angemessene Höhe der gesetzlichen Mindestlöhne und ihre regelmäßige Anpassung. Als angemessener Mindestlohn gelten laut EU mindestens 60 Prozent des mittleren (= Median) Stundenlohns. In Deutschland wären das 2024 14,12 Euro! Die EU fordert nationale Aktionspläne zur Erhöhung der Tarifbindung, wenn für weniger als 80 Prozent der Beschäftigten Tarifverträge gelten. In Deutschland sind es nur etwa 50 Prozent – jede*r zweite Beschäftigte hierzulande ist nicht durch einen Tarifvertrag geschützt. Mit Tarifverträgen verdienen die Beschäftigten mehr und sind besser geschützt. Wir wollen dafür sorgen, dass die Tarifbindung steigt!

  • Der gesetzliche Mindestlohn muss in Deutschland auf mindestens 15 Euro steigen und jährlich automatisch in Höhe der Inflationsrate erhöht werden.
  • Öffentliches Geld nur noch für gute Arbeit. Damit öffentliche Aufträge nicht mehr an Lohndrücker und Betriebe ohne Tarifvertrag vergeben werden, muss Tariftreue als Voraussetzung bei öffentlichen Aufträgen bundesweit festgeschrieben werden, auch für die Subunternehmen.
  • Wir wollen Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen: Die Tarifbindung ist in Deutschland auch deswegen so niedrig, weil es Unternehmen leichtgemacht wird, sich Tarifverträgen zu entziehen. Tarifverträge müssen auf Antrag der Gewerkschaften allgemeinverbindlich werden.
  • Tarifverträge müssen bei der Auslagerung auf Subunternehmen fortgelten.
  • Werkverträge und Leiharbeit wollen wir strenger regulieren, um Lohndumping und unsichere Arbeitsverhältnisse zu unterbinden.
  • Mitgliedschaften ohne Tarifvertrag (OT) in Arbeitgeberverbänden wollen wir verbieten.
  • Wir wollen die Tariftreuepflicht ins EU-Vergaberecht aufnehmen.
  • Wir wissen, dass nicht in allen EU-Ländern 60 Prozent des mittleren Lohns existenzsichernd sind. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass sich der Mindestlohn in allen EU-Ländern auch am tatsächlichen Bedarf zum Leben orientiert (Living Wage).
  • Wir setzen uns dafür ein, dass unsichere Arbeitsverhältnisse bei Subunternehmen und Leiharbeit in der EU verboten werden.

Kürzere Arbeitszeiten: Zeit für Freizeit und Familie

Unternehmensverbände drängen in vielen europäischen Ländern auf längere Arbeitszeiten für Beschäftigte. Sie wünschen sich 12-Stunden-Tage und 60-Stunden-Wochen und machen mobil gegen Schutzgesetze, die dem im Weg stehen. Sie versuchen, das als Freiheitsgewinn zu verkaufen. Doch Freiheit heißt, dass wir selbst darüber entscheiden können, wie und wofür wir unsere Zeit verwenden – und nicht das Management nach seinen Profitinteressen. Deswegen streiten wir für kürzere Arbeitszeiten, damit mehr Zeit für Familie, Freunde, Hobbys und Erholung bleibt. Auch in Artikel 2 der Europäischen Sozialcharta ist die Verpflichtung festgehalten, „die Arbeitswoche fortschreitend zu verkürzen“. In vielen Berufen sind Beschäftigte schon jetzt am Rand ihrer Kräfte. Das betrifft besonders auch Pflegekräfte, Erzieher*innen und Beschäftigte in sozialen Einrichtungen. Viele arbeiten deswegen in Teilzeit, auch wenn das für sie weniger Geld und eine niedrige Rente bedeutet – und den Mangel an Fachkräften verstärkt. Mit kürzeren Arbeitszeiten und höheren Löhnen werden Pflege, Erziehung und andere „Mangelberufe“ attraktiver. So können genügend Fachkräfte gefunden und gehalten werden. Kürzere Arbeitszeiten erleichtern eine gleichberechtigte Arbeitsteilung bei Haushalts- und Sorgeaufgaben, die bisher hauptsächlich von Frauen erledigt werden.

  • Eine 4-Tage-Woche ist genug: kurze Vollzeit für alle bei vollem Lohn- und notwendigem Personalausgleich. Wir schlagen dafür eine Verkürzung auf etwa 30 Stunden pro Woche vor (bzw. eine 4-Tage-Woche): flexibel über die Berufsbiografie zu wählen. Wir wollen Modellprojekte dazu fördern. Arbeitszeitverkürzung darf nicht zur Verdichtung der Arbeit führen!
  • Deutschland muss endlich eine verbindliche Arbeitszeiterfassung für alle Beschäftigten umsetzen, die dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes entspricht. Beschäftigte werden durch nicht erfasste Arbeitszeiten und unrealistische Leistungsvorgaben um einen Teil ihres Lohns betrogen.
  • Wartezeiten während der Arbeit müssen verpflichtend bezahlt werden. Sie sind keine Freizeit der Beschäftigten!
  • Wir brauchen EU-Arbeitsschutzrichtlinien zum Schutz vor Stress und körperlicher Überlastung für gute Standards in der gesamten EU.

Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit

Frauen bekommen in Deutschland für ihre Arbeit immer noch fast ein Fünftel weniger Geld als Männer. Das ist einer der höchsten Verdienstunterschiede aller EU-Länder. Mit der Entgelttransparenzrichtlinie verpflichtet die EU die Mitgliedstaaten bis 2026 zu Maßnahmen, um das zu ändern. Wir wollen nicht nur Transparenz, sondern Gleichheit: Das deutsche Entgelttransparenzgesetz muss ein Entgeltgleichheitsgesetz sein. Wir brauchen nicht nur ein Auskunftsrecht, sondern stärkere Durchsetzungsrechte, um tatsächlich gleiche Bezahlung zu erreichen. Zudem müssen die Löhne in sogenannten Frauenberufen steigen – dazu muss auch die Auslagerung durch öffentliche Arbeitgeber beendet und öffentliche Dienstleistungen müssen ausreichend finanziert werden. (Siehe Kapitel 1, „Steuern gegen Ungleichheit und für eine gute Zukunft“)

  • Alle Unternehmen müssen ihren Beschäftigten Auskunft über das Lohnniveau für vergleichbare Tätigkeiten geben.
  • Wir wollen ein Verbandsklagerecht zur Durchsetzung gleicher Bezahlung, damit Frauen nicht mehr allein ihre Rechte einklagen müssen.

Beschäftigte in der Digitalisierung schützen

Durch die Digitalisierung von Produktionsprozessen, die Nutzung von Computersystemen und Anwendungen künstlicher Intelligenz bekommt der Schutz von Beschäftigten eine neue Dringlichkeit. Digitale Vorgänge hinterlassen Daten, die umfassende Rückschlüsse auf die Arbeitenden ermöglichen. Leistung und Verhalten können damit überwacht und gesteuert werden. Wir wollen die Persönlichkeitsrechte von Beschäftigten schützen, unzulässige Kontrollen verhindern und Verhaltenssteuerung begrenzen. Nur so können wir eine menschenwürdige Arbeitswelt erhalten und ausbauen, in der digitale Anwendungen Unterstützung für Beschäftigte sind und nicht nur Mittel zur Profitsteigerung der Unternehmen. Digitalisierung soll das Leben und die Arbeit erleichtern, nicht erschweren oder dazu dienen, Arbeitsrechte zu schleifen.

  • Der Datenschutz für Beschäftigte muss umfassend geregelt werden. Die EU hat das in der Datenschutzgrundverordnung ausdrücklich ermöglicht!
  • Wir wollen den Einsatz von Keyloggern und anderen Überwachungstechnologien verbieten.
  • Die digitale Überwachung von Betriebsräten muss ausgeschlossen werden.
  • Betriebsräte und Beschäftigte müssen Auskunftsrechte erhalten, wo künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz kommt. Es muss transparent gemacht werden, welche Algorithmen eingesetzt werden, damit Betriebsräte deren Arbeitsweise und Entscheidungsprozesse überprüfen können.
  • Keine Personalauswahl durch KI! Sie führt zu Diskriminierung, weil abweichende Erfahrungen weniger Berücksichtigung finden.
  • Wir wollen, dass die EU den Einsatz von KI in der Arbeitswelt europaweit regelt. Besonders im digitalen Bereich machen die Arbeitsbedingungen nicht an den Grenzen halt.

28 Millionen Menschen arbeiten in Europa für digitale Plattformen wie Uber, Lieferando oder Amazon unter oft prekären Bedingungen. 2025 werden es wahrscheinlich bereits 43 Millionen sein. Sie sind häufig Scheinselbstständige und erhalten ihre Aufträge über intransparente Algorithmen. Mit der Plattformarbeitsrichtlinie will die EU Beschäftigtenrechte und soziale Absicherung für diese Arbeiten sicherstellen. Die Unternehmensverbände versuchen, diese Rechte möglichst vielen Beschäftigten vorzuenthalten. Wir wollen, dass die Richtlinie für alle Beschäftigten umfassend umgesetzt wird, damit Mindestlöhne, Arbeitszeitregelungen, Sozialversicherungsschutz, betriebliche Mitbestimmungsrechte und das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung nicht ausgehöhlt oder umgangen werden.

  • Die Begriffe „Betrieb“ und „Arbeitnehmer*in“ müssen an die Realität kapitalistischer Plattformarbeit angepasst werden. Den Beschäftigten bei Plattformen stehen dieselben Arbeitsrechte, derselbe Sozialversicherungsschutz und dieselben Mitbestimmungsrechte zu wie Beschäftigten in herkömmlichen Betrieben.
  • Es muss ein Auskunftsrecht über Auftragsvergabe durch Algorithmen geschaffen werden. Betriebsräte brauchen Einsichtsrecht in die Algorithmen.

Soloselbstständige absichern

Die Europäische Kommission hat Leitlinien verabschiedet, die Tarifverhandlungen von Soloselbstständigen ermöglichen, indem sie vom Wettbewerbsrecht ausgenommen sind. Das begrüßen wir, aber wir brauchen auch eine europäische Regelung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Soloselbstständige.

  • Auftraggeber*innen müssen auch für Soloselbstständige Sozialversicherungsbeiträge zahlen.
  • Es müssen branchenweite Mindesthonorare geregelt werden.

Auslagerung auf Subunternehmen einschränken

Die Auslagerung von Aufträgen auf rechtlich selbstständige Subunternehmen nimmt zu. Damit wollen die Unternehmen – und auch die öffentlichen Arbeitgeber*innen! – Arbeits- und Tarifstandards im Hauptunternehmen umgehen. Insbesondere in der Bauwirtschaft, Logistik, im IT-Sektor, der Reisebranche, im öffentlichen Personenverkehr und in der Landwirtschaft kommt derartiges Sozialdumping häufig vor.

  • Wir wollen eine europäische Regelung zur Generalunternehmerhaftung, wie es sie zum Beispiel im Baugewerbe in Deutschland gibt. Auftraggeber*innen müssen für die Arbeitsbedingungen und Entlohnung der von ihnen beauftragten Subunternehmen einstehen.
  • Bei einer Änderung der EU-Verträge müssen die Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge von Liberalisierung und Privatisierung ausgenommen werden.

Unternehmen in die Verantwortung für die gesamte Lieferkette nehmen

Die EU will Sorgfaltspflichten von Unternehmen bei deren ausländischen Zulieferer*innen festschreiben. Es ist kein Naturgesetz, dass Unternehmen Vorprodukte von Subunternehmen in anderen Ländern beziehen, deren Arbeits- und Herstellungsbedingungen sie nicht kontrollieren können. Das ist Unternehmensstrategie, um die Kosten für Herstellung und Lagerung ihrer Produkte zu senken. Sozial- und Umweltdumping, die Verletzung von Arbeits- und Menschenrechten werden dabei meist in Kauf genommen. Es ist nicht wahr, dass die Unternehmer*innen nicht wissen und nicht beeinflussen können, unter welchen Bedingungen ihre günstigen Zulieferer*innen produzieren lassen. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Hersteller*innen in die Verantwortung genommen werden.

  • Die Schwellenwerte für Unternehmensgrößen müssen deutlich herabgesetzt werden.
  • Wir wollen die Informations- und Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte erweitern. (Siehe Kapitel 4, „Sozial gerecht weltweit“)

Mehr Rechte für mobile Beschäftigte und Saisonbeschäftigte

Arbeitsmobilität innerhalb der EU darf nicht dazu führen, dass Beschäftigte ausgebeutet werden und die soziale Absicherung ausgehebelt wird. Noch immer werden auch „Briefkastenfirmen“ genutzt, um mit mobilen Beschäftigten einen Dumpingwettbewerb um die niedrigsten Löhne und schlechtesten Arbeitsbedingungen zu organisieren. Dieses Unterlaufen von Arbeitsstandards muss unterbunden werden. Die EU will mit einer Überarbeitung der Entsenderichtlinie die soziale Absicherung von ins Ausland entsandten Beschäftigten stärken. Dabei muss gelten:

  • Voller Sozialversicherungsschutz in jedem Arbeitsverhältnis ab dem ersten Tag, auch für Saisonbeschäftigte. „Geringfügige Beschäftigung“ darf nicht länger für Sozialdumping missbraucht werden!
  • Sozialversicherungsbeiträge müssen dort gezahlt werden, wo die Wertschöpfung stattfindet, um missbräuchliche Entsendung zu verhindern.
  • Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung müssen grenzüberschreitend angerechnet werden.
  • Vermittlungsagenturen müssen Mindeststandards einhalten und in gute Arbeitsbedingungen vermitteln.
  • Wir streiten für verbindliche menschenwürdige Standards für Unterkünfte mobiler Beschäftigter.
  • Arbeitsschutzkontrollen in den Mitgliedsländern müssen im Sinne der Beschäftigten ausgebaut werden: Es muss aufhören, dass der Zoll im Zweifelsfall seine Erfolge durch Aufdeckung „illegalen Aufenthalts“ schafft, statt gegen die Unternehmen vorzugehen. Das ist besonders für ausländische Beschäftigte wichtig und um den Arbeitsschutz zu stärken.
  • Die EU muss europaweite Beratungsstellen für mobile Beschäftigte, wie das Netzwerk Faire Mobilität des DGB, dauerhaft und ausreichend finanzieren.

Mitbestimmung und Demokratie im Betrieb und in der Wirtschaft stärken

Unternehmen sehen die Demokratie gern am Werktor enden. Der europäische Binnenmarkt erleichtert es, Beschäftigte gegeneinander auszuspielen und mit Verlagerung in Länder mit niedrigeren Löhnen oder Sozialstandards zu drohen (und die Drohung umzusetzen). Sie ändern die Rechtsform ihrer Unternehmen, um die Mitbestimmung der Beschäftigten über die Unternehmenspolitik in den Aufsichtsräten zu umgehen. Die Umwandlungsrichtlinie der EU erlaubt jedoch eine viel stärkere Begrenzung, als die Bundesregierung umgesetzt hat. Wir setzen uns dafür ein, die Rechte von Beschäftigten und Betriebsräten zu stärken, und treten der Aushöhlung der Demokratie durch die Unternehmen entgegen. Das ist für einen sozialökologischen Umbau der Wirtschaft von entscheidender Bedeutung.

  • Wir fordern ein Mitbestimmungsrecht bei wirtschaftlichen Fragen wie Investitionen, Betriebsschließungen, Verlagerung und Entlassungen. Beschäftigte und die Gesellschaft müssen mitentscheiden, was, wo und unter welchen Bedingungen produziert wird. Das darf nicht allein dem Profitinteresse der Aktionäre überlassen bleiben.
  • Die deutschen Mitbestimmungsgesetze müssen auf ausländische Unternehmensformen ausgeweitet werden und auch bei der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) voll gelten, um Mitbestimmungsflucht zu verhindern. Europäische Betriebsräte wollen wir stärken.
  • Das Streikrecht muss für alle Beschäftigten in Deutschland gewährleistet sein, einschließlich der Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen und für Beamt*innen. Auf europäischer Ebene wollen wir ein Recht auf politischen Streik verankern.
  • Wo öffentliche Gelder an Unternehmen fließen, müssen sie mit einer Ausweitung der Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten bzw. öffentlichem Miteigentum verbunden werden.
  • Bei Standortverlagerung müssen öffentliche Fördermittel für die Ansiedlung zurückgezahlt werden. Der Zeitraum, für den das gilt, muss verlängert werden.
  • Wir wollen Genossenschaften und kollektives Eigentum an Betrieben fördern.

Armut abschaffen und soziale Ausgrenzung bekämpfen

Wir sagen der Ungleichheit den Kampf an: Der unverschämte Reichtum weniger ist die Armut vieler. Damit wollen wir Schluss machen. Wir wollen den Sozialstaat überall in Europa stärken und die Unternehmen stärker für die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme in die Pflicht nehmen.

Mehr als jede*r Fünfte in der Europäischen Union ist von Armut bedroht, das sind über 140 Millionen Menschen. Jedes vierte Kind unter 18 Jahren zählt dazu. Die Ungleichheit zwischen den Regionen hat zugenommen. Die „soziale Säule“ der EU sollte ein Gegengewicht zur neoliberalen Politik und ihren Folgen schaffen. Aber mehr als 100 Millionen Menschen arbeiten im Niedriglohnsektor, in prekärer Beschäftigung und sind trotz und mit Arbeit arm. Der Verarmung und Entsicherung stellen wir unsere Vision einer sozial gerechten EU entgegen, in der alle Menschen sozial abgesichert mit guter Arbeit, auskömmlichen Renten und armutsfester Existenzsicherung leben können. Soziale Sicherheit ist Voraussetzung für ein würdevolles Leben. Wenn Konzerne und Reiche in die Pflicht genommen werden, ist sie finanzierbar.

  • Europäische Mindeststandards: Die sozialen Standards in den EU-Ländern dürfen nur nach oben angeglichen, aber nicht abgesenkt werden (Aufwärtskonvergenz). Statt Institutionalisierung von Kürzungen (wie mit den Maastricht-Kriterien und dem Fiskalpakt) fordern wir für die EU einen automatischen Mechanismus zur sozialen Sicherung. Wenn Löhne und Einkommen, Beschäftigung und Sozialausgaben unter einen Grenzwert fallen, müssen entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.
  • Wir wollen ein europäisches Mindesteinkommen: Es soll das soziokulturelle Existenzminimum sichern, wenn keine ausreichenden finanziellen Mittel verfügbar sind.   Dieses Mindesteinkommen muss in allen Lebenslagen sicher gegen Armut schützen. Das Europäische Parlament hat im März 2023 auf unseren Antrag hin eine verbindliche Richtlinie beschlossen, jetzt muss sie umgesetzt werden!
  • Wir wollen eine europäische Erwerbslosenversicherung durchsetzen. Dafür soll eine Rahmenrichtlinie geschaffen werden, die den Mitgliedstaaten Vorgaben macht. Sie muss Mindeststandards festlegen zu Anwartschaften, Anspruchshöhe und -dauer sowie zur Abdeckungsquote (also wie viele Erwerbslose Leistungen aus der Erwerbslosenversicherung beziehen).
  • Wenn soziale Rechte verletzt werden, die in der Europäischen Sozialcharta verankert sind, wollen wir ein kollektives Beschwerderecht (Verbandsklagerecht) schaffen. Das sieht das „EU-Protokoll über ein fakultatives Kollektivbeschwerdeverfahren“ von 1995 vor. Deutschland hat dieses Protokoll bislang weder unterzeichnet noch ratifiziert.
  • Sozialen Fortschritt institutionalisieren: Wir fordern eine soziale Fortschrittsklausel, um den grundsätzlichen Vorrang von sozialen Grundrechten, insbesondere des Streikrechts (unabhängig von der Branche), vor der Binnenmarktfreiheit zu sichern.

Renten sichern

Wir streiten für ein Alter in sozialer Sicherheit überall in Europa. Jede*r fünfte Rentner*in in der EU ist von Armut bedroht. Mit den Renten darf nicht an den Finanzmärkten spekuliert werden, und Rentenleistungen dürfen nicht von den Aktienkursen abhängig sein. Die Unternehmen wollen das Renteneintrittsalter erhöhen. Wir stellen uns dem entgegen! Die Preissteigerungen haben viele Rentner*innen in Not gebracht. Wir streiten für einen wirksamen Ausgleich der Inflation für die Rente!

  • Wir wollen eine europaweite Mindestrente, die garantiert, dass alle Menschen im Alter sicher vor Armut sind. Sie muss oberhalb der Armutsrisikogrenze des jeweiligen Landes liegen. Sie soll einkommens- und vermögensgeprüft sein.
  • Die gesetzliche Rente muss europaweit den im Erwerbsleben erreichten Lebensstandard sichern. Wir fordern darüber hinaus, dass niedrige Renten aufgestockt werden, bis sie sicher vor Armut schützen (Solidarische Mindestrente).
  • Die europäischen Pensionskassen gehören zu den größten Investoren in fossile Energien weltweit. Durch den Ausbau kapitalgedeckter Rentensysteme sind sie zu renditegetriebenen Investoren geworden, die nicht nur umweltschädlich, sondern auch riskant agieren. Wir wollen die Macht der Pensionskassen zurückfahren, indem wir gesetzliche und umlagebasierte Rentenkassen europaweit stärken.

Kinderarmut europaweit bekämpfen, Kinderrechte stärken

In der EU lebte 2019 fast jedes vierte Kind unter 18 Jahren in Armut (22 Prozent). Das sind fast 18 Millionen Kinder in Not. Auch in Deutschland ist jedes fünfte Kind von Armut betroffen. Die Europäische Kindergarantie soll Kinderarmut und soziale Ausgrenzung von Kindern in der EU bekämpfen.

  • Wir wollen, dass die Europäische Kindergarantie so umgesetzt wird, dass allen Kindern und Jugendlichen die soziokulturelle Teilhabe und ein gleichberechtigter und diskriminierungsfreier Zugang zu kostenloser Bildung und Erziehung, Gesundheitsversorgung, gesunder Ernährung und altersgerechter Unterkunft ermöglicht wird.
  • Bei der Umsetzung müssen Kinder und Jugendliche beteiligt werden, damit ihre Perspektiven Berücksichtigung finden.
  • Die Einführung einer Kindergrundsicherung muss ein zentraler Baustein der Europäischen Kindergarantie sein.

Wir wollen eine EU, die für sozialen Fortschritt steht. Die mit einer Politik der Vollbeschäftigung die Verhandlungsmacht der Beschäftigten stärkt und den finanziellen Herausforderungen des sozialen und ökologisch gerechten Umbaus der Wirtschaft gewachsen ist. Der Haushalt der EU und die nationalen Haushalte müssen dem genügen. Die Probleme des Neoliberalismus zeigen sich offen. Immer häufiger ist die EU gezwungen, mit den neoliberalen Prinzipien zu brechen, auf denen ihre eigenen Verträge gründen. Wir streiten für eine starke, unabhängige EU, die den sozialen und ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft organisiert. Der EU-Haushalt muss das abbilden.

Zur Bewältigung der Corona-Krise hat die EU zusammen mit ihrem mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 das Programm „NextGenerationEU“ verabschiedet. Erstmals hat die EU eigene Kredite, sogenannte Eurobonds, zu günstigen Konditionen auf den Finanzmärkten aufgenommen. Das reicht aber nicht aus, um die bestehenden Krisen in der EU anzugehen.

Die Kriterien von Maastricht und der Stabilitäts- und Wachstumspakt schreiben vor, dass Staaten sich jährlich mit nicht mehr als 3 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes verschulden dürfen und ihr Gesamtschuldenstand 60 Prozent nicht überschreiten darf. Der Fiskalpakt verschärft die Neuverschuldungsquote für die Euroländer sogar auf maximal 0,5 Prozent. Diese Regeln verhindern eine aktive Fiskalpolitik der EU. Sie legen die EU und ihre Mitgliedstaaten auf eine neoliberale Politik fest, nach der Profitsteigerung von Konzernen Vorrang hat. Breite und dauerhafte gesellschaftliche Akzeptanz kann die EU nur finden, wenn sie nicht länger dem neoliberalen Dogma folgt und nicht mit persönlichen Entbehrungen verbunden wird, die „von Brüssel“ beschlossen werden.

Die europäischen Fiskalregeln haben – wie die deutsche Schuldenbremse – sinnvolle und notwendige öffentliche Investitionen verhindert. Im Zuge der Corona-Krise wurden sie ausgesetzt, weil sie an der Realität gescheitert sind. Derzeit wird zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten über ihre zaghafte Reform verhandelt. Das 3-Prozent-Defizit-Kriterium und die 60-Prozent-Schuldenstandsquote bleiben jedoch erhalten. Die Mitgliedstaaten sollen lediglich mehr Flexibilität beim Schuldenabbau haben. Die Begrenzung des Defizits auf 3 Prozent und die Obergrenze von 60 Prozent sind willkürlich festgelegt, es gibt keine ökonomische Begründung dafür. Wir fordern, dass sie aufgehoben und die Europäischen Verträge entsprechend geändert werden, um wirksame Sozialpolitik und langfristige sozialökologische Investitionen zu ermöglichen!

Der erste Schritt kann gemacht werden, ohne die Verträge zu ändern: Wir wollen, dass öffentliche Nettoinvestitionen über Kredite finanziert werden dürfen. Öffentliche Investitionen führen dazu, dass die öffentliche Infrastruktur und das öffentliche Vermögen gestärkt und verbessert werden, und sie schaffen nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Öffentliche Investitionen dürfen deshalb nicht in Defizite und den Schuldenstand eingerechnet werden. Ausgenommen davon werden Investitionen in Rüstungs- und Militärausgaben, denn sie tragen nicht zur Erhöhung des gesellschaftlichen Wohlstands bei.

  • Der EU-Haushalt muss doppelt so groß sein, um die zahlreichen Krisen in der EU zu meistern und eine regional ausgeglichene Entwicklung zu ermöglichen.
  • Woher kommt das Geld: Wir wollen neue Steuern für transnationale und multinationale Konzerne einführen. Eine Finanztransaktionssteuer und eine Gesamtbesteuerung von Konzernen auf EU-Ebene durch die direkte Besteuerung von 25 Prozent der Unternehmensgewinne helfen, die Steuern in der EU zu harmonisieren.
  • Wir wollen Strukturmittel der EU gezielt für den sozialökologischen Umbau (europäischer Green New Deal) einsetzen, um die Menschen und Regionen in der Konversion zu unterstützen: Umbau von Wirtschaft und Verkehr, von Energie und Landwirtschaft.
  • Wir wollen kein Geld für Frontex, Pesco und ähnliche Rüstungsprogramme ausgeben. Stattdessen werden Gelder benötigt, um zivile Konfliktlösungen zu stärken – auch das Wissen und die Forschung dazu.
  • Für das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele und für Geschlechtergerechtigkeit wird noch immer zu wenig ausgegeben, wir wollen das ändern.
  • Gelder aus dem EU-Haushalt dürfen nicht an Sozialkürzungen oder die Einschränkung von sozialen und Arbeitsrechten in den Mitgliedstaaten gebunden werden. Das schadet der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung.
  • Wir wollen die EU reformieren: Sie muss eigene Schulden aufnehmen können, für die sie selbst haftet.
  • Wir wollen, dass die neoliberalen Maastricht-Kriterien, der Stabilitäts- und Wachstumspakt und der Fiskalpakt grundsätzlich überarbeitet und die Verträge geändert werden. Kosmetische Korrekturen reichen nicht!
  • Die Europäische Zentralbank soll den EU-Haushalt finanzieren dürfen.
  • Der EU-Haushalt und die Demokratisierung der EU gehören zusammen: Das Europäische Parlament hat bislang keine eigenständige Kontrolle über den Haushalt der EU. Das wollen wir ändern!

Mehr öffentlicher Reichtum: Vorfahrt fürs Öffentliche

Die öffentliche Daseinsvorsorge umfasst Bildung, Mobilität, Energie, Pflege, Gesundheit, Wohnen, Wasser, Abfall und vieles mehr. In all diesen Bereichen wollen wir eine kostengünstige und ökologisch gerechte Versorgung aufbauen. Die öffentliche Daseinsvorsorge ist in der EU über Jahrzehnte dem Markt ausgeliefert und kaputtgekürzt worden. Die Pflicht zu europaweiten Ausschreibungen und die Einschränkungen für Unternehmen in öffentlicher Hand haben die Qualität der öffentlichen Dienste beschädigt. Zahlreiche kommunale Betriebe wurden privatisiert. Die Orientierung auf Wettbewerbsfreiheit und Austerität hat überall in der EU tiefe Spuren hinterlassen: In den Schulen fehlt es an Lehrer*innen und an Geld für die Sanierung von Gebäuden. In den Krankenhäusern herrschen Pflegenotstand und Bettenmangel nicht nur während der Corona-Krise. Energiekonzerne erzielen Milliardengewinne, während die Mehrheit unter hohen Energiepreisen leidet. Immer mehr Menschen wissen, dass Privatisierung nicht zu günstigeren Preisen und besseren Dienstleistungen führt – im Gegenteil.

Das Angebot der Daseinsvorsorge ist eine Klassenfrage: Wer es sich leisten kann, schickt die Kinder auf Privatschulen. Wer in der Großstadt eine Eigentumswohnung kaufen kann, braucht keinen gemeinnützigen Wohnungsbau. Wer Luxusautos fährt, braucht keinen Nahverkehr. Wer einen Swimmingpool hat, braucht keine öffentlichen Schwimmbäder. Gute öffentliche Dienstleistungen sind der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält. Sie sind entscheidend für die Lebensqualität der Menschen. In den EU-Verträgen und Richtlinien darf nicht länger auf Profit und Privatisierung gedrängt werden! Die Linke streitet für reiche öffentliche Angebote mit guten Dienstleistungen und Arbeitsbedingungen statt privaten Reichtums und öffentlichen Mangels. Öffentliche Daseinsvorsorge stärken bedeutet, öffentlichen Reichtum zu schaffen. Wir holen uns die öffentliche Daseinsvorsorge zurück und schaffen die Voraussetzung für ein gutes Leben für alle.

Unsere Vision der öffentlichen Daseinsvorsorge umfasst:

  • Der ÖPNV ist gut ausgebaut und kostenfrei in der ganzen EU. (Siehe Kapitel 3, „Mehr Mobilität mit weniger Verkehr“)
  • Alle haben Zugang zu lokal produzierter, gemeinwirtschaftlich organisierter und preiswerter Energieversorgung durch Stadtwerke und Energiegenossenschaften mit sozial gestaffelten Preisen. (Siehe Kapitel 3, „Energiewende sozial gerecht statt Energiemarkt“)
  • Bezahlbarer Wohnraum für alle! Mehr öffentlicher Wohnraum und mehr Gemeinnützigkeit auf dem Wohnungsmarkt – unser Ziel ist mindestens die Hälfte in öffentlicher Hand! (Siehe Kapitel 1, „Recht auf Wohnen, klimagerecht und bezahlbar für alle“)
  • Statt großer Gewinne für Krankenhaus- und Pflegekonzerne wollen wir eine bedarfsdeckende Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens: Krankenhäuser und Pflegeheime zurück in die öffentliche Hand! (Siehe Kapitel 1, „Gute Gesundheit und Pflege“)
  • Kommunale Sorgezentren: Hier werden zugängliche soziale Dienstleistungen geschaffen wie Gesundheitsberatung, Bildungsberatung und administrative Hilfen. Die Sorgezentren stellen auch Räume für Austausch, Verständigung und Selbstorganisierung bereit. Damit stärken sie das solidarische Miteinander in den Nachbarschaften.
  • Soziale Zentren schaffen! Wir schlagen vor, leerstehende Gewerberäume in kommunale oder genossenschaftliche Hand zu überführen und als soziale Zentren zu nutzen. Diese Orte sollen der Begegnung dienen und grundlegende Dienstleistungen wie Post und Bank anbieten. Sie können Räume für zivilgesellschaftliche Initiativen, gemeinsames Kaffeetrinken, Diskussionsrunden, Kulturveranstaltungen, Beratung und vieles mehr bereithalten. Wir wollen Modelle fördern, in denen mehrere Generationen zusammenwohnen. Auch Dorfläden mit Zugang zu Bestellplattformen regionaler Produzent*innen sind möglich.
  • Willkommen braucht Strukturen: Geflüchtete kommen in den Kommunen an – wir unterstützen sie dabei, eine Willkommenskultur zu schaffen und die Geflüchteten zu versorgen. Wir fordern einen EU-weiten Fonds, der Geflüchteten Bewegungsfreiheit sichert und aufnahmebereiten Kommunen und solidarischen Städten hilft. (Siehe Kapitel 5, „Willkommen braucht Strukturen“)
  • Öffentliche Wasserspender wie in Rom, Sonnencremespender wie in Holland und flächendeckend kostenlose öffentliche Toiletten: Wir wollen, dass die Kommunen in der Lage sind, mehr als das absolut Nötige zu schaffen.

Wir sagen, wie wir das bezahlen wollen: mit angemessenen Steuern auf hohe Vermögen und Konzerngewinne und mit einem starken, gerechten EU-Haushalt.

Das Geld ist da: Holen wir uns den Reichtum zurück!

Die EU hat darauf hingewirkt, öffentliches Eigentum aufzulösen und dem Markt zuzuführen Wir wollen öffentliches Eigentum und die Orientierung am Gemeinwohl in der Daseinsvorsorge stärken. Öffentliches Eigentum muss auch bedeuten: sozial verträgliche Preise und gemeinwohlorientiertes Wirtschaften.

  • Wir wollen einen Kommunalisierungsfonds auf EU-Ebene aus Mitteln der Kohäsionspolitik. Er soll Kommunen finanziell unterstützen, die ihre privatisierten Betriebe in öffentliche Trägerschaft (zurück-)führen wollen, seien es Wohnungsbestände, Krankenhäuser, Wasserversorgung, der öffentliche Nahverkehr oder die Abfallwirtschaft.

Modelle mit unterschiedlichen Eigentumsformen müssen gefördert werden: Eigentümerschaft von Kommunen, von Beschäftigten oder von Bürger*innen – vom klassischen Regiebetrieb über Stadtwerke bis hin zu Genossenschaften. Gemeinsame Bedingung für eine Förderung ist eine gemeinnützige Ausrichtung: Überschüsse und Gewinne dürfen nicht entnommen, sondern müssen reinvestiert werden. Im Falle einer kommunalen Trägerschaft ist eine Abgabe an den öffentlichen Haushalt der Kommune möglich.

Für starke Kommunen

Die öffentliche Daseinsvorsorge muss lokal und regional gewährleistet werden. Viele Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge werden von den Kommunen getragen. Sie unterliegen dem Zwang, Dienstleistungen europaweit auszuschreiben. Europäische Fördermittel sind an Zufinanzierung der Kommunen gebunden – die oft fehlt, weil die Kommunen zu wenig Steuern von Unternehmen und Reichen einnehmen und vom Bund zu wenig bei den Kosten der Sozialleistungen unterstützt werden. Das Ergebnis: Oft wird das preiswerteste Angebot akzeptiert oder die Leistungen werden privatisiert oder ganz eingestellt. Wir wollen Vergaben an soziale, tarifliche und ökologische Kriterien binden und Vorrang für kurze Wege und regionale Angebote festschreiben. Viele Kommunen wollen ihre ausgelagerten Betriebe und Dienstleistungen wieder in eigene Trägerschaft überführen. Die Linke unterstützt sie bei diesem Prozess mit dem Kommunalisierungsfonds.

Unsere Vision der öffentlichen Daseinsvorsorge erfordert, dass Kommunen Spielraum haben, die Bedürfnisse der Bürger*innen gemeinwohlorientiert zu befriedigen. Die Kommunen sind in ihrer Wirtschaftstätigkeit dem Korsett des EU-Binnenmarktes unterworfen – das wollen wir ändern: Krankenhäuser, Museen oder Energieversorger sollten nicht als Unternehmen angesehen werden, die miteinander um die höchsten Profite konkurrieren müssen.

  • Die öffentliche Daseinsvorsorge ohne Zwang zu Profitmaximierung soll nicht die Ausnahme, sondern die wünschenswerte Regel sein. Kommunen als Träger der öffentlichen Daseinsvorsorge dürfen in ihrer Funktion der gemeinnützigen Bereitstellung von Gütern nicht behindert werden. Die Verträge und Richtlinien der EU, vor allem im Vergabe- und Beihilferecht müssen entsprechend geändert werden.
  • Die Direktvergabe der Daseinsvorsorge an kommunale Träger soll nicht nur weiterhin möglich, sondern wieder die Norm sein. Angriffe auf Direktvergaben durch Konzerne müssen abgewehrt werden. Das Privatisierungsverbot, das im Bereich Wasser von der europäischen Bürger*inneninitiative „Right2Water“ erkämpft wurde, ist ein guter Schritt, der auch in anderen Bereichen angewandt werden sollte.
  • Die aktuelle EU-weite Ausschreibungspflicht für kommunale Dienstleistungen lehnen wir ab. Bei Vergabe von Aufträgen an öffentliche oder private Träger braucht es hohe soziale (Tarifpflicht) und ökologische Kriterien. Dazu fordern wir eine weitere Lockerung der Beihilferegelungen und das Ende oder zumindest Ausnahmen von der europäischen Schuldenbremse: Kommunen und Länder brauchen finanzielle Spielräume, um sozial und ökologisch gerechte öffentliche Daseinsvorsorge zu organisieren.
  • Das EU-Recht gesteht den Mitgliedstaaten, Ländern und Kommunen mittlerweile zu, eigene Kriterien für Vergaben festzulegen. Wir wollen, dass ökologisch verträgliches und möglichst regionales Wirtschaften mit Tarifbindung im Regelfall in der EU gesetzliche Voraussetzung für die Vergabe wird.
  • Viele Kommunen in der Europäischen Union und in Deutschland sind chronisch unterfinanziert. Die kommunalen Einnahmen müssen deshalb gestärkt und verstetigt werden. Die Krise der Kommunalfinanzierung zeigt sich, wenn Kommunen nicht einmal Fördermittel abrufen können, weil sie zu wenig Personal in den planungsrelevanten Bereichen (zum Beispiel den Bauämtern) haben, um sie zu beantragen.
  • Die Fördermittel der EU sind bisher an Mitfinanzierung der Kommunen gebunden. Damit können Kommunen mit Finanzproblemen – die besonders auf die Förderung angewiesen sind – weniger Mittel beantragen als finanzstarke Kommunen. Wir wollen das umkehren: Kommunen in der Krise und in Haushaltssicherung sollen bevorzugt Anträge stellen können.

Recht auf Wohnen, klimagerecht und bezahlbar für alle!

Wir setzen uns für ein Recht auf Wohnen ein: bezahlbar, klimagerecht und würdevoll. Die EU trägt zum Recht auf Wohnen bislang nichts bei – das muss sich ändern. Das Europäische Parlament hat mit Unterstützung Der Linken eine Resolution verabschiedet, dass jede*r das Recht auf bezahlbares Wohnen hat. Das Recht muss verbindlich werden und weitergehen: Um das Recht auf Wohnen durchzusetzen, braucht es gesellschaftliche Kontrolle über den Wohnungssektor. Er darf nicht den Interessen von Immobilienkonzernen oder dem Wildwuchs von Airbnb überlassen werden. Wir kämpfen gemeinsam mit den europäischen Mieter*innen-Bewegungen für Mietobergrenzen und konsequenten Mieter*innenschutz, für die europäische Finanzierung von gemeinnützigem Wohnungsbau und gegen Obdachlosigkeit.

Unser Zuhause, nicht eure Profite

Wir wollen Schluss machen mit der finanzialisierten Wohnungswirtschaft. Aktuell werden Immobilienfonds mit Fördermitteln der EU ausgestattet: Beispielsweise hat Vonovia ohne transparente Auflagen 600 Millionen Euro für energetische Sanierungen von der Europäischen Investitionsbank bekommen. Keine staatlichen Zuschüsse für profitorientierte Wohnungskonzerne ohne klare soziale Auflagen und Transparenz!

  • Die Förderpolitik der EU und ihrer Mitgliedstaaten muss darauf ausgerichtet werden, das Recht auf klimagerechten, bezahlbaren Wohnraum zu verwirklichen.
  • Steuervorteile für Immobilieninvestor*innen und -unternehmen, zum Beispiel Share Deals, müssen flächendeckend abgeschafft werden.
  • Pensions- und andere Fonds sowie große institutionelle Investoren investieren Milliarden in Wohnraum und spekulieren auf hohe Renditen. Das kurbelt die Mietpreisspirale weiter an. Wir wollen ein Investitionsverbot von Fonds in Wohnraum und Wohnungsunternehmen. Keine Profite mit der Miete!
  • Wir unterstützten Initiativen zur Vergesellschaftung von großen Immobilienkonzernen: In Deutschland überführen wir Wohnraum in Anstalten öffentlichen Rechts, andere Länder haben dafür andere Rechtsgrundlagen. Die EU darf Enteignung von Wohnungskonzernen nicht unterbinden.
  • Airbnb und Co wollen wir den Boden entziehen. Überall in Europa wird Wohnraum für Ferienunterkünfte missbraucht. Das wollen wir verhindern. Für nichtkommerziellen Wohnungstausch von privat zu privat wollen wir eine faire Alternative schaffen („Fairbnb“). Die Zweckentfremdung von ganzen Wohnungen oder Häusern wollen wir verbieten. Das sichert Wohnraum dort, wo er besonders knapp ist: in nachgefragten Städten und Regionen.
  • Gegen Immobilien- und Bodenpreisspekulation: Leerstand und Spekulationsobjekte müssen wie in Spanien verpflichtend der Vermietung zugeführt werden.

Gemeinnützigen Wohnraum stärken!

Wir wollen die Investitionen in den sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau europaweit stärken. Gemeinnütziger Wohnraum wird dezentral vor Ort geschaffen: Kommunen, Genossenschaften und selbstverwaltete Wohnprojekte müssen dabei rechtlich und finanziell von der EU unterstützt werden. Wir ändern das EU-Beihilferecht, sodass die Bevorzugung von gemeinnützigem Wohnraum nicht mehr von der EU behindert wird. Wir stehen an der Seite von Deutsche Wohnen & Co enteignen – in Städten mit einem nicht funktionierenden Wohnungsmarkt wie Berlin wollen wir Immobilienkonzerne mit mehr als 3 000 Wohnungen in öffentliches Eigentum überführen.

  • Wir wollen die Kommunen finanziell dabei unterstützen, dezentral Wohnraum zu erwerben und gemeinnützig zu bewirtschaften. Hierfür wollen wir einen europäischen Kommunalisierungsfonds schaffen. Auf den können die Kommunen zugreifen und so die öffentliche Daseinsvorsorge in die öffentliche Hand holen. In Deutschland können damit Wohnungsbestände von Immobilienkonzernen übernommen werden. In anderen europäischen Ländern können Eigenheimbesitzer*innen unterstützt werden, die wegen steigender Zinskosten von Zwangsräumung bedroht sind.
  • Sozialer Wohnungsbau darf nicht genutzt werden, um private Investor*innen zu subventionieren. Der Bau von Sozialwohnungen muss dauerhaft in die Hand gemeinnütziger Akteure gelegt werden.
  • Einmal gefördert, immer in der Sozialbindung: Öffentlich geförderte Wohnungen müssen dauerhaft sozialgebunden bleiben.
  • Wir schaffen Förderprogramme der Europäischen Investitionsbank für gemeinnützigen Wohnraum und passen die Regelungen im Stabilitäts- und Wachstumspakt an, sodass Investitionen in gemeinnützigen Wohnraum nicht auf Schulden angerechnet werden.

Mietendeckel und bezahlbarer Wohnraum

Es ist in der EU zur Normalität geworden, dass Menschen mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für Wohnen ausgeben, während die Immobilienkonzerne Inflation, Indexmieten und energetische Modernisierungen nutzen, um ihre Profite zu erhöhen. In vielen europäischen Städten hat sich das Problem weiter verschärft. Ob Mailand, Madrid, Mannheim oder Dresden: Das Leben wird für immer mehr Menschen unbezahlbar.

  • Wir wollen verbindliche Mietobergrenzen und ein Verbot von Indexmietverträge in der ganzen EU. Das bremst auch den Bau von Luxusapartments – wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum!
  • Ein großer gemeinnütziger Wohnungssektor hält die Mieten bezahlbar – wie etwa in Wien. Um der Wohnungskrise endlich entgegenzuwirken, müssen die Investitionen in den bezahlbaren, sozialen Wohnungsbau massiv ausgeweitet werden und in den Aufbau eines gemeinnützigen Wohnungssektors fließen.
  • Sicher vor Kündigung: Wir fordern Dauermietverträge in ganz Europa als effektiven Kündigungsschutz.

Wohraum schaffen gegen Obdachlosigkeit

In Europa sind ungefähr 700 000 Menschen obdachlos. In den vergangenen zehn Jahren ist ihre Zahl um 70 Prozent gestiegen. Obdachlosigkeit ist Symptom einer verfehlten Wohnungs- und Sozialpolitik. In der Europäischen Union wird zu wenig dagegen getan – in Ungarn wird Obdachlosigkeit seit 2018 sogar kriminalisiert.

  • Wichtigstes Mittel gegen Obdachlosigkeit ist ein EU-weites Verbot der Zwangsräumung: Niemand darf auf die Straße gesetzt werden! Das Grundrecht auf Wohnen muss von der EU und allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden.
  • Es braucht eine EU-weite Strategie zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit. Sie muss gleichberechtigten Zugang zu Hilfsangeboten, Gesundheitsversorgung und Sozialleistungen ermöglichen. Obdachlose Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft dürfen nicht diskriminiert werden!
  • Housing First! Wohnungs- und obdachlosen Menschen sollen zuerst eigene Mietwohnungen vermittelt werden. Das bildet den Grundstein für andere soziale Leistungen wie Suchthilfe oder Arbeitssuche.
  • Wohnungen statt Lager – keine menschenunwürdige Unterbringung von Geflüchteten in Sammelunterkünften! Die dezentrale Unterbringung in einer eigenen Wohnung muss in der ganzen EU zum Standard werden! (Siehe Kapitel 5, „Die Grenzen der Demokratie: Keine Festung Europa“)

Sozial gerechte ökologische Modernisierung

Der Gebäudesektor ist für einen Großteil der CO2-Emission verantwortlich: Bestandssanierungen und Wärmewende sind deshalb dringend. Für eine sozial gerechte Wärmewende braucht es gesellschaftliche Kontrolle – ansonsten finden Immobilienkonzerne immer Wege, um die Miete zu erhöhen.

  • In Deutschland muss die Modernisierungsumlage abgeschafft werden, damit die Kosten nicht auf die Mieter*innen umgelegt werden können.
  • Kein öffentliches Geld an Immobilienhaie: Wir wollen, dass Förderung an klare soziale und ökologische Kriterien gekoppelt wird. Ein gemeinnütziger Wohnungssektor garantiert die sozial gerechte Wärmewende.
  • Die Einbeziehung des Gebäudesektors in den Europäischen Emissionshandel ETS 2.0 lehnen wir ab, denn eine pauschale Bepreisung ist sozial ungerecht. Mieter*innen haben keinen Einfluss auf Heizung und Sanierung ihrer Wohnung. Der vorgeschlagene Klimasozialfonds ist zu niedrig ausgestattet und muss aufgestockt werden. Die Gelder wollen wir für die Ausweitung des gemeinnützigen Wohnungssektors einsetzen.
  • Bei der Novelle der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) unterstützen wir EU-Mindestenergiestandards (MEPS), bei denen die Gebäude zuerst saniert werden müssen, die den schlechtesten Energiestandard haben und am schlechtesten gedämmt sind. In schlecht sanierten Häusern leben überdurchschnittlich viele Gering- und Durchschnittsverdienende. Bei solchen Sanierungen kann die Verringerung der Treibhausgase ganz praktisch mit Alltagsverbesserung für diejenigen verbunden werden, die es am meisten brauchen.
  • Lösungen im Bestand statt Neubauten! „Bauen, bauen, bauen“ ist nicht nur wirkungslos gegen zu hohe Mieten, sondern auch unökologisch: Es werden zu teure Wohnungen gebaut und Flächen versiegelt. Lösungen im Bestand müssen Vorrang haben. Wo Wohnraum knapp ist, muss er auch in Neubauten bezahlbar sein. Beim Neubau sollen nachhaltige Baustoffe eingesetzt werden. Dazu gehören Recyclingmaterialien und Holz.
  • Die Wärmewende muss vor Ort gemeinschaftlich umgesetzt werden und ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Kommunen erarbeiten Wärmepläne und setzen Lösungen auf Siedlungsebene um – mit Wärmenetzen, die von Genossenschaften oder Stadtwerken betrieben werden. Der Fokus der Wärmewende muss auf Wärmepumpen und Wärmenetzen liegen. „Grüner Wasserstoff“ ist im Wärmebereich ineffizient und teuer und kann deshalb keine Lösung sein.
  • Wir wollen einen EU-Fonds für die Wärmewende schaffen, auf den Kommunen zugreifen können und damit vor Ort gemeinsam mit den Bürger*innen kommunale Wärmeplanung und energetische Sanierungen durchführen und unterstützen können.
  • Sozialökologische Modernisierung kann zum Jobmotor werden und Hunderttausende Arbeitsplätze schaffen: Wir setzen uns für gute Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und eine Ausbildungsoffensive ein, statt EU-weitem Dumping bei Handwerkerlöhnen.

Wir wollen nicht nur unsere Häuser modernisieren, sondern auch unsere Viertel. Die energetische Sanierung von Stadtvierteln bietet die Gelegenheit, den öffentlichen Raum umzugestalten und die soziale Infrastruktur zu fördern. Wir machen Stadtpolitik gemeinsam mit den Menschen: Demokratie und Partizipation in der Stadtentwicklung, wie beispielsweise in Barcelona, können zum Antrieb sozialökologisch gerechter Stadtpolitik werden.

  • Der sozialökologische Umbau von Stadtvierteln ist eine Klassenfrage, denn die grünen Stadtviertel sind die Viertel der Reichen. Deshalb muss der Fokus von Sanierung und Förderpolitik auf Vierteln mit vielen Sozialwohnungen liegen.
  • Wir wollen Ortskerne wiederbeleben und den unökologischen Flächenverbrauch durch Neubauten auf der grünen Wiese beenden! Dafür müssen wir den öffentlichen Raum umgestalten – holen wir uns die Ortschaften zurück! Wir fordern, in leeren Einkaufspassagen Sorgezentren einzurichten, die zum Mittelpunkt der Orte werden.

Jugendzentren, Gemeinschaftsgärten und kulturelle und städtische Freiräume ohne Konsumzwang wollen wir fördern.

Alle Menschen in der EU müssen ein Recht auf und Zugang zu guter Gesundheitsversorgung haben. Tatsächlich aber ist der Zugang zu Gesundheit ungleich: Wer arm ist, leidet häufiger an chronischen Krankheiten und Behinderungen. Menschen in ärmeren Mitgliedstaaten sterben im Schnitt fast 10 Jahre früher. Mit hohem Bildungsniveau in Italien kann man im Durchschnitt ein 17 Jahre längeres Leben erwarten als in Estland mit niedriger Bildung. Markt und Profitstreben sind schlechte Ordnungsprinzipien in der Gesundheitspolitik. Rechtsakte der EU in der Gesundheitspolitik dürfen nicht auf den Prinzipien des freien Handels und des Wettbewerbs fußen. Die Gesundheitspolitik der Mitgliedstaaten darf durch diese Prinzipien nicht eingeschränkt werden. Als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge wollen wir dem Binnenmarkt und dem EU-Wettbewerbsrecht Pflege und Gesundheit entziehen. (Siehe Kapitel 1, „Mehr öffentlicher Reichtum: Vorfahrt fürs Öffentliche“) Wir wollen eine Versorgung, die sich nach dem Bedarf der Menschen richtet, nicht nach der Profitabilität ihrer Behandlung. Wir wollen Krankenhaus- und Pflegekonzerne in die öffentliche Hand überführen. Medizintechnik- und Pharmaindustrie müssen am Gemeinwohl ausgerichtet werden.

  • Die EU-Politik muss verbindliche Mindeststandards setzen, die allen in der EU lebenden Menschen garantiert werden. Diese Mindeststandards sollten Umfang und Qualität der Versorgung bestimmen. Mitgliedstaaten, die Schwierigkeiten haben, dies zu erreichen, müssen Unterstützung der EU erhalten. Non-Profit. Gesundheitsversorgung muss Vorrang erhalten.
  • Besondere Bedürfnisse, zum Beispiel von Menschen mit Behinderung, Senior*innen oder Menschen mit Sprach- und Lernschwierigkeit, müssen berücksichtigt werden. Leichte Sprache und verständliche Patienteninformationen müssen selbstverständlich werden.
  • Die Linke setzt sich für eine grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung für alle Menschen in Europa ein. Patient*innen können bei Gesundheitsleistungen in anderen EU-Staaten auf den Kosten sitzenbleiben. In Deutschland sind Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis von Leistungen ausgeschlossen. Das wollen wir ändern.
  • Wer sich in einem anderen Mitgliedstaat aufhält und dort gesundheitliche Versorgung benötigt, muss sie erhalten – unabhängig davon, ob beschäftigt, erwerbslos oder im Ruhestand. Der Zugang zu Gesundheitssystemen anderer EU-Staaten muss über die EHIC (European Health Insurance Card) niedrigschwellig und diskriminierungsfrei sichergestellt sein.
  • EU-Bürger*innen, die in ein anderes EU-Land ziehen, dürfen nicht von Leistungen ausgeschlossen werden. Das muss durch EU-Recht verhindert werden. Die Linke fordert, dass diese Benachteiligung in Deutschland abgeschafft wird.
  • Es müssen europaweit Informations-, Beratungs- und Clearingstellen eingerichtet werden, um Gesundheitsangebote und Krankenversicherungsvorgaben beziehungsweise Wege in eine Krankenversicherung zu erläutern.
  • Es müssen europaweit Gesundheitsversorgungsstellen auf Rastplätzen eingerichtet werden. Sie sollen vor allem Lkw-Fahrer*innen und Busfahrer*innen gesundheitliche Beratung und Behandlung von berufsspezifischen Beschwerden anbieten.
  • Gerade in benachteiligten Stadtvierteln sind Angebote zur Gesundheitsversorgung nötig. Diese Angebote sollten inter- und multidisziplinär ausgerichtet sein, also verschiedene medizinische Disziplinen beinhalten. Sie sollen auch den Zugang zu Krankenpflege, Altenpflege und Geburtshilfe sowie zu sozialer Arbeit ermöglichen.
  • Die ambulante Versorgung für Menschen mit psychischer Krankheit muss europaweit flächendeckend ausgebaut werden.

Aus der Pandemie lernen

Die Corona-Pandemie hat es gezeigt: Ein auf Profit getrimmtes Gesundheitswesen ohne Reserven ist im Ernstfall überfordert. Die Krankenhäuser arbeiten schon im Normalbetrieb am Limit. Die beste Pandemievorsorge ist deshalb, das Gesundheitswesen bedarfsgerecht und auskömmlich zu finanzieren und den Pflegenotstand zu beenden. Menschen in Armut, mit niedrigem Einkommen, Kinder, Alte und Kranke haben unter der Pandemie besonders gelitten. Das darf sich nicht wiederholen. Auch auf EU-Ebene braucht es deshalb eine bessere Vorsorge. Regionale Kooperationen über Landesgrenzen hinweg sollten ausgebaut werden. Das macht unsere Versorgungssysteme auch im Katastrophenfall reaktionsfähiger.

  • Wir wollen EU-weit eine gut organisierte Vorratshaltung für Schutzmasken, -kleidung und Hygieneartikel. Damit alle Menschen unabhängig vom Einkommen bestmöglich geschützt werden können und Ärzt*innen sowie Pflegekräfte mit der nötigen Ausrüstung ausgestattet sind.
  • Wir setzen uns für ein EU-weites Monitoring im Pandemiefall ein, nach einheitlichen Standards.
  • Die Pandemie ist für viele Menschen noch nicht vorbei: Long Covid und Post-Vac-Syndrom müssen weiter erforscht und die Betroffenen unterstützt werden.
  • Es braucht einen europäischen Pandemierat, in dem auch Vertreter*innen von Zivilgesellschaft und Gewerkschaften vertreten sind, um die Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns im Falle einer Pandemie zu wahren. Dazu gehört es, strenge Kriterien für Grenzschließungen und einschränkende Maßnahmen unter Berücksichtigung der Grundrechte zu entwickeln.
  • Die Linke setzt sich dafür ein, dass globale Pandemien auch global solidarisch bekämpft und ärmere Länder unterstützt werden. Damit die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unabhängig ist, muss sie besser durch die Mitgliedstaaten finanziert werden. Es braucht strengere Regeln, um die Beeinflussung durch Konzerne und Lobbyverbände zu unterbinden.
  • Patente können tödlich sein. Wir wollen eine öffentlich finanzierte Impfstoff-Forschung mit geistigen Eigentumsrechten (zum Beispiel Patenten) in öffentlicher Hand, damit lebenswichtige Impfstoffe allen kostengünstig zur Verfügung stehen. Die Produktion und Verteilung lebensrettender Impfstoffe darf nicht den Profitinteressen einzelner Pharmaunternehmen untergeordnet werden.

Gute und bezahlbare Pflege mit fairen Arbeitsbedingungen

Überall in Europa wächst der Bedarf an Pflege und überall gibt es zu wenige Pflegekräfte. In den Lücken der Versorgung und der Pflegeversicherungen entstehen grenzüberschreitende Ausbeutung auf der einen und Profite auf der anderen Seite, etwa bei der 24-Stunden-Betreuung. Die Linke setzt sich für bezahlbare und gute Pflege ein und für gute und faire Arbeitsbedingungen.

  • Wir brauchen europäische Mindeststandards für Löhne und Arbeitsbedingungen in der Pflege mit verbindlichen Personalschlüsseln (Personalbemessung).
  • Überall in Europa muss die Pflegevollversicherung die gesamten Pflegekosten der Versicherten abdecken. Pflegebedürftigkeit darf kein Armutsrisiko mehr sein.
  • Die 24-Stunden-Betreuung wollen wir überführen in reguläre Beschäftigungsverhältnisse mit Sozialversicherungsschutz, gesetzlicher Arbeitszeit, Urlaub und Mindestlohn.
  • Wir fordern eine öffentliche Investitionsoffensive für mehr Einrichtungen mit guter und bezahlbarer Pflege, fairen Arbeitsbedingungen und mehr Personal.
  • Keine Profite mit der Pflege: Wir wollen, dass Pflegekonzerne keine Gewinne ausschütten dürfen. Überschüsse müssen zurück in die Pflege fließen. Wir wollen Pflegekonzernen die Börsenzulassung entziehen.
  • Öffentliche und gemeinnützige Pflegeanbieter wollen wir durch mehr staatliche Investitionen stärken.
  • Wir wollen wohnortnahe und gemeinnützige Pflegeplattformen fördern, die gut ausgebildete, tariflich bezahlte und sozial abgesicherte Pflegekräfte an Privathaushalte vermitteln – eine Alternative zu den 24-Stunden-Betreuungskräften.
  • Pflegende Angehörige sollen europaweit unabhängig vom Erwerbsstatus zusätzliche Rentenansprüche aus ihrer unbezahlten Pflegetätigkeit erhalten. Die Unterstützungsleistungen für die familiäre Pflege wollen wir in der ganzen EU verbessern.
  • Auch pflegende Angehörige brauchen Urlaub. Die soziale Pflegeversicherung übernimmt deshalb für sechs Wochen die Pflegekosten für die zu pflegende Person in Deutschland. Wir wollen, dass auch für einen Urlaub in EU-Staaten die Kosten für ausländische Pflegesachleistungen von der deutschen Pflegeversicherung übernommen werden.
  • Die Ausbildung von Hebammen muss europaweit gefördert werden. Ambulante Entbindungsstrukturen und stationäre Geburtshilfe müssen flächendeckend in Europa gestärkt werden.
  • Es braucht ein europaweit koordiniertes Ausbildungsprogramm für Gesundheitsversorgung, Pflege und Geburtshilfe. In allen Ausbildungsbereichen müssen die Themen Armut, soziale Benachteiligung, Sozialmedizin wesentliche inhaltliche Bestandteile sein.

Kostenlose und qualifizierte Psychotherapie

Über 200 Millionen Menschen in der EU leiden an einer psychischen Erkrankung. Das sind fast 40 Prozent der EU-Bürger*innen. Nur die Hälfte von ihnen bekommt eine angemessene Behandlung. In keinem Land der EU gibt es ausreichend psychotherapeutische Versorgung.

Marginalisierte Gruppen wie Arme oder Migrant*innen sind davon besonders betroffen. Sie haben durch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ein höheres Risiko, psychisch zu erkranken. Durch die multiplen Krisen erhöht sich dieses Risiko für viele Menschen. Sie geraten durch die Erkrankung in Armut und Not. In der EU gibt es weder eine einheitlich geregelte Berufsbezeichnung für Psychotherapeut*innen noch eine durchgängige Kostenübernahme durch Krankenversicherungen.

  • Wir wollen einheitliche Standards in der EU für die Qualifizierung von Psychotherapeut*innen. Der Name soll eine europaweit geschützte Berufsbezeichnung werden mit vergleichbar hohen Qualitätsstandards.
  • Psychotherapien müssen in der gesamten EU als Kassenleistung abgerechnet werden können.
  • Nichtärztliche Psychotherapeut*innen wollen wir mit ärztlichen Psychotherapeut*innen gleichstellen.

Sichere und kostengünstige Arzneimittelversorgung

Engpässe bei der Arzneimittelversorgung sind nicht erst seit der Corona-Pandemie an der Tagesordnung. Eine Ursache ist die Strategie der Pharmaindustrie, die Produktion von Arzneimitteln und Zusatzstoffen aus wirtschaftlichen Gründen zum Beispiel nach Indien oder China zu verlagern. Wenn die Liefer- und Produktionsketten brechen, entstehen Lücken in der Versorgung. Wir wollen regionale Wirtschaftskreisläufe stärken. Das macht die Arzneimittelversorgung in der EU sicherer und die EU insgesamt unabhängiger.

  • In der EU-Arzneimittelstrategie muss im Vordergrund stehen, dass die Versorgung sichergestellt ist. Kommt es zu einem Lieferengpass, müssen die pharmazeutischen Unternehmen darlegen, dass der Engpass für sie unabwendbar war.
  • Die Linke setzt sich bei den Verhandlungen zum EU-Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel dafür ein, dass die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung als wichtige Gemeinwohlaufgabe der Mitgliedstaaten definiert wird. Dieser Gemeinwohlaufgabe muss im EU-Recht Vorrang gegenüber dem freien Binnenmarkt eingeräumt werden.
  • Anreize zur Verlagerung von Produktionskapazitäten in die EU oder nach Deutschland müssen durch klare Auflagen für mehr Versorgungssicherheit flankiert werden (Diversifizierung von Herstellungs- und Zulieferunternehmen, robuste Lieferketten etc.).
  • Arzneimittel werden oft aus Niedrigpreisländern in Hochpreisländer importiert, was in den Exportländern die Versorgungssicherheit gefährdet. Mitgliedstaaten der EU müssen befähigt werden, das zu unterbinden.

Europäischer Gesundheitsdatenraum (EHDS)

In der EU wird ein Europäischer Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS) gebildet. Gesundheitsdaten von über 500 Millionen EU-Bürger*innen sollen in nationalen elektronischen Patient*innen-Akten (ePA) gesammelt werden. Die Datensammlung kann die medizinische Forschung und gesundheitliche Versorgung der Bürger*innen in ganz Europa erleichtern und verbessern. Dafür ist entscheidend, dass unsere Daten bestmöglich geschützt und nicht für kommerzielle Verwertung freigegeben werden. Auf dem weltweiten Gesundheitsdatenmarkt sind Massendaten für Versicherungsunternehmen, die Pharmaindustrie und BigTech-Konzerne als „Ölquellen“ der Zukunft begehrt. (Siehe Kapitel 2, „Unsere Daten für ein besseres Leben nutzen statt für Profite“)

  • Die Linke fordert gemeinsam mit deutschen und europäischen Datenschutz- und Patient*innen-Organisationen, dass die EU-Verordnung so überarbeitet wird, dass die ärztliche Schweigepflicht, individuelle Persönlichkeitsrechte wie der Schutz der Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt sind.
  • Die Linke lehnt jede kommerzielle Nutzung der EU-Gesundheitsdaten ab. Die in elektronischen Patient*innen-Akten gespeicherten Daten dürfen nicht zu Profitzwecken gehandelt werden. Ihre Nutzung muss gemeinwohlorientiert sein und der nichtkommerziellen Gesundheitsforschung dienen. Die Patient*innen müssen selbst darüber entscheiden können, ob und wie ihre Daten verwendet werden („Opt-in“).
  • Der Europäische Gesundheitsdatenraum darf ausschließlich zur Weiterentwicklung und Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung der Bürger*innen in ganz Europa dienen. Das entspricht der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Datenschutzgrundverordnung.

Drogen entkriminalisieren

Die Linke setzt sich für einen europaweiten Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik ein: weg von der Strafverfolgung, hin zu Prävention, Beratung und Hilfe. Nur durch eine gute Gesundheits- und Sozialpolitik können Risiken und Schäden reduziert werden – ein Verbot von Drogen kann das nicht. Es verhindert weder den Drogenhandel, noch senkt es wirksam den Konsum. Zugleich bindet die Repression große finanzielle Mittel: Mehrere Milliarden Euro werden für die Strafverfolgung ausgegeben, für Hilfe und Prävention nur ein Bruchteil davon.

  • Die EU soll in ihren Mitgliedstaaten Maßnahmen unterstützen, die auf Prävention, Hilfe, Schadensminderung, Entkriminalisierung und Regulierung von Drogen setzen.

Die Linke setzt sich dafür ein, dass das EU-Recht und das Schengener Abkommen geändert werden, damit sie einer umfassenden Legalisierung von Cannabis in den Mitgliedstaaten nicht im Weg stehen. Unser Ziel ist, Cannabis in der EU insgesamt zu legalisieren.

Die Privatisierung von öffentlichem Eigentum und Dienstleistungen ist in der EU vorangetrieben worden, dadurch ist die Ungleichheit gewachsen. Auf der Suche nach schnellen Gewinnen haben viele Reiche und Konzerne ihre Gewinne in Spekulation mit Immobilien, Boden und Pflege gesteckt und sich auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung bereichert. Die Mieten schießen durch die Decke, die Pflegekosten steigen. Lebensmittel- und Energiekonzerne heben die Preise in Krisenzeiten so stark an, dass sie enorme Extragewinne erzielen.

Gleichzeitig haben viele Regierungen in der EU die Steuern für Vermögen und Gewinne von Unternehmen abgesenkt – auch in Deutschland. Menschen mit niedrigerem und mittlerem Einkommen werden stärker belastet. Die Konzerne suchen immer nach Wegen, ihre Steuern nicht zu zahlen: Allein durch Steuerflucht gehen den EU-Staaten jährlich rund 46 Milliarden Euro verloren. Das ist ungerecht und geht auf Kosten von uns allen.

Die Linke sagt: Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten! Wir müssen Konzerne stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen, um die Armut in der EU abzuschaffen, die Wirtschaft sozial und ökologisch umzugestalten und die öffentliche Daseinsvorsorge zu stärken. Dafür braucht es zusätzliche Investitionen über Kredite (siehe Kapitel 1, „Für ein starkes europäisches Gemeinwesen: Umverteilen von privat zu öffentlich“) und zusätzliche Einnahmen durch Steuern. Hier gilt für uns: Durch Steuern können die EU und ihre Mitgliedstaaten die Ausrichtung der EU lenken. Die EU soll dort Verantwortung übernehmen, wo nationale Handlungsmöglichkeiten begrenzt sind, zum Beispiel bei der Besteuerung international tätiger Unternehmen. Dort, wo Mitgliedstaaten mehr Kontrolle haben, soll die EU die Umsetzung in den Ländern sicherstellen. Das Einstimmigkeitsprinzip der EU muss im Bereich Steuern abgeschafft werden. Sonst torpedieren Niedrigsteuerländer wie Ungarn oder Irland jeden Fortschritt.

Hohe Vermögen und Erbschaften gerecht besteuern

Eine gerechtere Besteuerung von Vermögen, Erbschaften und hohen Einkommen baut wirtschaftliche und politische Macht ab, verringert soziale Ungleichheit und stärkt dadurch die Demokratie. Mit den höheren Steuereinnahmen können wir die dringend benötigten Lehrkräfte, Erzieher*innen, Pflegekräfte, Sozialarbeiter*innen und auch die Bademeister*innen im örtlichen Schwimmbad bezahlen. Wir wollen einen europaweiten Korridor für abgestimmte Regelungen in den EU-Staaten, um Mindestbesteuerungen für hohe Vermögen, Erbschaften und Schenkungen festzulegen.

  • In Deutschland setzten wir uns dafür ein, dass die seit 1997 ausgesetzte Vermögensteuer wieder erhoben wird. Sie soll für Vermögen (abzüglich Schulden) ab 1 Million Euro gelten.
  • Die Steuerschlupflöcher bei der Erbschaftsteuer müssen geschlossen werden. Der österreichische Unternehmersohn und Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz hat letztes Jahr 25 Milliarden steuerfrei geerbt. Für diese Superreichen sollen die Steuersätze für Erbschaften und Schenkungen erhöht und die persönlichen Freibeträge heruntergesetzt werden.
  • Die besonderen Kosten der Krise dürfen nicht den laufenden Haushalt belasten und zu Kürzungen führen.
  • Zur Bewältigung der Krisenlasten wollen wir eine einmalige Vermögensabgabe erheben.

Globale Mindeststeuersätze für Unternehmen und Konzerne

Die Finanzminister*innen der G20-Staaten haben sich 2021 auf einen globalen Mindeststeuersatz von 15 Prozent geeinigt. Dieser reicht aber nicht aus, um den Steuerwettbewerb zwischen Staaten und die Steuerflucht von Unternehmen effektiv zu verhindern.

  • Wir fordern einen globalen Mindeststeuersatz für Unternehmen von 25 Prozent, um ernsthaft gegen Steuerwettbewerb und Profitverschiebung vorzugehen

Krisengewinne besteuern

Konzerne wie Total, Shell und RWE haben im Zuge des Ukraine-Kriegs durch enorme Preissteigerungen Rekordgewinne eingefahren. Solche Übergewinne, die deutlich über den Gewinnen der vergangenen Jahre liegen, lassen sich weder auf eine gesteigerte Leistungs- oder Innovationskraft noch auf einen erhöhten Mehrwert für die Gesellschaft zurückführen. Ganz im Gegenteil: Sie zeigen, dass die Konzerne Krisensituationen ausnutzen, um sich auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern. Wenige profitieren und die große Mehrheit muss mit den gestiegenen Preisen kämpfen. Wir wollen die Extraprofite an die Allgemeinheit zurückverteilen. Die Linke fordert die Einführung einer EU-weiten Übergewinnsteuer in Höhe von 90 Prozent für alle Krisenprofite. Die Übergewinnsteuer soll rückwirkend eingeführt werden und dauerhaft gelten. Die positiven Erfahrungen anderer Länder wie Spanien und Griechenland bestätigen: Übergewinne können erfolgreich abgeschöpft werden.

  • Allein in Deutschland hätte die Besteuerung von Übergewinnen im Energiesektor im Jahr 2022 bis zu 102 Milliarden Euro eingebracht.
  • Die Übergewinnsteuer muss auf andere Bereiche ausgeweitet werden, die von Krieg und Krisen profitieren. Hierzu zählen beispielsweise die Rüstungsindustrie, der Bankensektor und große Onlinehändler wie Amazon.

Spekulationsgewinne besteuern

Wir streiten für eine europäische Finanztransaktionssteuer, um Spekulant*innen stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen. Die Finanztransaktionssteuer trifft vor allem kurzfristige Großumsätze mit kleinen Gewinnmargen. Sie schrumpft und stabilisiert so die Finanzmärkte. Insbesondere der computergestützte Hochfrequenzhandel hat keinerlei Nutzen für die Realwirtschaft und verbraucht Unmengen an Energie.

  • Bei jeder Finanztransaktion soll ein Steuersatz von 0,1 Prozent fällig werden. Ziel ist es, diese Abgabe weltweit einzuführen. Bis dahin braucht es eine einheitliche Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene. Diese Steuer würde laut EU-Kommission 50 Milliarden Euro jährlich einbringen.
  • Wir wollen die Abgeltungssteuer in Deutschland abschaffen. Statt einer Billigsteuer für Kapitalerträge sollen sie der normalen Einkommenssteuer unterliegen. Wer viel Einkommen hat, muss entsprechend höhere Sätze zahlen. In der EU sollen Mindeststeuersätze vereinbart werden.

Banken und Finanzmärkte entmachten

Aus den Finanzkrisen wurde nicht ausreichend gelernt: Das haben die jüngste Erschütterung der Banken, die Notrettung der Credit Suisse und die Zusammenbrüche einzelner Finanzdienstleister wie Wirecard gezeigt. Auch 15 Jahre nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers sind viele Maßnahmen, die während der Finanzkrise versprochen wurden, nicht umgesetzt. Eine Krise im Finanzsektor kann ganze Staaten und Sozialsysteme in den Ruin stürzen – oder es werden „nur“ Anleger*innen oder Kund*innen um Milliardenbeträge geschädigt und betrogen.

In der Finanzkrise sind viele Schulden der Banken auf die Staatshaushalte übertragen und „vergesellschaftet“ worden. Wenn die Wirtschaft läuft, werden die Gewinne privatisiert. Von hochkomplexen Finanzinstrumenten (zum Beispiel Derivaten höheren Grades) gehen weiter große Risiken aus – ein Nutzen für das Gemeinwesen ist mit ihnen nicht verbunden.

  • Die Linke will den Finanzsektor auf eine dienende Funktion für die Gesellschaft zurechtstutzen. Die Finanzmärkte sollen in ihrer Dynamik entschleunigt und im Volumen massiv reduziert werden. Spekulation mit Nahrungsmitteln soll verboten werden. Beim Handel mit Agrarrohstoffderivaten müssen strengere und geringere Positionslimits geschaffen werden.
  • Wenn immer größere Teile der öffentlichen Daseinsvorsorge privat organisiert werden, müssen hohe Renditen erwirtschaftet werden, der Finanzmarkt übernimmt die Kontrolle. Das wollen wir verhindern. Wir wollen, dass Krankenhaus-, Pflege- und Immobilienkonzernen die Börsenzulassung entzogen wird.
  • In Zukunft sollen nur noch solche Finanztransaktionen, -dienstleistungen und -instrumente erlaubt sein, die auch einen gesamtwirtschaftlichen und/oder gesellschaftlichen Nutzen stiften. Statt wie bisher alle Finanzpraktiken zuzulassen, die nicht ausdrücklich verboten sind, müssen Finanzinstrumente in Zukunft eine ausdrückliche Zulassung durch einen Finanz-TÜV erhalten, bevor sie in Umlauf gebracht werden dürfen.
  • Sogenannte Schattenbanken wie Hedgefonds und der „graue“ Kapitalmarkt agieren außerhalb herkömmlicher Regulierungen. Sie bergen die Gefahr neuer Finanzkrisen und sind eine Bedrohung für die Weltwirtschaft. Daher setzt sich Die Linke für eine strikte Regulierung und eine strenge Finanzaufsicht von Schattenbanken ein.

Die großen Investmentbanken mit ihren riskanten Geschäften können sich nach wie vor darauf verlassen, dass sie auf Kosten der Steuerzahler gerettet werden. Die neu geschaffenen Instrumente zur Abwicklung von Banken im Krisenfall, einschließlich des Bankenabwicklungsfonds, sind zur praktischen Bewältigung einer akuten Schieflage nicht realistisch ausgestaltet. Das zeigte sich schon 2017 im Fall der Liquiditätskrise der spanischen Banco Popular. Die Regeln haben keine vorbeugende Wirkung zur Verhinderung künftiger Bankenkrisen. Die europäischen Banken sind immer noch zu groß und zu stark verknüpft mit anderen Sektoren, um in die Pleite zu gehen wie jeder andere Betrieb, der nicht gut gewirtschaftet hat.

  • Banken müssen verkleinert und das Investmentbanking muss abgewickelt werden. Als erster Schritt soll das Investmentbanking von den anderen Geschäftsbereichen isoliert werden. Nach dem Vorbild von Sparkassen und Genossenschaftsbanken müssen Banken in Gemeineigentum überführt und demokratisch verwaltet und kontrolliert werden.
  • Alle Banken sollen sich einem Geschäftsmodell verpflichten, das den Bedürfnissen der Gesellschaft und der Realwirtschaft dient: 1. Angebote im Bereich Zahlungsverkehr, 2. einfachere und sichere Sparinstrumente und 3. Finanzierung öffentlicher und privater Investitionen.
  • Die Linke ist grundsätzlich für eine europäische Einlagensicherung, aber nur für Institute und Einleger*innen von Banken ähnlichen Zuschnitts und Risikoprofils in Europa. Sparkassen und Genossenschaftsbanken sollen nicht für die Spekulationsverluste internationaler Investmentbanken geradestehen müssen.
  • Wir fordern, dass die Basel-III-Eigenkapitalvorschriften vollständig implementiert werden, um die Finanzstabilität der Banken zu verbessern.

Vermögen und Machtkonzentration sichtbar machen

  • Wir wollen die Transparenz von Vermögen erhöhen und fordern dazu die Einrichtung eines EU-Vermögensregisters (European Asset Registry).
  • Europa braucht effektive Transparenzregeln, um bei der Suche nach schmutzigem Geld aus Kriminalität, Korruption und (nicht nur) von russischen Oligarch*innen erfolgreich zu sein.
  • Es braucht eine europarechtliche Bestimmung, die der Öffentlichkeit Zugang zu Daten der nationalen Transparenzregister gewährt.
  • Die blinden Flecken im internationalen Steuerinformationsaustausch müssen behoben werden. Ein erster Schritt ist erhöhte Transparenz durch eine öffentliche, länderspezifische Berichtspflicht (Public Country-by-Country Reporting). Konzerne müssen Umsatz, Gewinne und bezahlte Steuern für jedes Land, in dem sie wirtschaftlich aktiv sind, offenlegen.

Steueroasen trockenlegen und Finanzkriminaliät verfolgen

Jährlich gehen mindestens 90 Milliarden Euro Steuereinnahmen verloren, weil Gewinne und Vermögen in Steueroasen „geparkt“ werden. Geldwäsche und Subventionsbetrug wollen wir wirksamer bekämpfen und Steueroasen – auch „Made in Germany“ – austrocknen.

  • Schluss mit Steuervermeidung: Der Wettlauf nach unten muss unterbunden werden. Wenn Gewinne in Niedrigsteuergebiete verschoben werden, müssen sie in den einzelnen Ländern, in denen der Konzern aktiv ist, nachversteuert werden. Konzerne müssen (stärker) am Ort ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten und der Umsätze besteuert werden (Quellensteuer). Das gilt besonders für die Besteuerung von Übergewinnen.
  • Verbindungen zu Steueroasen kappen: Wir wolle eine Quellensteuer von 50 Prozent erheben auf alle Zahlungen (Dividenden, Zinsen und Lizenzabgaben) von Unternehmen, die in nicht kooperative Staaten abfließen. Damit machen wir Steuerflucht unattraktiv. Die Unternehmen dürfen sich die Steuer nur anrechnen, wenn alle steuerrelevanten Informationen offengelegt werden.
  • Die Linke fordert den Aufbau einer europäischen Finanzpolizei zur Ermittlung und Bekämpfung von kriminellen Unternehmenspraktiken wie Steuerhinterziehung, Steuerbetrug, Geldwäsche und Korruption.
  • Die Linke setzt sich für eine schärfere Geldwäscheregulierung für den grenzüberschreitenden Onlineglücksspielmarkt ein. Hier wurde lange gezögert und vieles verschlafen.

Europäische Geldpolitik

Die Linke fordert die Demokratisierung der Europäischen Zentralbank (EZB). Neben dem Ziel der Preisstabilität soll ihr Mandat auch auf Vollbeschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung erweitert werden. Ebenso muss der EZB die Finanzierung von Staatsausgaben ermöglicht werden, damit das künstliche Insolvenzrisiko von Euro-Staaten unterbunden wird. Schon eine Garantie der Staatsanleihen würde diese de facto risikolos machen. Denn die EZB kann als Schöpferin der Währung in Euro niemals pleitegehen. Nur sie kann der Kreditgeber der letzten Instanz sein. Ein inflationäres Risiko besteht nicht, weil die EZB weiterhin ihrem Inflationsziel von 2 Prozent verpflichtet ist. Großbritannien und Kanada liefern den Beweis, dass das problemlos funktioniert: Dort verkaufen die Finanzminister Anleihen auch direkt an die Zentralbank.

  • Die EU-Verträge müssen geändert werden, um der EZB die Staatsfinanzierung zu ermöglichen.
  • Kurzfristig und vertragskonform könnte diese Funktion auch durch den Ankauf von Anleihen der Europäischen Investitionsbank (EIB) sowie nationaler Förderbanken erfüllt werden.
  • Wir wollen, dass die EZB demokratisch vom Europäischen Parlament kontrolliert wird und nicht weiter dem Einfluss von Finanzlobbyist*innen unterliegt. Gerade in Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrisen sind Zentralbanken politische Schlüsselakteure.
  • Wir wollen eine demokratische Kontrolle der EZB. Die Führungsgremien der EZB – wie EZB-Rat, EZB-Direktorium und EZB-Präsident*in – sollen vom Europäischen Parlament gewählt werden. Die grundlegenden und langfristigen Zielsetzungen der Geldpolitik sollen im Parlament diskutiert und entschieden werden. Gerade in Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrisen und beim sozialökologischen Umbau sind Zentralbanken wesentliche Schlüsselakteure und müssen politisch kontrolliert werden.
  • Zur Finanzierung des großen Bedarfs an öffentlichen Investitionen einschließlich des ökonomischen Wiederaufbaus Europas nach der Corona-Pandemie und der Energiepreiskrise soll das Instrument von Euro-Anleihen ausgeweitet werden. Wenn die EZB diese Anleihen garantiert, gibt es kein Haftungsrisiko. (Siehe Kapitel 1, „Für ein starkes europäisches Gemeinwesen: Umverteilen von privat zu öffentlich“)
  • In der Inflationskrise versucht die EZB durch Erhöhung des Leitzinses die Inflation zu bekämpfen. Das schadet mehr, als es nutzt: Dringend benötigte Investitionen werden gebremst, die Preise sinken nicht. Ein Teil der Inflation ist profitgetrieben und muss fiskalpolitisch bekämpft werden. Übermäßig hohe Gewinne von Unternehmen müssen mit einer Übergewinnsteuer abgeschöpft werden. (Siehe Kapitel „Krisengewinnebesteuern“).
  • Die Zinsen für Sparer*innen wollen wir an die Zinsen der Banken koppeln, damit diese den steigenden Leitzins weitergeben und sich nicht an Sparer*innen bereichern können.
  • Wir fordern einen Deckel für Dispozinsen: Der Zinssatz für Dispositions- und Überziehungskredite darf maximal 5 Prozentpunkte über dem Leitzinssatz der EZB liegen. So schützen wir Menschen, die sich am Rande des Existenzminimums bewegen und den Dispokredit oft nutzen müssen.

Keine Macht den Internet-Riesen: BigTechs in die Schranken weisen

Geld und Währung müssen Teil staatlicher Souveränität bleiben, eine schleichende Privatisierung lehnen wir ab. Internetgiganten (Amazon und Co) und Finanztechnologie-Unternehmen (zum Beispiel PayPal oder N26) müssen denselben Regeln und Gesetzen unterworfen sein, wie sie für konventionelle Finanzdienstleister (zum Beispiel Banken und Versicherungen) gelten.

  • Die Linke befürwortet die Einführung eines digitalen Euro durch die EZB. Der digitale Euro soll ein von der EZB garantiertes gesetzliches Zahlungsmittel sein, das Privatpersonen in begrenztem Maße und unverzinst auf Girokonten bei der EZB halten können. Nur mit einer öffentlichen Alternative zu den Bezahlsystemen der großen Internetkonzerne können wir ihrer enormen Finanztechnik- und Datenmacht entgegenwirken und glaubwürdig ein europäisches Datenschutzniveau durchsetzen. Die technischen Voraussetzungen müssen geschaffen werden, um zumindest bei kleinen Beträgen anonymes Bezahlen sicherzustellen.

EU-Taxonomie und nachhaltige Geldanlagen

Die Linke setzt sich für ein verbindliches Bewertungs- und Klassifikationssystem (Taxonomie) für Geldanlagen auf europäischer Ebene ein, damit nachhaltige Geldanlagen transparent identifiziert werden können. Neben Klimaschutz müssen auch soziale Aspekte stärker berücksichtigt und durch strenge Kriterien abgebildet werden. Leitlinie sollten die Ziele der UN zur nachhaltigen Entwicklung (SDG) sein.

  • Investitionen in Atom- oder Gasenergie sind nicht nachhaltig und müssen aus der EU-Taxonomie gestrichen werden. Greenwashing mit der EU-Taxonomie lehnen wir ab: etwa das Einbeziehen von konventionellen Schiffen und Flugzeugen oder Ausgleichsmaßnahmen von Biodiversitätsverlusten.

Öffentliche Banken, wie die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Kreditanstalt für den Wiederaufbau (KfW), sollen nur noch nachhaltige Investitionen tätigen dürfen. Die EZB darf nicht weiter Anleihen von Unternehmen mit hohen CO2-Emissionen aufkaufen und dadurch den Klimaschutz unterlaufen. Sie braucht starke soziale und ökologische Standards und muss ihrer Verantwortung in der Förderung von Klimaschutz gerecht werden.

Die Wirtschaft muss den Menschen dienen. Sie soll unsere Bedürfnisse befriedigen und nicht die Gier von Aktionären nach Profit. Entscheidungen über Investitionen und Produktion müssen endlich demokratisch getroffen werden und dürfen nicht einigen Superreichen in der Gesellschaft überlassen bleiben. Denn wir müssen die größte Menschheitsaufgabe dieses Jahrhunderts bewältigen: die ökologische Krise aus Klimawandel, Naturzerstörung und Ressourcenknappheit. Die EU begegnet dem mit einer grünliberalen Modernisierungsstrategie: Steuergeschenke für den klimaneutralen Umbau von Unternehmen und technologische Innovation sollen neue grüne Profitmöglichkeiten schaffen. Neue grüne Märkte sollen entstehen. Aber die Kosten tragen die Bürger*innen.

Dem entgegen stehen nationalkonservative und extrem rechte Parteien. Sie leugnen die ökologische Krise und versprechen ein „Weiter so“ im fossilen Kapitalismus, mit Öl- und Gasimporten aus Diktaturen, mit schmutziger Braunkohle und einer Industrie, die weiter Profit auf Kosten von Mensch und Natur machen kann.

Wir wollen keinen grün lackierten Kapitalismus, der die soziale Ungerechtigkeit weiter verschärft. Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben die Verletzlichkeit von Lieferketten und transnationalen Netzwerken (wie Pipelines und dem internationalen Zahlungssystem SWIFT) gezeigt. Die globalisierte Wirtschaft ist extrem krisenanfällig. Die USA, China und die EU ringen um die Vormachtstellung bei der Produktion grüner Technologien und versuchen, die Welt in Einflusssphären aufzuteilen. Die zugespitzte Konkurrenz, Handelskriege, Aufrüstung, gewaltsame Konflikte bis hin zu Kriegen verschärfen die ökologische Krise weiter. Knappe Ressourcen und finanzielle Mittel, die für den Umbau der Wirtschaft dringend nötig wären, werden auch durch ein wirtschaftliches Wettrüsten verschleudert. Jeder Machtblock versucht, Marktführer für grüne Technologien zu werden und die Konkurrenz auszustechen. Dadurch verlieren wir Zeit und Ressourcen im Kampf gegen die Klimakatastrophe und setzen Menschenleben aufs Spiel.

Wir sagen: Der Weg aus Klimakatastrophe, internationaler Eskalation und sozialer Ungleichheit beginnt mit einer grundlegend anderen Wirtschaftspolitik. Kosmetische Korrekturen reichen nicht. Unsere Gesellschaft braucht eine sozial und ökologisch gerechte Wirtschaftswende. Wir stellen das Wohl der Menschen vor Profite!

Die Europäische Union hat bisher in ihrer Wirtschaftspolitik auf mehr Profit für Unternehmen, mehr Markt und mehr Konkurrenz gesetzt. Sie hat öffentliches Eigentum, öffentliches Wirtschaften und öffentliche Steuerung begrenzt. Jede Kommune kennt den Zwang, Verträge und Dienstleistungen so auszuschreiben, dass jeder Anbieter in der EU sich bewerben kann. Gewinner sind meist die günstigsten Angebote auf Kosten von Menschen und Umwelt. Der sozialökologische Umbau erfordert auch eine veränderte Ausschreibungspolitik, mit der nicht nur standardisierte Produkte und Leistungen beschafft werden. Die Möglichkeiten, über Ausschreibungen Angebote für neue, innovative Lösungen einzuholen, müssen erweitert werden.

Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie konnten wir die Mängel des Marktes sehen: zu wenig Masken, Impfstoffe, Luftfilter für die Schulen. Lieferketten sind zusammengebrochen, denn es gab zu wenig regionale Wirtschaftskreisläufe, zu wenig regionale Produktion und es dauerte zu lange, dringend benötigte Dinge produzieren zu lassen. Das wollen wir ändern. Eine starke, unabhängige Wirtschaft in der EU muss heißen: Wir steuern die Industrie in eine soziale und ökologisch gerechte Zukunft mit guter Arbeit und guten Löhnen und wie stärken regionale Wirtschaftskreisläufe: Wir wollen vorrangig dort produzieren, wo die Dinge verbraucht werden. Wir treiben die nachhaltige Rohstoffwende und die Agrarwende voran.

Für Die Linke ist klar: Die Wirtschaftswende kann nur gemeinsam mit den Beschäftigten gelingen. Nur mit einem Ausbau von Demokratie und Mitbestimmung, mit neuen Perspektiven auf sinnvolle und klimagerechte (Industrie-)Produktion, mit sozialen Sicherungssystemen, die vor Armut schützen, kann aus Angst vor Veränderung Mut und Hoffnung auf ein besseres Leben erwachsen. Transformation bedeutet dann einen Gewinn an Lebensqualität. Unser Ziel ist das gute Leben für alle – nicht Profit für die wenigen.

Die Wirtschaft kann nur mit staatlichen Interventionen klimagerecht umgebaut werden. Es ist Zeit, dass die Wirtschaftspolitik sich von den neoliberalen Mythen verabschiedet und auf öffentliche Investitionen für eine soziale und ökologisch gerechte Wirtschaft setzt.

Mit dem Investitionsprogramm NextGenerationEU hat die EU erstmals in großem Umfang Kredite aufgenommen (750 Milliarden Euro), die vor allem in die Ökologisierung und Digitalisierung investiert werden sollen. Der „Green Deal“ der EU soll ein zentraler Innovations- und Wachstumsmotor für Industrie- und Wirtschaft sein und Europa eine führende Rolle im Wettbewerb um die grünen Zukunftstechnologien sichern. Auf das große Investitionsprogramm der USA (den Inflation Reduction Act) hat die EU-Kommission mit einem eigenen Gesetz geantwortet (dem Net Zero Industry Act). Der „Green Deal“ der EU reicht allerdings nicht einmal dafür aus, die selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen. Die Investitionsprogramme der EU sind vor allem darauf ausgerichtet, die Wettbewerbsfähigkeit der Konzerne zu verbessern und ihre Gewinne zu maximieren. Ziel der EU ist ein grün angestrichener Kapitalismus. An der Verteilung von Profiten und Löhnen, von Privatem und Öffentlichem und von gesellschaftlichem Reichtum soll sich nichts ändern. Die Industriehilfen der EU sind nicht an arbeitsrechtliche und soziale Kriterien geknüpft – das ist sogar in den USA anders.

Die Linke setzt sich stattdessen für den sozialen und ökologischen Umbau der Industrie in der EU ein. Einen „grünen Kapitalismus“ wird es nicht geben. Wir brauchen eine Industrie, die den Planeten für unsere Kinder erhält, die Demokratie und Mitbestimmung im Umbau stärkt und nicht abbaut, und die den Alltag für alle besser macht. Das erreichen wir mit einer aktiven Industriepolitik, die gute Arbeit schafft, das Klima schützt und auf sinnvolle und zukunftsfähige Produktion setzt. Wir wollen eine Industriepolitik, die aufbaut, umbaut und rückbaut. Und gleichzeitig öffentliches Eigentum und Mitbestimmung stärkt. Steuerschlupflöcher wollen wir schließen und eine Mindeststeuer für transnationale Konzerne erheben. (Siehe Kapitel 1, „Steuern gegen Ungleichheit und für eine gute Zukunft“) Subventionen und Investitionshilfen für eine CO2-freie Industrie müssen an soziale Bedingungen für gute Arbeit, Tariftreue, konkrete Beschäftigungszahlen, Ausbildungsquoten und Standortgarantien geknüpft werden. Wer Beschäftigungsabbau betreibt, muss Fördergelder zurückzahlen. Es dürfen keine Unternehmen in Steueroasen außerhalb der EU gefördert werden. Industrieförderungen müssen an klare soziale, ökologische und arbeitsrechtliche Kriterien gebunden werden. Dividendenausschüttungen müssen bei der Inanspruchnahme von staatlichem Rettungsgeld verboten werden.

  • Mithilfe von Differenz- und Klimaschutzverträgen (CCfDs) wollen wir klimafreundliche Technologie bei der Um- und Ausrüstung von Produktionsanlagen fördern und Beschäftigung schützen: Energieintensive Industriebetriebe erhalten Finanzhilfen für die Umrüstung auf eine CO2-arme Produktion in Höhe der Differenz der CO2-Vermeidungskosten und dem CO2-Zertifikatspreis. So bleiben Industriebetriebe in der Transformation wettbewerbsfähig und Beschäftigung kann geschützt werden.
  • Das Europäische Beihilferecht wird geändert: Der von der EU bereits verabschiedete befristete Krisenrahmen Temporary Crisis Framework (TCF) muss ausgeweitet und verstetigt werden. Verfahren müssen insgesamt beschleunigt werden.
  • Insbesondere die Wettbewerbs- und Beihilferegelungen in Artikel 101 und 107 des Vertrages der Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) müssen abgeändert werden: Kartellrechtliche und subventionsrechtliche Ausnahmen müssen zugelassen werden, wenn die Förderung den 17 Zielen für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) dient. Und /oder wenn die Beihilfen einen wesentlichen Beitrag für den sozialen und ökologischen Umbau der Wirtschaft leisten.
  • Die Regeln für die öffentliche Auftragsvergabe müssen so verändert werden, dass Kommunen und andere öffentliche Auftraggeber*innen nach sozialen, arbeitsrechtlichen und ökologischen Kriterien ausschreiben und entscheiden dürfen. Öffentliches Geld gibt es nur noch bei guter Arbeit und Tariftreue. (Siehe Kapitel 1, „Für starke Kommunen“)
  • Wir wollen einen innereuropäischen Solidaritätsmechanismus einführen, um die Industrie finanzschwächerer Mitgliedstaaten zu unterstützen, wenn das Beihilferecht gelockert wird. Der Solidaritätsmechanismus soll verhindern, dass die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der EU noch stärker werden, weil Länder wie Deutschland oder Frankreich höhere Finanzhilfen organisieren können.
  • Die strategischen Förderprojekte der Europäischen Kommission, IPCEIs (Important Projects of Common European Interests), müssen ausgeweitet und zugleich an striktere ökologische und soziale Kriterien geknüpft werden. Neben Halbleitern, grünem Wasserstoff und Batterien müssen auch für Wind- und Solarkraft neue Industriekonglomerate und -cluster aufgebaut werden. Die Forschung gerade für Sprunginnovationen in der Nano- und Klimatechnologie muss eng mit diesen Standorten verknüpft werden. Ein IPCEI-Projekt muss auch für ein europäisches Bahn- und Nahverkehrsnetz sowie für Produktion und Wartung der dafür notwendigen Bahnen und Busse ausgeschrieben werden.
  • Gelder für Forschung und Entwicklung für die Stärkung einer regionalen Industriestruktur sollen durch regionale Wirtschafts- und Transformationsräte kontrolliert werden, in denen neben der regionalen Regierung und Unternehmen auch Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbände gleichberechtigt Stimmrecht haben.

Viele Unternehmen in der EU haben nicht die Größe und finanzielle Ausstattung, um den Aufgaben der Transformation gerecht zu werden. Deshalb müssen auch direkte Staatsbeteiligungen an Unternehmen europarechtlich möglich werden, die das Ziel haben, den sozialökologischen Umbau zu beschleunigen und neue Formen der Wirtschaftsdemokratie durchzusetzen.

  • Die Linke fordert die Gründung einer europäischen Industriestiftung. Finanziert durch die Europäische Investitionsbank (EIB) soll die Stiftung gezielt Anteile an Unternehmen erwerben, die eine Schlüsselrolle in der Transformation einnehmen und den klimaneutralen Umbau steuern. Durch die europäische öffentliche Kontrolle wird die neoliberale Wettbewerbslogik in der EU ausgehebelt, in der Konzerne als „nationale Champions“ gegeneinander positioniert werden. Eine stärkere öffentliche Kontrolle durch Eigentumsanteile kann auch Monopolbildung entgegenwirken.
  • Der Aufbau einer sozialökologischen öffentlichen Industriestruktur sorgt dafür, dass nicht nur die Kosten der Transformation von den Menschen in Europa getragen werden, sondern die Gewinne wieder an die öffentliche Hand zurückfließen und damit demokratischer Kontrolle unterstellt werden. Die Belegschaften und die Gesellschaft insgesamt können mehr Mitbestimmung über Investitions- und Produktionsentscheidungen bekommen.

Strukturwandel vor Ort gemeinsam mit den Menschen

Der sozialökologische Umbau der Industrie betrifft die europäischen Regionen unterschiedlich. Insbesondere Regionen, in denen Kohle abgebaut wird oder Autos produziert werden, stehen vor großen Herausforderungen. Der Wandel geht zulasten der Beschäftigten und der Menschen vor Ort, wenn nicht gegengesteuert wird. Es gibt eine Vielzahl von Förderprogrammen auf EU-Ebene. Wir vereinfachen sie und setzen auf eine einheitliche Transformationsstrategie. Die Förderungen in der Transformation kommen den Menschen in den Regionen zugute und werden an soziale und ökologische Kriterien gekoppelt. Unternehmen müssen ihren Beschäftigten neue Perspektiven für einen Arbeitsplatz ermöglichen, wenn sie ihre Produktionsstruktur umbauen. Ihnen muss der Übergang in „grüne“ Jobs und in Bedarfsberufe (zum Beispiel in der Pflege oder im ÖPNV) geschaffen werden.

  • Wir fordern, den Just Transition Fund auszuweiten: Nicht nur Kohleregionen, sondern alle von der Transformation betroffene Regionen sollen unterstützt werden. Das gilt Insbesondere für Regionen, die vom notwendigen Umbau der Autoindustrie betroffen sind. (Siehe Kapitel 3, „Mehr Mobilität mit weniger Verkehr“)
  • In den Regionen, die vom Strukturwandel betroffen sind, wollen wir Wirtschafts- und Transformationsräte einsetzen, die über das Geld aus den Transformationsfonds verfügen und den Umbau vor Ort gestalten. (Siehe Kapitel 2, „Industrie umbauen“)

Mit der Europäischen Struktur- und Förderpolitik soll sozialer Ausgleich zwischen den Regionen erreicht werden. Aber der EU-Kohäsionsbericht von 2022 zeigt, dass der kaum messbar ist. Die Förderung muss konsequenter auf mehr soziale Gleichheit zielen! Das geht, wenn die Förderung stärker auf öffentliche und nicht profitorientierte Daseinsvorsorge ausgerichtet wird. Deutschland zahlt zwar viel in die EU ein, die (ost)deutschen Regionen profitieren aber auch besonders von der EU-Kohäsionspolitik und den EU-Strukturfonds. Ohne die europäischen Mittel hätten viele Projekte in den Kommunen nicht realisiert werden können.

  • Wir wollen den EU-Strukturfonds besser ausstatten. Damit stärken wir die Kommunen und die öffentliche Daseinsvorsorge als Fundament einer sozial und ökologisch gerechten Gesellschaft.

Regionale Wirtschaftskreisläufe stärken

Wir wollen die Distanz zwischen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen reduzieren: Wo verbraucht wird, soll auch bevorzugt hergestellt werden. Dadurch werden Lieferketten kürzer und ökologischer. Anstatt Industriekomponenten quer durch Europa zu schicken, um die billigsten Löhne auszuschöpfen, wollen wir integrierte Produktionsabläufe stärken. Das sichert lokale Arbeitsplätze und stärkt die Regionen abseits der Metropolen. Dabei gilt: Produktion so lokal wie möglich, so global wie nötig!

Mit der Förderung von regionalem Tourismus sparen wir Verkehr. Mit der Energiewende produzieren wir Strom lokal vor Ort, anstatt Spanien zum Photovoltaikpark für Europa zu machen. Mit der Agrarwende werden lokale Versorgungsstrukturen geschaffen und gestärkt, anstatt die industrielle Landwirtschaft zu fördern.

  • Bei öffentlichen Ausschreibungen, Beschaffungen und Subventionen stärken wir soziale und ökologische Kriterien: Wir berücksichtigen Transportemissionen sowie lokale Ausbildungs- und Beschäftigungsquoten und unterstützen damit lokale Unternehmen.
  • Regionale Produkte und Vertriebsstrukturen stärken wir, indem wir Produktions- und Vertriebsgenossenschaften miteinander verbinden. Graswurzelbewegungen, die regionale Wertschöpfungsstrukturen etablieren möchten, sollen von den Regionalmitteln der EU profitieren.
  • Die Ortskerne wiederbeleben: Wir fördern soziale Zentren überall in der EU! Soziale Zentren sind Ausgangspunkt für neue nachbarschaftliche Gemeinschaften und dienen als Orte der Begegnung. Sie sind Räume für grundlegende Dienstleistungen wie Post und Bank, zivilgesellschaftliche Initiativen und gemeinsames Kaffeetrinken. Wir wollen Marktplätze wiederbeleben und den Einzelhandel stärken. Wochenmärkte mit lokalen Produzent*innen wollen wir für die wohnortnahe Versorgung mit gesunden und nachhaltigen Produkten fördern.

Grundsätzlich wollen wir öffentliche Investitionen in nicht profitorientierte Dienstleistungen und die öffentliche Daseinsvorsorge stärken. Der Gedanke des Gemeinwesens mit öffentlichen Räumen und Dienstleistungen zur sozialen Inklusion und Integration muss im europäischen Gesellschaftsmodell gestärkt werden.

Für die sozialökologische Rohstoffwende

Der soziale und ökologisch gerechte Umbau unserer Wirtschaft muss nachhaltiger mit Rohstoffen umgehen. Die Metallproduktion hat sich seit 2000 weltweit fast verdreifacht. Mehr als 93,5 Prozent des weltweit aus der Erde entnommenen Metalls ist Eisen, vor allem für die energieintensive Stahlproduktion. Der Ressourcenabbau stößt an seine natürlichen Grenzen. Auch die Produktion grüner Technologien ist abhängig von vielen Rohstoffen, die es in der EU nicht in ausreichendem Maße gibt, beziehungsweise die bisher nicht in der EU gefördert werden. Besonders hoch ist die Importabhängigkeit von seltenen Erden und Metallen. Bis zum Jahr 2050 wird die EU zum Beispiel das 60-Fache an Lithium im Vergleich zu heute benötigen. Der Verbrauch von Rohstoffen wie Graphit oder Kobalt könnte bis zum 15-Fachen im Jahr 2050 steigen. Es drohen zunehmende geopolitische Konflikte über die knapper werdenden Ressourcen. Gleichzeitig braucht es immer mehr Energie, um die Ressourcen abzubauen. Der Bergbau findet oft unter nicht akzeptablen Bedingungen statt: Menschenrechte werden verletzt, Wasser wird verseucht und die Umwelt zerstört. Das ist der Preis für den Rohstoffhunger. Für den Schutz des Klimas und der natürlichen Grenzen unseres Ökosystems muss der Rohstoffabbau deshalb reduziert werden.

  • Der Verbrauch von Primärrohstoffen in der EU muss bis zum Jahr 2030 um 10 Prozent sinken.
  • Wir denken Klimaschutz und die Reduktion metallischer Rohstoffe zusammen: Wir treiben die Mobilitätswende voran (siehe Kapitel 3, „Mehr Mobilität mit weniger Verkehr“) und bauen eine europäische Kreislaufwirtschaft auf.
  • Wir verankern und verstärken Menschenrechte und Umweltstandards in allen EU-Gesetzen.
  • Wir wollen keinen Bergbau in Naturschutzgebieten. Die lokale Bevölkerung muss bei Bergbauprojekten und der Wertschöpfung beteiligt werden. Den Tiefseebergbau wollen wir international verbieten. Die EU soll sich für ein Moratorium einsetzen.
  • Die Massenproduktion grüner Technologie darf sich nicht auf die Ausbeutung der Natur und der Menschen in den Ländern des Globalen Südens stützen. Wir wollen keinen „grünen Kolonialismus“. Dafür fordern wir ein stärkeres Lieferkettengesetz und die Berücksichtigung starker sozialer und ökologischer Standards in Handelsabkommen der EU. (Siehe Kapitel 4, „Gerechte Handelspolitik: Kooperation statt Konkurrenz“)
  • Wir wollen den Handel mit illegal geschlagenem Holz durch strenge Regeln und international koordinierte Kontrollen und Institutionen weiter eingrenzen.

Mehr Kreislaufwirtschaft, weniger Abfälle

Die Rohstoffwende kann nur gelingen, wenn mehr genutzte Ressourcen wieder in die Produktion eingespeist werden und so eine Kreislaufwirtschaft entsteht. Die kapitalistische Verwertung mit ihrem inhärenten Zwang zu unbegrenztem Wachstum hat uns in eine Wegwerfgesellschaft geführt: Neue Produkte werden schneller gekauft, wenn die alten schneller kaputtgehen oder nicht mehr repariert oder upgedatet werden können. Wir müssen den entfesselten Markt zurück in soziale und ökologische Bahnen zwingen: Stopp der Sinnlos-Produktion. Wir wollen raus aus der Wegwerfgesellschaft und rein in die Kreislaufwirtschaft, dafür benötigen wir strengere Vorgaben für Haltbarkeit. Keine Sollbruchstellen! Unser Ziel ist eine möglichst lange Lebensdauer von Produkten. Wir wollen reparieren und wiederverwenden, statt wegschmeißen. Wenn etwas entsorgt werden muss, dann bestmöglich recyceln, damit wir wertvolle Rohstoffe wieder in den Kreislauf zurückführen können.

Zum Beispiel Smartphones: Im Schnitt kaufen die Menschen in Deutschland alle drei Jahre ein neues Gerät. Das sind circa 22 Millionen pro Jahr. Festverbaute Akkus, fehlende Updates für ältere Geräte und verklebte Einzelteile, die eine Reparatur erschweren, verleiten zum Neukauf. Nur 45 Prozent der Altgeräte kommen in einer Recyclingstelle an, wobei die Produkte so gebaut sind, dass die wertvollen seltenen Erden nur sehr aufwendig wiedergewonnen werden können. Für die Hersteller ein profitables Geschäft auf Kosten der Nachhaltigkeit.

  • Die Linke fordert: höhere gesetzliche Recyclingquoten und höhere Rezyklat-Einsatzquoten in der EU.
  • Wir wollen die Ökodesignvorgaben für Produkte erweitern, um Anforderungen an Lebensdauer, Update-, Upgrade-, Reparier-, Weiterverwend- und Recycelbarkeit zu schaffen.
  • Wir wollen, dass Hersteller für die Kosten für Rücknahme, Transport, Wiederaufbereitung oder Entsorgung ihrer Produkte verantwortlich sind.

Abfälle vermeiden

Rund 33 Millionen Tonnen Abfall werden jährlich aus der EU exportiert. Oft landet der Müll in Ländern im Globalen Süden, wo er unter dramatischen sozialen und ökologischen Bedingungen entsorgt und verarbeitet wird. Die schon jetzt illegale Müllverschiffung von Elektroschrott (E-Waste) wollen wir intensiver bekämpfen.

  • Wir wollen das Müllaufkommen insgesamt reduzieren: Hierfür fordern wir auch Abgaben auf Einwegverpackungen für die Verkäufer und ein einheitliches Pfandsystem für Ein- und Mehrweggetränkeflaschen in der EU.
  • Müllexporte aus der EU wollen wir verbieten.
  • Abfallbehandlung und Abfallentsorgung müssen als Bestandteile der Daseinsvorsorge in die öffentliche Hand. Sie dürfen nicht privatisiert werden. Ist die Privatisierung bereits erfolgt, kämpft Die Linke für Rekommunalisierung. Nur so kann eine soziale und ökologische Abfallwirtschaft garantiert werden.
  • Wir setzen uns dafür ein, nutzbare Abfälle kostenfrei zu verwenden. Lebensmittelrettung – das sogenannte Containern – wollen wir legalisieren. Die Entstehung von Lebensmittelabfällen wollen wir drastisch reduzieren. (Siehe Kapitel 2, „Für eine sozialökologische Landwirtschaft“).

Ein Drittel der Mittel der EU werden für Landwirtschaft zur Verfügung gestellt. Die Landwirtschaft wurde in der EU und durch die EU liberalisiert. Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ist nicht genutzt worden, um den überfälligen sozialökologischen Umbau auch in der Landwirtschaft und den ländlichen Räumen im erforderlichen Maß voranzubringen. Sie sichert vor allem die Profite der Agrarkonzerne. Große Teile der Landwirtschaft sind für den Verlust der Artenvielfalt mitverantwortlich. Die EU muss ihre Orientierung auf Wettbewerb und Export aufgeben. Stattdessen sollen regionale Erzeugung, Verarbeitung und Wertschöpfung, die umweltfreundlich, gesünder und sozial sind, gefördert werden. Voraussetzung für lebendige ländliche Räume ist die Ausgestaltung lokaler Ernährungsstrategien und regionaler Kreislaufwirtschaft in Kooperation aller Akteur*innen.

  • Agrarförderung, insbesondere die sogenannten Flächenprämien, muss nach sozialen, ökologischen und gemeinwohlorientierten Kriterien eingesetzt werden und für einen nachhaltigen Umbau von Landwirtschaft und Ernährung.
  • Gute Arbeit in der Landwirtschaft mit flächendeckenden gesetzlichen Mindestlöhnen: Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze müssen auch für mitarbeitende Familienangehörige und Saisonarbeitskräfte Normalität sein. Die Förderung von jungen Landwirt*innen wollen wir ausweiten. Die pauschale Förderung von Junglandwirt*innen der GAP wollen wir in der gesamten EU durch eine nicht flächengebundene Förderung ersetzen.
  • Böden dürfen nicht zu Spekulationsobjekten gemacht werden. Wir wollen Landgrabbing – auch durch intransparente Share Deals – verbieten und die Ernährungssouveränität sichern.
  • Es braucht Transparenz am Bodenmarkt. Dafür wollen wir Grundbücher öffentlich machen.
  • Wir fordern ein EU-Bodengesetz, das eine sozial gerechte Verteilung landwirtschaftlicher Nutzflächen und die Bodenfruchtbarkeit sicherstellt. Staatliche Pachtverträge müssen nach sozialen und ökologischen Kriterien vergeben werden. Wir wollen eine Pachtpreis- und Kaufpreisbremse einführen, die den Zugang zu Land für Akteure ohne oder mit wenig Geld, gemeinwohlorientierte Bodenträger und landwirtschaftliche Existenzgründer*innen erleichtert.
  • Wir fordern einen Bodenfonds, damit der öffentliche Bestand wächst. Öffentlicher Boden darf nicht weiter privatisiert werden.
  • Mehr Bienen, mehr Käfer, für eine insektenfreundliche Landwirtschaft: Wir wollen den Einsatz von chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln und chemischen Unkrautvernichtern drastisch reduzieren. Eine Aufteilung in Schutz- und Schmutzgebiete lehnen wir ab. Pflanzenschutzmittel müssen verringert und vielgliedrige Fruchtfolgen müssen ausweitet werden. Wir setzen uns für das Grundprinzip des integrierten Pflanzenschutzes ein: Vorrang für biologische, züchterische sowie anbau- und kulturtechnische Maßnahmen vor chemischen Mitteln.
  • Wir stellen uns gegen eine Verlängerung der Zulassung für Glyphosat, das von der WHO als wahrscheinlich krebserregend eingestuft wurde. Wir fordern ein Produktions- und Exportverbot von hochgefährlichen Wirkstoffen für Pflanzenschutzmittel. Die Monopole und Oligopole bei Saatgut, Agrochemie und Düngemittelindustrie, in der Lebensmittelherstellung und im Lebensmittelhandel müssen zerschlagen werden. Die Entwicklung sicherer Pflanzenschutzmethoden wollen wir fördern.
  • Die Wälder in der EU müssen erhalten und nachhaltig bewirtschaftet werden. Wir wollen stärker nach ökologischen Kriterien aufforsten.
  • Wir fordern verbindliche Kriterien und Kontrollen für die landwirtschaftliche Tierhaltung und setzen uns für ein Käfighaltungsverbot ein. Dafür haben wir mit der europäischen Bürger*inneninitiative gegen Käfige erfolgreich gestritten, jetzt muss es Gesetz werden. Den Umbau hin zu einer Klima-, Umwelt- und tierschutzverträglichen Tierhaltung wollen wir sozial gerecht gestalten mit Diversifizierungs- und Entschuldungsprogrammen.
  • Lebendtiertransporte müssen eingeschränkt werden. Tiertransporte über vier Stunden und in Drittstaaten wollen wir gänzlich verbieten.
  • Wir fordern ein Verbot der Pelztierzucht entsprechend der erfolgreichen EU-Bürger*inneninitiative 2023.
  • Wir fordern freiwillige Ausstiegsprogramme für Landwirt*innen aus der Tierhaltung.
  • Wir setzen uns für die Ausweitung der Prämien in der Landwirtschaft für das Anpflanzen von Hülsenfrüchten ein, für die Förderung des Verzehrs und für die Aufwertung von Böden. Das ist Teil einer Eiweiß-/Proteinstrategie und eines nachhaltigen Ackerbaukonzepts.
  • Wir wollen ein umfassendes Förder- und Weiterbildungsprogramm für Landwirt*innen entwickeln, das finanzielle Unterstützung leistet und Wissen für die sozialökologische Agrarwende schafft.
  • Wir wollen Futtermittelimporte abbauen. Mit Nahrungsmitteln darf nicht spekuliert werden. Den Import von Biokraftstoffen aus Nahrungsmitteln wie Mais und Getreide in die EU (und nach Deutschland) wollen wir verbieten.
  • Die Spekulation mit Nahrungsmitteln, die wenige Reiche reicher macht, muss verboten werden, damit die Menschen in Europa und weltweit nicht wegen hoher Lebensmittelpreise hungern müssen.
  • In der Erzeugerkette muss es eine faire Gewinn- und Risikoverteilung geben. Erzeuger*innen, die das größte Risiko tragen, müssen auch den größten Gewinn erhalten. So bleiben Lebensmittel erschwinglich und können kostendeckend produziert werden.
  • Es müssen rechtliche Voraussetzungen für faire Verhandlungen zwischen Landwirt*innen und Lebensmitteleinzelhandel über allgemeine Bedingungen, Lieferbedingungen und Preise geschaffen werden.
  • Wir setzen uns für eine EU-weite transparente und verlässliche Herkunfts-, Nachhaltigkeits- und Regionalkennzeichnung ein (Sustainable Food System Law).
  • 80 Prozent der Bevölkerung lehnen Gentechnik auf dem Teller ab. Anbau von transgenen Pflanzen in der Landwirtschaft, einschließlich sogenannter neuer genomischer Techniken, und Patente auf Saatgut, Pflanzen, Tiere und anderes Leben lehnen wir ab. Sie gefährden die Biodiversität und erhöhen die Abhängigkeit der Produzenten von übermächtigen Weltmarktakteuren. Die von der EU per Verordnung geplante Aussetzung der generellen Kennzeichnung für den Großteil der gentechnisch veränderten Organismen (GVO) muss verhindert werden. Verbraucher*innen haben ansonsten keine Wahl mehr. Das Vorsorgeprinzip muss wieder Vorrang vor dem Innovationsprinzip erhalten.
  • Wir brauchen ein europaweites Anti-Wegwerf-Gesetz: ein sofortiges Wegwerfverbot für zum Verzehr geeignete Lebensmittel in allen Bereichen der Wertschöpfungskette.
  • Gemeinsam mit dem Bündnis „Wir haben es satt“ fordert Die Linke, dass die EU in Zukunft eine tier-, klima- und umweltgerechte Landwirtschaft fördert und dass Bäuer*innen, die das umsetzen, gute Arbeitsbedingungen und faire Preise bekommen.

Insgesamt muss die Agrarwende darauf ausgerichtet sein, allen Menschen in der EU gesunde und bezahlbare Nahrungsmittel zugänglich zu machen, ohne dabei die Chancen zukünftiger Generationen oder Menschen in anderen Ländern zu zerstören.

Die EU hat Digitalisierung zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht und will mit Milliarden Euro öffentlicher Gelder die Entwicklung, Verbreitung und Anwendung digitaler Technologien auf allen Ebenen fördern. Dabei geht es nicht um Technologien für eine gerechte Onlinewelt für alle oder für gute soziale und klimagerechte öffentliche Dienstleistungen. Das Ziel ist, der europäischen IT-Wirtschaft im internationalen Wettbewerb zu einer führenden Rolle zu verhelfen. Dazu sollen IT-Forschungszentren und IT-Unternehmen gefördert, ausreichend Anwendungsgebiete erschlossen und Datenbestände nutzbar gemacht werden, um die Produktentwicklung zu ermöglichen und Märkte für diese Anwendungen zu schaffen. Europäische IT-Konzerne sollen den amerikanischen und chinesischen Konzernen Konkurrenz machen können. Ohne Regulierung drohen zunehmende Überwachung, stärkere soziale Spaltung, der Abbau sozialer Rechte und die weitere Aushöhlung öffentlicher Leistungen – ganz im Sinne der Konzerne. Der hohe Energie- und Ressourcenverbrauch digitaler Anwendungen droht den Klimakollaps zu beschleunigen. Wir setzen uns dafür ein, dass Digitalisierung zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beiträgt, statt vor allem auf Profite und Kontrolle zu zielen.

Das Internet von den Konzernen befreien

Wir stehen für ein radikales Umdenken hin zu gemeinwohlorientierten Plattformen und wirklich sozialen Netzwerken anstelle von Profitmaschinen und Plattformkapitalismus. Die Internetgiganten Facebook (Meta), Google (Alphabet), Amazon und Co kontrollieren 70 bis 80 Prozent des gesamten Digitalmarktes und gestalten ihre Angebote im Interesse der eigenen Profite. Wirkliche Entscheidungsfreiheit, freie Meinungsbildung und informationelle Selbstbestimmung gehen dabei verloren. Alternative Angebote haben bisher kaum eine Chance. Die Verordnung der EU über digitale Märkte soll dieses Ungleichgewicht beseitigen, doch ihre Regeln müssen erst in drei Jahren eingehalten werden und es werden nicht alle Monopole davon erfasst. Mit klaren Regeln und Förderkonzepten setzen wir dem Internet der Konzerne gemeinwohlorientierte Konzepte entgegen. Wir wollen die digitale Welt schrittweise vom Kapitalismus befreien.

  • Um gegen die skrupellosen Geschäftsmodelle der Unternehmen vorzugehen, setzen wir uns für ein Verbot von Tracking und personalisierter Werbung ein.
  • Onlinedienste müssen über die verschiedenen Anbieter hinweg funktionieren, offene Schnittstellen haben und eigene Daten müssen zu anderen Anbietern mitgenommen werden können.
  • Wir wollen öffentliche und genossenschaftliche Plattformen für gemeinwohlorientierte Dienstleistungen fördern, beispielsweise eine App für europaweite Mobilitätsangebote, für faire Zimmervermietung („Fairbnb“) und eine Pflegeplattform mit genossenschaftlichen und gemeinnützigen Pflegeanbietern.
  • Freie Software muss dauerhaft gefördert werden, vor allem für universelle Basissoftware und offene Standards. Mit öffentlichem Geld finanzierte Software muss offene Software sein. Das gilt vor allem für die öffentliche Verwaltung und für öffentliche Unternehmen.

Künstliche Intelligenz, die allen nützt

Die EU will in den nächsten zehn Jahren mit viel Geld die Entwicklung und den Markt für KI-Anwendungen fördern. Viele der in der Öffentlichkeit bekannten KI-Anwendungen nützen vor allem dem Profit der Unternehmen und haben nur einen geringen gesellschaftlichen Mehrwert. Gleichzeitig sind mit ihnen teilweise hohe Risiken verbunden. Verbraucher*innenschutz und ethische Standards können nur sichergestellt werden, wenn die Algorithmen nachvollziehbar sind – daran haben die Unternehmen in der Regel kein Interesse. Wir wollen KI-Anwendungen fördern, von denen ein gesellschaftlicher Nutzen zu erwarten ist. In anderen Bereichen wollen wir den KI-Einsatz beschränken oder verhindern. Denn auch der Energieverbrauch für KI ist riesig, besonders in der Entwicklungsphase. Ihr flächendeckender Einsatz ist nur selten energiesparend möglich.

  • Die EU soll Forschung zu gesellschaftlich nützlichen Anwendungen künstlicher Intelligenz fördern und kritische Forschung zu Risiken künstlicher Intelligenz öffentlich finanzieren.
  • In sensiblen Bereichen müssen Erklärbarkeit, Nachvollziehbarkeit der Prozesse, Transparenz, wie Entscheidungen zustande kommen, sowie Transparenz, mit welchen Daten die KI trainiert wurde, gewährleistet sein.
  • Entscheidungen, die durch KI getroffen werden und Auswirkungen für Menschen haben, müssen immer nachvollziehbar sein und beanstandet werden können (und zwar nicht bei einer KI-Instanz oder Chat-Software).
  • KI-Systeme, die Grundrechte verletzen, müssen verboten werden: Automatisierte Gesichtserkennung und Verhaltensklassifikation in öffentlich zugänglichen Räumen wollen wir verbieten.
  • In Schulen dürfen keine KI-Systeme eingesetzt werden, die Leistungen, Lernen oder Sozialverhalten bewerten.

Unsere Daten für ein besseres Leben nutzen statt für Profite

Jede Aktion im Internet verrät den Konzernen unsere Vorlieben und macht uns (besser) vorhersehbar und kontrollierbar. Mit ihrer Datenstrategie will die EU Massen zusätzlicher Daten für Forschung und IT-Entwicklung nutzbar machen und einen „Binnenmarkt für Daten“ fördern. Dazu gehören neben den Daten vernetzter Haushaltsgeräte auch Gesundheitsdaten im Europäischen Gesundheitsdatenraum, Mobilitätsdaten und Daten aus öffentlichen Verwaltungen. Diese Daten sind oft hochsensibel und berühren grundlegend den Schutz der Persönlichkeit. In den Händen von Arbeitgebern oder Versicherungen können sie die Existenz von Menschen gefährden. In der Hand von Medienkonzernen oder Überwachungsbehörden ermöglichen sie (schon jetzt) Manipulation und gefährden Demokratie, Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit. Das Sammeln, Aufbewahren und Verwenden dieser Daten muss deshalb im Sinne der Persönlichkeitsrechte und des Gemeinwohls streng begrenzt und kontrolliert werden. Das steht in einem Spannungsverhältnis zum Interesse der Unternehmen, möglichst viele Daten für möglichst viele – auch erst noch zu erkundende – Anwendungen nutzen zu können. Unternehmen entwickeln mit unseren Daten nicht nur Sprachcomputer oder Krebsmedikamente. Sie entwickeln mit diesen Daten auch Geschäftsmodelle, um neue Profitquellen in den öffentlichen Haushalten zu erschließen und bisher öffentlich erbrachten Leistungen Konkurrenz zu machen (im Verkehrsbereich zum Beispiel Uber, Moia und Co). Wir wollen den Schutz der Daten und die ausschließliche Nutzung für gemeinwohlorientierte Zwecke sicherstellen.

  • Zweckbegrenzung der Datennutzung: Gesundheitsdaten beispielsweise dürfen nur für Gesundheitsforschung, nicht für personalisierte Werbung genutzt werden. (Siehe Kapitel 1, „Europäischer Gesundheitsdatenraum (EHDS)“)
  • Daten dürfen nur an Empfänger gehen, die ein nachgewiesenes Interesse und Kompetenz in der Forschung haben, nicht an Google oder Palantir.
  • Gemeinwohlklausel: Die Forschung muss dem Gemeinwohl dienen, nicht nur dem Profitinteresse von Unternehmen.
  • Forschung zu gesellschaftlich wichtigen Fragen muss öffentlich finanziert sein.
  • Die Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung müssen öffentlich zugänglich sein. Es darf nicht sein, dass die Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung patentgeschützt sind und teuer von der Öffentlichkeit zurückgekauft werden müssen.
  • Die Auffassung von Daten als handelbares Eigentum lehnen wir ab. Die Daten vernetzter Geräte müssen auf Geräte anderer Hersteller übertragbar sein, dazu sind Standardformate und Zugriffsrechte auf diese Daten grundlegend. Unabhängige Werkstätten müssen Zugang zu den Daten erhalten können, ebenso wie Nutzer*innen volle Hoheit über anfallende personenbezogene Daten innehaben müssen.

Wir spüren schon jetzt die dramatische Veränderung des Klimas. Waldbrände, Wassermangel, Dürren und Hitzesommer werden Normalität. Es ist nicht nur die Klimakatastrophe: Das ökologische System des Planeten droht zusammenzubrechen. Das rücksichtslose Wirtschaften überschreitet die natürlichen Grenzen und stellt den Profit an erste Stelle – und nicht die Bedürfnisse der Menschen und unser Überleben auf dem Planeten.

Sitzen wir alle im selben Boot? Nein: Manche finanzieren sich eine Parallelwelt. Sind wir alle gleich verantwortlich? Nein. Der ökologische Fußabdruck ist extrem ungleich verteilt. Das gilt zwischen reichen und armen Staaten, für die Reichen und die Armen der Welt – und auch innerhalb der Europäischen Union. Das reichste 1 Prozent der Bevölkerung in Deutschland stößt 35-mal so viel CO2 aus wie die Ärmsten. 800 Superreiche in Deutschland haben einen CO2-Ausstoß, der 1 000-mal so hoch ist wie der der Deutschen im Durchschnitt. Gleichzeitig sind die Armen von Umweltveränderung und Verschmutzung am stärksten betroffen. Wer Vermögen besitzt, kann sich besser vor Hitze, Trockenheit und Überschwemmung schützen. Die Armen können das nicht. Die Naturzerstörung bedroht unsere materiellen Lebensgrundlagen und wird auch in Deutschland zur Klassenfrage.

Mit der Politik der EU-Kommission und der Ampelregierung in Deutschland wird es nicht gelingen, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Mehr Mut für einen sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Umbau ist nötig: Wir brauchen klare Vorschriften und Vorgaben, vor allem für Konzerne. Wir müssen besonders die Sektoren umbauen, die bisher keinen Beitrag leisten, um die Klimaziele zu erreichen: Verkehr und Wohnen. In beiden Fällen bremsen mächtige Konzerninteressen den Umbau. Die Linke tritt für einen sozial und ökologisch gerechten Umbau ein: Wir schützen die Mieter*innen und Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen vor den Kosten. Wir schaffen Alternativen für mehr Mobilität und mehr Lebensqualität in den Städten und Dörfern. Der Umbau auf erneuerbare Energien muss mit bezahlbaren und sozial gestaffelten Preisen einhergehen und darf die großen Unternehmen nicht aus den Regeln ausnehmen. Im Gegenteil: Wer am meisten schmutzt, muss am stärksten reguliert werden. Vieles in unserem Leben wird sich ändern. Wir müssen die Art und Weise, wie wir wirtschaften, wie wir leben, arbeiten und unsere Freizeit verbringen, grundlegend neu organisieren. Die Politik der EU und der Bundesregierung führt dazu, dass Menschen, die keine Alternative zum Auto haben, einen höheren Preis für Benzin und Diesel zahlen müssen. Mieter*innen, die keine Möglichkeit haben, ihre Heizung zu ändern, werden gezwungen, höhere Heizkosten zu zahlen.

Gleichzeitig können die Superreichen weiter ungehindert durch die Welt jetten und ihre Villen beheizen, weil ihnen die zusätzlichen Kosten nichts ausmachen. Die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen schwindet dadurch.

Wir wollen die Superreichen stärker in die Verantwortung nehmen. Viele Menschen fühlen sich von der verfehlten Politik der Regierung in der Energiekrise im Stich gelassen. Rechte Politiker*innen versuchen, damit Stimmung gegen Klimaschutz zu machen. Aber die Energiepreise sind nicht wegen des Klimaschutzes gestiegen, sondern weil die Energiekonzerne eine Möglichkeit gesehen haben, im Krieg Extraprofite einzufahren. Und weil der Europäische Strommarkt so gestrickt ist, dass Extraprofite begünstigt werden. Nur mit öffentlichem Geld konnten die horrenden Preise der Konzerne abgefedert werden. Dagegen braucht es: mehr öffentliches Eigentum in der Energieversorgung und mehr Vorgaben bei der Preisgestaltung. Der Markt wird es nicht richten, wir müssen dem Markt Grenzen setzen. Wir machen den sozialökologischen Umbau gemeinsam mit den Beschäftigten. Wir stärken die Mitbestimmung und setzen uns für eine verbindliche Arbeitsplatz- und Einkommensgarantie für Beschäftigte ein. Wir wollen eine regionale und gemeinwohlorientierte Versorgung: einen für die Nutzer*innen kostenfreien ÖPNV als Alternative zum Auto ausbauen. Lokal produzierte, preiswerte regenerative Energieversorgung; Industrie, die sich darauf konzentriert, ökologisch sinnvolle Dinge sozial gerecht zu produzieren: Straßenbahnen statt elektrischer SUVs, Wärmepumpen statt Wasserstoffheizungen. Dadurch schaffen wir Wohlstand und einen Gewinn an Lebensqualität für alle statt für wenige: Der ökologische Umbau ist ein sozialer Umbau oder er wird nicht gelingen.

Die EU hat in den vergangenen vier Jahren die Klimagesetzgebung verschärft. Die Ziele für Emissionsreduktion und Energieeffizienz wurden verschärft. Die Abhängigkeit von Importen fossiler Brennstoffe soll reduziert werden. Doch die Maßnahmen reichen nicht aus, um das 1,5-Grad-Ziel im Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Sie orientieren sich nicht an dem für die EU verbliebenen CO2-Restbudget. Ausgerechnet Deutschland mit seinem grünen Energie- und Wirtschaftsminister blockiert an entscheidenden Stellen. Im deutschen Klimaschutzgesetz wurden die Sektorziele abgeschafft und mit dem LNG-Ausbau werden neue Gasüberkapazitäten geschaffen – die Energiewende wird ausgebremst.

Wir wollen die EU bis 2040 klimaneutral machen. Dafür reichen die bisherigen Pläne der EU nicht aus. Damit der Klimawandel bekämpft wird und die Pariser Klimaziele umgesetzt werden, müssen die Treibhausgasemissionen schnell sinken. Sonst übersteigt die Gesamtmenge an CO2-Emissionen das Restbudget, das der EU zur Verfügung steht. Dafür müssen die Ziele für den Anteil erneuerbarer Energien, die Reduzierung von Treibhausgasen und die Energieeffizienz für 2030 verschärft werden.

  • Der Anteil erneuerbarer Energien am Verbrauch in der EU soll bis 2030 auf mindestens 50 Prozent ansteigen. Der Primärenergieverbrauch soll in der EU bis 2030 im Vergleich zum Jahr 2000 um 40 Prozent fallen. Die Ziele müssen in verbindliche nationale Ziele für jeden Mitgliedstaat übertragen werden.
  • Die EU-Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen müssen bis 2030 um mindestens 70 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden, bis zum Jahr 2040 um 90 bis 95 Prozent. Um sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten diese Grenze einhalten, soll es verbindliche CO2-Budgets für jeden Mitgliedstaat geben, womit die Pfade zur Reduzierung der Emissionen regelmäßig überprüft werden können.
  • Bis zum Jahr 2035 muss die Elektrizitätserzeugung in der gesamten EU zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien bestehen und möglichst dezentral organisiert sein. Das ist technisch möglich, wie Studien beweisen. Aber diese Ziele können nur erreicht werden, wenn sie mit wirksamen ordnungspolitischen Maßnahmen und einem historischen Investitionsprogramm unterstützt werden. (Siehe Kapitel 1, „Für ein starkes europäisches Gemeinwesen: Umverteilen von privat zu öffentlich“)

Energiewende sozial gerecht statt Energiemarkt

Die Klima- und Energiepolitik der EU-Kommission setzt vor allem auf den Markt. Doch der Markt regelt es nicht: Die Strompreise explodieren, während sich Konzerne bereichern. Die Energiearmut in der EU steigt. Der Emissionshandel wurde auf den Verkehr- und Wärmebereich ausgedehnt – das wird die Menschen in der EU noch stärker belasten. Der Emissionshandel geht an dem Problem vorbei, dass die meisten Emissionen von Konzernen und Menschen mit viel Geld verursacht werden. Die Linke setzt auf klare Vorgaben und will nachhaltige Alternativen stärker fördern: mit öffentlichem Geld, das dann auch zu öffentlichem Eigentum und Beteiligungen führt. Mit Energieversorgung aus öffentlicher Hand werden bezahlbare und sozial gestaffelte Preise möglich. Wir kämpfen für eine Versorgung mit Strom und Wärme, nicht in der Hand von Konzernen, sondern von Bürger*innen, von Kommunen und Genossenschaften. Wir wollen ihre Erzeugung und Verteilung so dezentral wie möglich und so zentral wie nötig organisieren. Der Energiebinnenmarkt der EU leitet Strom und Gas durch ganz Europa und vermarktet sie über Börsen. Wir wollen dagegen Strom aus dem Stadtwerk, den kommunalen Solar- oder Windkraftanlagen.

  • Preiskontrollen statt Stromabzocke: Für den durchschnittlichen Verbrauch von elektrischem Strom und Heizenergie wollen wir preisgünstige Sockeltarife schaffen. Die Strompreise müssen stärker überwacht, kontrolliert und sozial gerechter gestaltet werden. In Deutschland fordern wir einen Energie-Soli für Reiche zur Finanzierung sozial gerechter Preise.
  • Ziel des Strommarktsystems muss es sein, allen Verbraucher*innen bezahlbaren Strom zur Verfügung zu stellen, anstatt Konzernen Profite zu ermöglichen. Wenige, teure, mit fossilen Energiequellen betriebene Kraftwerke dürfen nicht mehr die Preise für den gesamten Strommarkt setzen.
  • Das Merit-Order-Prinzip in seiner gegenwärtigen Wirkungsweise lehnen wir ab. Ein klimagerechtes Strommarktsystem muss leistungslose Übergewinne ausschließen. Sollten sie durch externe Schocks dennoch auftreten, müssen sie konsequent abgeschöpft werden.
  • Übergewinnsteuer für Krisenprofiteure: Wir wollen eine dauerhafte Mindestbesteuerung der Übergewinne der fossilen Energiekonzerne in Höhe von 90 Prozent einführen. Investitionen in erneuerbare Energien dürfen gegengerechnet werden. Damit die Gewinne der Mineralölkonzerne auch effektiv besteuert werden können, wollen wir eine Quellensteuer einführen und Steueroasen trockenlegen. (Siehe Kapitel 1, „Steuern gegen Ungleichheit und für eine gute Zukunft“)
  • Energieunabhängigkeit durch öffentliches Eigentum: Der größte Teil unserer zukünftigen Energieversorgung muss erst noch gebaut werden. Die öffentliche Hand soll sich stark am Aufbau der erneuerbaren Energien beteiligen. So können wir große Teile der Energieproduktion in öffentliche Hand zurückzuholen. Es braucht massive Investitionen, um Windräder- und Solarfabriken (wieder) in der EU anzusiedeln.
  • Strom-, Wärme- und Gasnetze müssen in den EU-Mitgliedstaaten mithilfe von Rekommunalisierung in die öffentliche Hand überführt, demokratisch kontrolliert und europäisch koordiniert werden. Kommunen können hierzu auf den einzurichtenden Rekommunalisierungsfonds der EU zurückgreifen. (Siehe Kapitel 1, „Das Geld ist da: Holen wir uns den Reichtum zurück!)
  • Die Linke will den EU-Emissionshandel (ETS 1) so reformieren, dass die Menge der Zertifikate auf das CO2-Restbudget der EU begrenzt wird, um die Pariser Ziele zu erreichen.
  • Die energieintensive Industrie bekommt noch zehn Jahre kostenlose Emissionsberechtigungen. Das ist zu lange! Die Gratiszertifikate müssen so schnell wie möglich abgeschmolzen werden – im Gegenzug muss der EU-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) entsprechend angepasst werden. Für den klimaneutralen Umbau der Industrie braucht es eine aktive Industriepolitik statt leistungsloser Extraprofite durch Gratiszertifikate. (Siehe Kapitel 2, „Industrie gerecht umbauen“)

Kampf gegen Energiearmut und Energiesperren

Der Emissionshandel soll nach Beschluss der EU auf die Sektoren Wärme und Verkehr (ETS-2) ausgedehnt werden. Wir lehnen das ab: Stattdessen müssen verbindliche Klimaziele und Emissionsgrenzen gesetzt werden. Förderprogramme und staatliche Infrastrukturprogramme müssen den Umbau in den Sektoren unterstützen. Wir brauchen einen gesetzlich regulierten Rahmen in den Sektoren Wärme und Verkehr für mehr soziale Gerechtigkeit und einen schnelleren ökologischen Umbau.

  • Die Linke fordert mehr Geld für den Klimasozialfonds, um Ungerechtigkeit durch Preissteigerungen auszugleichen. Die Kopplung an das ETS-2 lehnen wir ab.
  • In Deutschland fordern wir ein Klimageld als Direktzahlung zur Unterstützung für Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen.
  • Strom, Gas, Wasser, Heizung dürfen nicht abgestellt werden. Energiesperren, die einkommensarme Haushalte treffen, wollen wir verbieten und ein preisgünstiges Grundkontingent für Strom, Wasser und Heizstoffe einführen.

Wärmewende sozial gerecht

Der Gebäudesektor ist für einen großen Teil der Treibhausgase in der EU verantwortlich. Eine Wärmewende ist also dringend nötig, um bis 2040 eine klimaneutrale Wärmeversorgung zu erreichen: Gebäude müssen saniert, Heizungen umgestellt werden. (Siehe Kapitel 1, „Sozial gerechte ökologische Modernisierung“) Das muss bezahlbar sein und darf nicht zu einer zusätzlichen Belastung für Mieter*innen und Eigenheimbesitzer*innen mit niedrigem und mittlerem Einkommen werden!

  • Investitionsoffensive: 14 Millionen fossile Heizanlagen müssen allein in Deutschland durch Wärmepumpen oder Nah- und Fernwärmenetze ersetzt werden. Hierfür muss die Produktion europaweit hochgefahren werden – gemeinwohlorientiert nach hohen sozialen, tariflichen und ökologischen Standards.
  • ETS-2 macht Gasheizungen zur Kostenfalle für die Verbraucher*innen. Es braucht nach Einkommen gestaffelte Förderprogramme, die sicherstellen, dass Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen keine Mehrkosten beim Austausch ihrer Heizung mit einer Wärmepumpe haben. Aus Klimaschutzgründen muss in ganz Europa das Heizen mit Erdgas, Kohle, Öl und Torf beendet werden. Hierfür muss die EU über die Ökodesignrichtlinie verbindliche Vorgaben für den Gasheizungstausch machen, Planungssicherheit schaffen und ein soziales Finanzierungsprogramm auflegen.
  • Durch ein massives Förderprogramm müssen Stadtwerke, kommunale Energieversorger und genossenschaftliche Initiativen beim Aufbau von Wärmenetzen unterstützt werden.
  • Um die Wärmepreise unabhängig von Marktschwankungen und Spekulationen zu machen, fordern wir ein Gewinnverbot im Wärmebereich. Damit darf der Wärmepreis nicht höher als die tatsächlichen Wärmeerzeugungskosten sein.
  • Es gibt vielfältige Lösungen für die Wärmewende: Wärmepumpen für Einfamilienhäuser, Nah- und Fernwärmenetze in verdichteten urbanen Räumen. Für Lösungen auf Quartiers- und Siedlungsebene, statt Haus für Haus Konzepte zu entwickeln, braucht es verpflichtend kommunale Wärmeplanung in der ganzen EU und ein massives Förderprogramm!
  • Wasserstoff kann im Wärmebereich keine flächendeckende Lösung darstellen – Wasserstoff ist in diesem Fall energetisch ineffizient und zu teuer.

Die Zukunft ist eneuerbar

Konservative und liberale Parteien versuchen immer wieder – getrieben von der Lobby für fossile Energieträger – sogenannte Technologieneutralität in der Klimapolitik durchzusetzen. Was sich gut anhört, entpuppt sich schnell als Strategie, um die Energiewende zu verlangsamen und weitere Profite für fossile Energiequellen ausbeutende Konzerne und überkommene Geschäftsmodelle zu sichern: Sei es für unterirdische CO2-Verpressung, E-Fuels für Pkw oder Atomkraft. Die Linke setzt auf eine konsequente Energiewende hin zu erneuerbaren Energiequellen. Keine falschen technischen Lösungen!

  • Keine Dauerstrukturen für Übergangslösungen: Für Flüssiggas (LNG) und Erdgas darf keine neue, dauerhafte Infrastruktur geschaffen werden. Wir wollen schwimmende Flüssiggasterminals (Floating Storage and Regasification Units, FSRUs) auf das begrenzen, was für die Versorgungssicherheit nötig ist.
  • Wir fordern ein EU-weites Frackingverbot. LNG, das durch Fracking gewonnen wurde, darf nicht importiert werden.
  • Für einen europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie: Seit über 65 Jahren fördert und verbreitet die EU mit dem Vertrag über die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) die Kernenergie in Europa mit Milliarden an Steuergeld. Atomkraft ist eine unbeherrschbare Risikotechnologie, die im Störfall todbringend ist und über Generationen hinweg Mensch und Umwelt massiv gefährdet. EURATOM steht einer europaweiten Energiewende im Weg und muss deshalb aufgelöst werden.
  • Investitionen in fossile Brennstoffe und Atomkraft sind keine nachhaltigen Geldanlagen. Die sogenannte Taxonomie für Atomkraft und Gas wollen wir beenden. (Siehe Kapitel 1, „EU-Taxonomie und nachhaltige Geldanlagen“) Stattdessen sollen öffentliche Investitionen für den Umbau zu einer CO2-freien Produktion gefördert werden. (Siehe Kapitel 2 „Die Industrie gerecht umbauen“)
  • Carbon Capture and Storage (CCS) – also die Entnahme aus der Luft, der Transport und die Einlagerung von Kohlendioxid – ist keine Lösung für Klimaschutz. Die Speicherung von CO2 unter der Erde ist mit hohen Risiken verbunden. Wir wollen CCS deshalb verbieten. Das sogenannte Carbon Capture and Utilization (CCU) – also die stoffliche Nutzung des entnommenen CO2 – darf nicht dazu führen, dass die Energiewende   ausgebremst und fossile Anwendungen und Produktionsprozesse länger als nötig betrieben werden.
  • Wasserstoff kann Kohle und Erdgas dort ersetzen, wo der direkte Einsatz von Ökostrom nicht möglich ist. Das betrifft die Dekarbonisierung der Stahlindustrie, von Teilen der Chemiewirtschaft, im Flug- und im Seeverkehr sowie zur Rückverstromung während Dunkelflauten.
  • Wasserstoff und dessen Folgeprodukte sollen nur auf Basis von Ökostrom gewonnen werden. Sie dürfen nur dort eingesetzt werden, wo keine effizienteren Alternativen vorhanden sind.
  • Wo die Elektrolyseanlagen öffentlich gefördert sind, müssen sie mindestens anteilig öffentlich betrieben werden.
  • Den Import und die Förderung von Wasserstoff aus Atomkraft oder fossilen Quellen lehnen wir ab. Den Import von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien wollen wir auf ein notwendiges Minimum begrenzen. (Siehe Kapitel 3, „Klimagerechtigkeit weltweit“)
  • Die Förderung von Technologien wie E-Fuels (mit elektrischer Energie hergestellte Kraftstoffe) lehnen wir ab. E-Fuels können nur eine Nischenlösung sein: Sie sind ineffizient und teuer. Und sie führen im Globalen Süden zu Landnutzungskonflikten auf Kosten von Menschen und Natur.

Erdgasbestandsnetze wollen wir umrüsten und neue Wasserstoffnetze in öffentlicher Hand ausbauen und betreiben.

Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sind teurer als Vorbeugung – beides ist notwendig. Die Auswirkungen der globalen Erwärmung sind vielerorts auch in Europa zu spüren: Wir erleben häufiger verheerende Überflutungen wie die im Ahrtal, Dürren und Waldbrände nehmen zu. Selbst wenn die Erderwärmung auf 2 Grad begrenzt werden könnte, wird es mehr Starkregen, Hitzetage, längere Trockenzeiten und einen niedrigen Grundwasserspiegel geben. Mit zunehmender Klimaerwärmung müssen wir unsere Städte umbauen – die Hitze wird im Sommer unerträglich. Urbane Hitzeinseln sind eine Gefahr für die Gesundheit und das Leben. Es kommt immer häufiger zu Trinkwasserknappheit. Das trifft besonders Menschen, die ihre Arbeit im Freien verrichten, Kinder auf Spielplätzen, alte Menschen. Es gibt vielfältige Maßnahmen zur Klimaanpassung:

  • Oberflächen können farblich aufgehellt werden, Schottergärten gehören verboten. Es müssen mehr Schattenflächen geschaffen werden, insbesondere durch Grünpflanzen und Bäume. Gebäude- und Flächenbegrünung wollen wir ausweiten, da Pflanzen eine kühlende Wirkung haben.
  • Den Luftaustausch zwischen der Stadt und dem Umland können Luftleitbahnen gewährleisten.
  • Es werden noch immer mehr Flächen versiegelt als entsiegelt. Kälteschneisen werden vernichtet, Betonwüsten machen Gegenden um mehrere Grade heißer. Wir müssen Flächenentsiegelung vorantreiben, Städte in Europa müssen zu Schwammstädten werden.
  • Mit dem Klimawandel spitzen sich die Verteilungskonflikte zu. Wenn das Wasser knapp wird, müssen wir entscheiden: Wollen wir Wasser nutzen für Lebensmittelanbau und öffentliche Schwimmbäder oder für Golfplätze und private Swimmingpools? Die Linke steht in diesen Fragen auf der Seite der Mehrheit der Menschen. Es braucht eine europäische Wasserstrategie unter dem Motto: Gemeinwohl vor Profitinteressen und Daseinsvorsorge vor Industrie.
  • Die EU muss die Städte und Kommunen dabei unterstützen, Klimaanpassungsmaßnahmen durchzuführen – Klimaanpassung wird Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Alle Städte und Kommunen sollen verpflichtet werden, Hitzeaktionspläne und Starkregengefahrenkarten zu erstellen. Pegelstandmessung und Hochwassermonitoring sollen europaweit auch kleine Flüsse, Ströme und Bäche umfassen.

Klimagerechtigkeit weltweit

Die Länder des Globalen Südens sind von der Klima- und Umweltzerstörung besonders stark betroffen – und am wenigsten dafür verantwortlich. Der Klimawandel kann nur wirksam bekämpft werden, wenn alle Staaten ihren gerechten Beitrag leisten. Die früh industrialisierten Staaten haben eine besondere Verantwortung für den klimaneutralen Umbau. Die EU muss möglichst schnell aus den fossilen Energieträgern und Produktionsweisen aussteigen, auch um dieser Verantwortung gerecht zu werden. Die Finanzierungshilfen durch die EU und die EIB müssen deutlich erhöht werden. Internationale Solidarität heißt für uns auch die kostenlose Bereitstellung von Technologie für Klimaschutz und Klimaanpassung.

  • Hochverschuldete Länder im Globalen Süden sind weder in der Lage, den Umbau auf eine klimafreundliche Wirtschaftsweise zu stemmen, noch können sie sich vor den Folgen der Erderwärmung schützen. Die Linke unterstützt deshalb die Forderung der Kampagne Debt for Climate nach einem globalen Schuldenschnitt für Länder des Globalen Südens.
  • Die Linke macht sich auf EU-Ebene dafür stark, Reparationsforderungen für klimabedingte Schäden anzuerkennen. Wir setzen uns für eine schnelle und transparente Umsetzung des auf der COP27 beschlossenen Kompensationsfonds für Klimaschäden ein. Eine gerechte Lastenverteilung zwischen den Ländern des Nordens und des Südens muss sichergestellt werden.
  • Insbesondere Frauen und Kinder leiden überdurchschnittlich unter den Umweltschäden und sterben häufiger bei Naturkatastrophen. Ohne Geschlechtergerechtigkeit kann es keine Klimagerechtigkeit geben. Bei allen Klimaschutzmaßnahmen muss das mitgedacht werden und alle Maßnahmen müssen zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen. (Siehe Kapitel 5, „Eine Union der Gleichberechtigung: Geschlechtergerechtigkeit – europaweit“)
  • Für eine Bevölkerung, die durch den Klimawandel ihr bisheriges Lebensgebiet verliert, soll die EU internationale solidarische Lösungen herbeiführen oder sich daran beteiligen.
  • Wir fordern die Ausweitung verbindlicher Flüchtlingsrechte auf Umwelt- und Klimaflüchtlinge. Niemand flieht freiwillig! (Siehe Kapitel 5, „Die Grenzen der Demokratie: Keine Festung Europa“)
  • Klimagerechtigkeit bedeutet auch, Rohstoff- und Ressourcenverbrauch zu verringern und sich für eine gerechte Verteilung von Rohstoffen und Ressourcenverbrauch einzusetzen.
  • Wir wollen soziale und ökologische Standards entlang der Lieferketten auch für erneuerbare Energien (zum Beispiel seltene Erden) und grünen Wasserstoff. (Siehe Kapitel 2, „Für die sozialökologische Rohstoffwende“)
  • Wenn Länder des Globalen Südens darauf verzichten, ihre Wälder abzuholzen und ihre Meere zu verschmutzen, wie es die Länder des Globalen Nordens jahrhundertelang getan haben, dann müssen sie dafür entschädigt werden. Die EU soll sich für einen globalen Klimafonds einsetzen, aus dem entsprechende Ausgleichszahlungen geleistet werden.
  • Die EU soll verstärkt Forschung und Umsetzungsmaßnahmen fördern, die sich auf die spezifischen Klimaanpassungsbedürfnisse im Globalen Süden richten (Küstenschutz, Riffschutz, Maßnahmen gegen Unterspülung etc.).

Die Linke streitet dafür, dass alle ihre Fahrt- und Reiseziele erreichen können, die Orte und Dörfer besser vernetzt sind und die Städte lebenswerter werden. Der öffentliche Nah- und Fernverkehr in der ganzen EU muss ausgebaut werden – das ist der Schlüssel zur Verkehrswende. Eine gut ausgebaute Bahn mit einem integrierten Bahnnetz kann Europa näher zusammenbringen und wäre eine gute Alternative zum Fliegen. Deutschland hat völlig ohne Notwendigkeit die Deutsche Bahn in einen riesigen Investitionsrückstand hineinfahren lassen und die Nachtzüge eingestellt. Das verschlechtert die Verbindungen in ganz Europa! Wir setzen uns ein für öffentlichen Verkehr, der uns alle barrierefrei, bequem und preiswert ans Ziel bringt, am Gemeinwohl und den Bedürfnissen der Menschen orientiert.

Die EU hat mit dem Fit-for-55-Paket angefangen, Klimaschutz auf die Agenda zu setzen. Aber der Fokus liegt darauf, den CO2-Preis zu erhöhen. Der CO2-Preis wird keine ausreichende Lenkungswirkung haben: Reiche, die mit Privatjets fliegen oder ein Drittauto haben, können es sich leisten, den CO2-Preis zu bezahlen, ohne ihr Verhalten zu ändern. Die anderen sind auf funktionierende Alternativen angewiesen, um vom Auto umzusteigen. Die gibt es oft nicht, weil sie zu wenig gefördert werden. Diese Menschen treffen die Preiserhöhungen existenziell.

Unsere Linke Verkehrswende sieht so aus: Wir bauen kollektive und klimaverträgliche Verkehrsmittel aus und fahren die Produktion von Bussen und Bahnen hoch. Wir schaffen die Förderung für den klimaschädlichen Flug- und Autoverkehr ab: In Zukunft sind viel weniger Autos nötig. Wir wollen die Innenstädte autofrei machen – selbstverständlich mit Ausnahmen für Lieferverkehr, Rettungsfahrzeuge und Menschen mit eingeschränkter Mobilität. Den Güterverkehr wollen wir reduzieren und den Rest von der Straße auf die Schiene verlagern. Das Luxusspektakel der Reichen beenden wir: Privatjets und Megajachten wollen wir in der gesamten EU verbieten.

Verkehr vergesellschaften!

Ein sozial und ökologisch gerechter Verkehr muss gegen die Automobilindustrie durchgesetzt werden. Die Beschäftigten der Autoindustrie verdienen gute Perspektiven in einer Industrie mit Zukunft, mit guten Löhnen und tariflich abgesicherten Arbeitsplätzen. Die Autokonzerne versuchen, Verbrenner mit noch größeren E-SUVs zu ersetzen. Das hat keine Zukunft. Gleichzeitig fehlen auf dem Weltmarkt Schienen, Waggons, S-Bahnen und Busse.

  • Die Interessen der Beschäftigten müssen im Mittelpunkt des Industrieumbaus stehen! Die Transformation der (Auto-)Industrie bedroht die Beschäftigten bereits jetzt. Es braucht Konversionsstrategien, einen gerechten Übergang für die Beschäftigten und Möglichkeiten für Umschulungen und Karrierewechsel.
  • Wir müssen den sozialen und ökologischen Umbau der Automobilindustrie vorantreiben. Für die Mobilitätswende werden Tausende neue (E-)Busse und Schienenfahrzeuge benötigt. Auch die Produktion von Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen muss hochgefahren werden.
  • Der Aufbau von (auch öffentlich betriebenen) Produktionsstätten für E-Busse und Schienenfahrzeuge muss durch die EU unterstützt werden.
  • Durch einen europaweiten Ausbauplan für die Verkehrsinfrastruktur entsteht Sicherheit. Dadurch werden Kapazitäten aufgebaut und Arbeitsplätze geschaffen.
  • Wenn es staatliche Investitionshilfen für die Konzerne gibt, müssen sie genutzt werden, um öffentliches Eigentum, Mitbestimmung und bessere Arbeitsbedingungen zu erlangen. Wenn Unternehmen mit staatlichem Geld gerettet werden, dürfen keine Dividenden ausgezahlt werden.
  • Die notwendige Transformation vor Ort muss durch Transformationsräte unter Beteiligung von Beschäftigten und der Zivilgesellschaft gestaltet werden: für eine Mobilitätsindustrie mit öffentlichem Eigentum und unter demokratischer Kontrolle. (Siehe Kapitel 2, „Industrie gerecht umbauen“)

Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in Stadt und Land

Unsere Vision: Die Öffentlichen sind Grundverkehrsmittel für alle, Hauptverkehrsmittel in den Städten und eine realistische Alternative auf dem Land. Stadt-Umland-Verbindungen werden gestärkt und an den Bedürfnissen von Pendler*innen ausgerichtet. Auch die Orte und Dörfer werden untereinander besser verbunden. Barrierefreiheit überall ist eine Selbstverständlichkeit. Die öffentlichen Verkehrsmittel werden mit Fernverkehr und Radwegen gekoppelt, so schaffen wir ein attraktives Angebot für kurze und lange Wege.

Der öffentliche Nahverkehr wird in der ganzen EU sukzessive kostenlos, im ersten Schritt für Leistungsberechtigte, Studierende, Azubis und Schüler*innen.

  • Um diese Vision umzusetzen, ist ein massiver Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel in der ganzen EU nötig. Der „neue europäische Rahmen für urbane Mobilität“ ist ein Schritt in die richtige Richtung, um verbindliche Ausbauziele festzulegen und einen leistungsfähigen, barrierefreien und komfortablen Nahverkehr zu schaffen – der Ausbau darf sich aber nicht nur auf die urbanen Zentren beschränken.

Busse und Bahnen in öffentliche Hand! Unsere Vision ist der Betrieb des öffentlichen Nahverkehrs durch landeseigene Betriebe und Kommunen. Mit den Ausschreibungspflichten treibt die EU die Privatisierungen voran. Das muss gestoppt werden. Die Direktvergabe muss weiterhin möglich sein. Überall, wo der öffentliche Nahverkehr privatisiert wurde, setzen wir uns für die Rekommunalisierung ein. Kommunen können hierfür auf den Kommunalisierungsfonds zugreifen. (Siehe Kapitel 1, „Das Geld ist da: Holen wir uns den Reichtum zurück!)

  • Wir unterstützen die Kampagne #Wirfahrenzusammen der Gewerkschaft ver.di und Fridays for Future. Die Linke kämpft gemeinsam mit den Beschäftigten und der Klimagerechtigkeitsbewegung in der ganzen EU für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Nur so können die öffentlichen Verkehrsmittel auch ausgebaut werden.

Recht auf Mobilität für alle – Abhängigkeit vom Auto verringern

Um die Klimaziele zu erreichen, muss der Autoverkehr bis 2035 drastisch reduziert werden. Schlüssel hierfür ist, dass bezahlbare, klimafreundliche Alternativen entstehen und die öffentlichen Verkehrsmittel ausgebaut werden. Das hat für uns Priorität. Am Verbrenner- Aus zu rütteln, ergibt keinen Sinn – denn selbst die Automobilindustrie hat verstanden, dass E-Autos die Antriebstechnologie der Zukunft sind. E-Autos sind aber nur dann klimaschonender, wenn sie leicht sind und der Strom aus erneuerbaren Energiequellen kommt.

  • Die meisten Autos sind viel zu groß und schwer: Wir fordern eine Begrenzung des Autogewichts von Neuwagen auf zwei Tonnen. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen für Familien mit mehreren Kindern oder anderen spezifischen Bedarf, wie Transporter und Campingfahrzeuge.
  • Die Automobilkonzerne nutzen die sogenannten Super-Credits, die sie durch den Verkauf von E-Autos bekommen, um die Flottengrenzwerte einzuhalten: Mit dem Beschluss des Verbrenner-Aus müssen auch die Super-Credits entfallen.
  • Verkehr soll nicht in den Emissionshandel (ETS 2.0) einbezogen werden. Auch eine pauschale Bepreisung von CO2 im Individualverkehr lehnen wir ab. Das trifft diejenigen, die auf ihr Auto angewiesen sind und oft keine Alternative haben, und ist deshalb sozial ungerecht. Der Klimasozialfonds ist viel zu gering, um das abzufedern: Das vorhandene Geld sollte vor allem für einkommensärmere Haushalte benutzt werden, die auf ihr Auto angewiesen sind.
  • Wir lehnen den von der EU forcierten Ausbau von Wasserstoff-Infrastruktur für den Individualverkehr und den Erhalt aller Tankstellen unter dem Framing der „Technologieoffenheit“ ab. Das dient nur den Interessen der fossilen Industrie. Den Ausbau von öffentlichen E-Ladesäulen lehnen wir nicht ab, aber wichtiger finden wir den Ausbau des öffentlichen Verkehrs.
  • Langfristig müssen andere Siedlungsstrukturen geschaffen werden: Statt Supermärkte auf der grünen Wiese wollen wir Ortskerne mit belebten Zentren auch abseits der Metropolen – so werden Wege reduziert und Gemeinschaften (wieder) aufgebaut.

Vorfahrt: Bahn vor Flugzeug

Flugzeuge sind enorm klimaschädlich: Deshalb muss das Fliegen drastisch reduziert werden, um die Klimaziele zu erreichen. E-Fuels sind energie- und kostenintensiv und keine Alternative zu weniger Fliegen.

Mit dem Zug ins europäische Ausland zu reisen, ist manchmal eine Herausforderung: Verschiedene Buchungsportale, keine Fahrgastrechte und vieles ist teuer. Es gibt viel zu wenige Nachtzüge. Wir wollen eine europäische Gesellschaft schaffen, die für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den nationalen Bahngesellschaften sorgt, die bessere Vernetzung im Personen- und Güterverkehr organisiert und grenzüberschreitende Schienenprojekte voranbringt – unsere Vision sind die United Railways of Europe! Dann gäbe es eine gemeinsame Buchungsplattform, koordinierte Fahrpläne und eine massive Ausweitung des grenzüberschreitenden Verkehrs: Mit den United Railways of Europe kann bis 2035 ein Europatakt eingeführt werden, mit Verbindungen im Stundentakt zwischen den europäischen Haupt- und Großstädten. Dann können wir mit dem Nachtzug nach Marseille und umsteigefrei nach Barcelona fahren – bezahlbar und barrierefrei. Ein erheblicher Teil des Luftverkehrs würde auf die Schiene verlagert.

  • Kurzstreckenflüge für Zugstrecken unter sechs Stunden sind dann nicht mehr nötig, wir wollen sie verbieten.
  • Klimaschädliche Subventionen des Flugverkehrs wollen wir abschaffen. Gleichzeitig wollen wir die Bahntickets mit öffentlichen Subventionen verbilligen.
  • Wir setzen dem klimaschädlichen Luxuskonsum der Reichen Grenzen: Privatjets wollen wir EU-weit verbieten – Flugtaxis auch! Anstatt pauschal höhere Preise mit der Einbeziehung von Flügen in das EU-Emissionshandelssystem einzuführen, erheben wir eine zusätzliche Steuer für First- und Business-Class-Flüge, denn die sind pro Person besonders CO2-intensiv.
  • Statt neuer Autobahnen und Flughäfen brauchen wir einen EU-weiten Plan für den Umbau und die alternative Nutzung von fossiler Verkehrsinfrastruktur. Die Förderung für Straßen und Flughäfen im Rahmen der Transeuropäischen Transportnetze (TEN-T) muss beendet werden. Die freiwerdenden Gelder werden für den Ausbau der Bahn genutzt.
  • Wir wollen den Ausbau weiterer Flugkapazitäten sofort beenden. Ein Einstieg in die Neuorganisation des Flughafensystems ist die Stilllegung defizitärer Regionalflughäfen. Um den Rückbau der Flugindustrie und -infrastruktur sozial gerecht umzusetzen, braucht es wie in der Automobilindustrie Maßnahmen für einen gerechten Übergang der Beschäftigten unter dem Motto: Vom Flugbegleiter zum Zugbegleiter.
  • Eine attraktive Bahn ist Voraussetzung für die Mobilitätswende: Die gibt es nur in öffentlicher Hand und ohne Wettbewerb. Mit den United Railways of Europe arbeiten die Bahnunternehmen Europas zusammen statt gegeneinander – zum Beispiel können sie einen gemeinsamen Wagenpool für Nachtzüge aufbauen. Das spart Kosten und schafft Planungssicherheit. Die EU darf die Trennung von Bahnbetrieb und -infrastruktur nicht weiter vorantreiben. Direktvergaben an die Bahnunternehmen sollen mit Vorrang behandelt werden. Beim Wechsel eines Betreibers müssen die Beschäftigten übernommen werden.
  • Für die Bahn in der Fläche! Der Ausbau der europäischen Netze darf nicht nur auf den Highspeed Verbindungen zwischen den Metropolen erfolgen. Das TEN-T Schienennetz, der europäische Verkehrswegeplan, muss schnell umgesetzt werden – und das mit einem Fokus auf dem weniger profitablen grenzüberschreitenden Verkehr.

Güterverkehr

Die internationalen Konzerne spielen die niedrigsten Lohnkosten global gegeneinander aus und nutzen die niedrigen Transportkosten. Dadurch stecken immer mehr Transportkilometer in den Produkten. Die Absurdität des globalen Güterverkehrs muss beendet werden: Nordseekrabben, die in Marokko gepult und in Polen verpackt werden, um dann an der Nordsee als regionales Produkt verkauft zu werden, sind keine echten „Nordseekrabben“. Wir wollen den Güterverkehr insgesamt reduzieren und einen wesentlichen Teil des restlichen Güterverkehrs auf die Schiene verlagern:

  • Regionale Produktionsketten und regionale Vermarktung tragen erheblich zur Reduzierung des Lkw- und Seeverkehrs bei, auch deshalb wollen wir regionale Wirtschaftskreisläufe stärken. (Siehe Kapitel 2, „Regionale Wirtschaftskreisläufe stärken“)
  • Höhere Transportkosten sind ein wichtiges Mittel, um Transportwege zu reduzieren. Durch die verpflichtende Umsetzung und Erhöhung der Lkw-Maut in allen Mitgliedstaaten kann gewährleistet werden, dass höhere Distanzen auch höher bepreist werden. Dadurch gewinnt der Schienengüterverkehr gegenüber dem Lkw-Verkehr erhebliche Kostenvorteile. Die Einnahmen der Lkw-Maut sollen wie in der Schweiz der Förderung des Güterverkehrs zugutekommen.
  • Es gibt zwar Fortschritte in den Lkw-Sozialvorschriften, wie das Heimkehrrecht, aber sie sind immer noch unzureichend. Die Sozialvorschriften für Lkw-Fahrer*innen müssen weiter verbessert und die Kontrollen ausgeweitet werden. Sie brauchen endlich höhere Löhne! Die tragen auch zur Reduktion von Transportwegen bei.
  • Das europäische Transportnetz Schiene muss umgesetzt werden. Die weitere technische und rechtliche Harmonisierung des EU-Eisenbahnverkehrs ist Voraussetzung für einen Umstieg auf die Schiene in der EU: Die EU muss gewährleisten, dass das 740-Meter-Netz für den Güterverkehr tatsächlich bis 2030 europaweit ausgebaut wird.
  • Große Industrie- und Gewerbegebiete sollen verpflichtend einen angemessenen Gleisanschluss vorhalten.
  • Um die Städte vom Lieferverkehr zu entlasten, wollen wir Kommunen darin unterstützen, lokale Logistikzentren mit guten Arbeitsbedingungen einzurichten. Wir wollen öffentliche, gemeinwohlorientierte Paket- und Lieferdienste fördern, anstatt urbaner Hyperkonkurrenz auf Kosten der Beschäftigten.

Schifffahrt und Seeverkehr

Die EU treibt die Dekarbonisierung des Seeverkehrs durch E-Fuels voran. Dazu gibt es kaum Alternativen. Aber E-Fuels sind teuer und energieintensiv – deshalb muss der Seeverkehr reduziert werden. Hierfür muss die EU verbindliche Ziele vorgeben. Eine Regionalisierung der Wirtschaftsstrukturen reduziert den globalen Verkehr mit Containerschiffen erheblich. Auch die Emissionen der Kreuzfahrt- und Containerschiffe sind zu hoch.

  • Billigflaggen im europäischen Seeverkehr wollen wir verbieten und die nationale Zuständigkeit konsequent an das Prinzip binden, wem letztlich die Gewinne zugutekommen („final beneficiary“). Eine Unterstützung für die Seefahrt muss an soziale und ökologische Bedingungen gekoppelt werden.
  • Das Abwracken in nicht lizensierten Billighäfen ist verboten. Das Verbot darf nicht durch Verkauf umgangen werden. Es müssen Designvorgaben im Schiffsbau entwickelt werden, die von vornherein recyclingfreundlich sind. Die Konkurrenz der europäischen Häfen muss durch eine enge Kooperation abgelöst werden.
  • Wo es möglich ist, müssen Schiffe mit Strom betrieben werden: küstennah, in der Binnenschifffahrt und auf Kurzstrecken. Container- und Kreuzfahrtschiffe müssen in den europäischen Häfen verpflichtend Landstrom nutzen.
  • Private motorisierte Superjachten mit mehr als 60 Metern Länge wollen wir EU-weit verbieten. Es ist ein Skandal, dass sie als Freizeitboote vom EU-Emissionshandel ausgenommen werden sollen.
  • Die Emissionen von Kreuzfahrtschiffen sind zu hoch – regionaler Tourismus muss gestärkt und Kreuzfahrten müssen reduziert werden.
  • Wir wollen, dass die Tonnagesteuer als spezielle Besteuerungsregelung für Schifffahrtsunternehmen europaweit abgeschafft wird. Stattdessen sollen diese Unternehmen der regulären Gewinnbesteuerung unterworfen werden, um eine gleichberechtigte Behandlung im Steuersystem sicherzustellen.

Weltraum

Die Erschließung des erdnahen Weltraums hat viele wichtige Funktionen: für Telekommunikation, für die Beobachtung von Klimaveränderungen, für Forschung. Die Nutzung und Erschließung des Weltraums müssen unter öffentlicher Kontrolle erfolgen.

  • Kein Weltraumspaß für die Superreichen auf Kosten unseres Klimas! Wir wollen private Raumfahrt und Weltraumtourismus vom Boden der EU aus verbieten.
  • Um Weltraumschrott zu vermeiden, muss die EU gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft verbindliche Vorgaben zu Entsendung und Betrieb von Satelliten entwickeln und umsetzen.

Digitale Anwendungen und Geräte verbrauchen viel Strom. Für ihre Herstellung werden viele Rohstoffe benötigt, die meist in Ländern des Globalen Südens unter ausbeuterischen, umweltschädigenden Bedingungen und unter Missachtung der Arbeitsrechte der Beschäftigten erzeugt werden. Das betrifft auch die Herstellung der Geräte selbst.

Menschenrechte, Beschäftigtenrechte und Umwelt- und Klimaschutzanforderungen müssen weltweit eingehalten werden. Die Digitalisierung wird den Strombedarf steigern. Damit der Strom ökologisch erzeugt werden kann, sind zusätzliche Windkraftanlagen und Solarfelder erforderlich. Auch deren Herstellung braucht Rohstoffe und Energie, und ihr Betrieb verbraucht Flächen. Effizienzgewinne bei Geräten wurden bisher stets durch zusätzliche neue Geräte und Anwendungen überkompensiert (Rebound-Effekt). Deshalb brauchen wir eine ernsthafte Auseinandersetzung darüber, in welchen Bereichen Digitalisierung das Leben von Menschen und unsere Zukunft verbessert, und in welchen sie das nicht tut: Damit Digitalisierung den Menschen nutzt und nicht dem Profit.

  • Stopp der energiefressenden Werbung, Tracking und Datensammelei im Dienst von Konsum und Meinungsmanipulation.
  • Wir wollen den Energieverbrauch digitaler Anwendungen reduzieren: durch gezielte Forschung, durch Datensparsamkeit und verpflichtende energiesparende Standardeinstellungen. Überflüssige und extrem energieintensive Anwendungen wie das „Mining“ von Kryptowährungen wollen wir unterbinden.
  • Abwärme von Rechenzentren muss verpflichtend nachgenutzt werden, zum Beispiel in Wärmenetze eingespeist werden. Das muss bei der Standortplanung und der Kühltechnik (Wasserkühlung) von vornherein berücksichtigt werden.
  • Langlebigkeit, leichte Reparierbarkeit, Nachnutzbarkeit durch modulare Bauweise, Mindestupdate-Pflichten, gute Verfügbarkeit von Ersatzteilen und weitreichende Interoperabilität von Soft- und Hardware müssen verbindlich festgeschrieben werden. Garantiepflichten wollen wir auf mindestens fünf Jahre erhöhen, Abschreibungsfristen verlängern und die Mindestnutzungsdauer beschaffter Kommunikationstechnik in öffentlichen Einrichtungen erhöhen. Wenn Hersteller den Support einstellen und keine Sicherheitsupdates mehr liefern, müssen Quellcode und Bauanleitung veröffentlicht werden, damit Reparaturstellen, Entwickler*innen und Bastler*innen das Leben der Geräte verlängern können. (Siehe Kapitel 2, „Mehr Kreislaufwirtschaft, weniger Abfälle“)
  • Das Lieferkettengesetz muss verschärft werden, Hersteller müssen für die Einhaltung von Sozial-, Umwelt- und Arbeitsschutzstandards entlang der gesamten Lieferkette haftbar gemacht werden. (Siehe Kapitel 4, „Gerechte Handelspolitik: Kooperation statt Konkurrenz“, und Kapitel 1, „Umverteilen für gute Arbeit“)
  • Für die Energiewende und Digitalwirtschaft benötigte endliche Rohstoffe und seltene Erden müssen nach Möglichkeit durch ökologisch weniger bedenkliche Rohstoffe ersetzt und entsprechende Forschung dazu muss stark gefördert werden. So muss etwa Lithium durch Natrium in Akkus ersetzt werden.

Der Zwang zum Wirtschaften für den größten Profit untergräbt unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Deutschland gehört zu den Regionen mit höchstem Wasserverlust in der EU. Das Artensterben schreitet ungebremst voran. Wälder, Moore und Meere stehen vor dem Kollaps.

  • Die Mittel für den Schutz von Biodiversität sind in der EU erhöht worden. Doch die selbst gesteckten Naturschutzziele hat die EU deutlich verfehlt. Die Konservativen und extrem rechten Parteien im EU-Parlament versuchen, im Interesse der Agrarlobby ein wirksames Renaturierungsgesetz zu verhindern, das zerstörte Ökosysteme und Artenvielfalt wiederherstellen soll.
  • Mehr Wildnis wagen: Wir wollen unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten und zerstörte Ökosysteme wiederherstellen: saubere, schadstofffreie Gewässer, Böden und Luft und eine wachsende biologische Vielfalt. Nur eine intakte Natur sichert auch das Leben für uns Menschen.
  • Wildtiere und ihre Lebensräume müssen besonders geschützt werden. Internationale Arten- und Naturschutzabkommen, insbesondere das aktuelle Kunming-Montreal-Abkommen, müssen in der EU konsequent umgesetzt werden.
  • Schutzgebiete wie Natura 2000 und Wildnisflächen wollen wir ausweiten. Der Schutz muss unter strenger Kontrolle und Einhaltung der Fauna-Flora-Habitatrichtlinien (FFH) geschehen.
  • Die EU-Wasserrahmenrichtlinie für einen guten ökologischen Gewässerzustand und ihre Tochterrichtlinien dürfen nicht aufgeweicht oder geöffnet werden.
  • Die EU-Richtlinien müssen auch eingehalten werden: Es braucht konsequente Vertragsverletzungsverfahren bei Versäumnissen.
  • Wir wollen das EU-LIFE- Programm weiter aufstocken, da es sich als effektiv für die Verbesserung des Zustands von Natur und Umwelt erwiesen hat.
  • Wir unterstützen einen neuen EU-Naturschutzfonds, um die Aufgaben (zum Beispiel die Wiedervernässung von Mooren) aus dem sogenannten Nature Restoration Law zu finanzieren. Die Finanzierung von Naturschutz durch Ausgleichsmaßnahmen für Biodiversitätsverlust oder andere Naturfinanzmärkte lehnen wir ab.
  • Menschenrechte müssen gewahrt werden, es darf keinen Raub indigenen Lands durch Naturparks geben.
  • Die Natur wird oft nur als Objekt von Umweltschutz wahrgenommen. Ein anderes Verhältnis zur Natur soll sich auch im Recht niederschlagen. Die Linke unterstützt den Vorschlag, die Natur als Rechtssubjekt anzuerkennen und den Straftatbestand des Ökozids in europäisches und internationales Recht aufzunehmen. Die Natur hat dann Rechte, die eingeklagt werden können.
  • Es braucht ein wirksames Verbandsklagerecht für Umwelt- und Tierschutzverbände in den EU-Mitgliedstaaten.

Meere schützen

Die Weltmeere machen rund 73 Prozent unseres Planeten aus. Sie bieten Lebensraum für Tiere und Pflanzen, sind Nahrungsquelle, regulieren das Klima und produzieren Sauerstoff. Doch dieser Lebensraum wird immer weiter zerstört. Jedes Jahr gelangen 8 Millionen Tonnen Müll in die Ozeane. Die Förderung von Öl und Gas vergiftet das Wasser, Überfischung und Klimaerwärmung zerstören Lebensräume.

  • Seit März 2023 gibt es ein UN-Hochseeschutzabkommen, das es ermöglicht, Hochseegewässer unter Schutz zu stellen. Die EU muss auf eine schnelle Ratifizierung des Abkommens drängen und sich dafür einsetzen, dass 30 Prozent der weltweiten Meeresflächen bis zum Jahr 2030 unter Schutz gestellt werden. Dabei müssen die Zugangs- und Fangrechte von Kleinfischern gewährleistet sein und ihre Einbindung in das Management der Schutzgebiete muss garantiert und gefördert werden.
  • Die EU muss durch verbindliche Standards und harte Sanktionen den Schutz der Meeresbiotope durchsetzen. Betroffene Regionen und Beschäftigte sollen bei der Ausgestaltung des Strukturwandels unterstützt werden. Fischereisubventionen müssen an nachhaltige, soziale und Tierschutzstandards gekoppelt werden.
  • Wir wollen, dass der Fischfang wirksam reguliert wird, sodass nicht mehr Fische gefischt werden als nachwachsen können. Die Lebensgrundlagen und die Arbeitsbedingungen der Menschen in und außerhalb der EU, auf den Schiffen und in den Fanggebieten sollen gesichert werden.
  • Die Fischerei mit Stellnetzen und Schleppnetzen wollen wir verbieten und Fischer*innen bei der Nutzung alternativer Fangmethoden unterstützen.
  • Die Immissionsschutzbestimmungen für Wasserfahrzeuge und Infrastrukturprojekte müssen verschärft werden. Bei der technischen Umstellung ist eine Unterstützung der in der Region ansässigen und tätigen Betriebe der Fischerei erforderlich.
  • Die Belastung der Meere durch Müllentsorgung, Stoffe aus der Landwirtschaft und der Industrie muss drastisch gemindert werden. Das MARPOL-Übereinkommen ist eine Grundlage dafür. Verstöße müssen effektiver geahndet werden.
  • Munitionsaltlasten in den Meeren der EU stellen eine akute Bedrohung für den Lebensraum Meer und die menschliche Gesundheit dar. Bergung und Entsorgung der Kampfmittel müssen deshalb auch mithilfe neuer Technologien vorangetrieben werden.
  • Nur nachhaltige Aquakulturen sollen gefördert werden. Auch die Tierhaltung im Wasser muss sozial, ökologisch und hinsichtlich des Tierschutzes reguliert werden. Hierfür braucht es strenge Richtlinien und Kontrollen, damit fragile Ökosysteme nicht weiter zerstört werden.
  • Der kommerzielle Walfang muss gestoppt werden. Die EU soll Einfluss auf Staaten wie Norwegen, Island und Japan nehmen, um die Bejagung der Wale zu beenden. Verstöße gegen das internationale Walfangverbot müssen bestraft werden.
  • Den Tiefseebergbau wollen wir international verbieten.
  • Mehr Plastik als Fische im Meer? Das müssen wir verhindern! Der Gebrauch von Plastik muss drastisch reduziert werden. Die Entstehung von Mikroplastik muss möglichst vermieden werden. (Siehe Kapitel 2, „Mehr Kreislaufwirtschaft, weniger Abfälle“)

Tiere schützen

Die Linke steht für einen grundlegenden Wandel des Zusammenlebens von Menschen und Tieren. Wir wollen Tiere nicht als Dinge verstanden wissen und nicht als Mittel zum Profit. Mehrere erfolgreiche europäische Bürger*inneninitiativen zeigen: Die europäische Bevölkerung will endlich echten Tierschutz. Tiere sind fühlende Wesen, und so müssen wir sie auch behandeln. Die Linke setzt sich auch auf der europäischen Ebene für konsequenten Tier- und Artenschutz ein. Tierschutz muss unabhängig von Profitinteressen durchgesetzt werden: Von der Landwirtschaft (siehe Kapitel 2, „Für eine sozialökologische Landwirtschaft“) bis zum Forschungslabor. Wir wollen, dass Tierschutz EU-Gemeinschaftsziel wird. Das ist wichtig, damit arme Kommunen Fördergelder bekommen können. In einer zukünftigen europäischen Verfassung sollen die Rechte von Tieren verankert werden.

  • Wir brauchen höhere Standards ohne Schlupflöcher, mehr Transparenz in der Tierindustrie sowie unabhängige Kontrollen durch entsprechendes Personal und Videodokumentation in Schlachthöfen.
  • Wir wollen Tierversuche in der EU verbieten und alternative Forschungsmethoden fördern und rechtlich bevorzugen. Es braucht endlich klare Ausstiegspläne in allen Mitgliedstaaten.
  • Der Handel mit Tieren (insbesondere im Internet) muss streng reguliert werden. Wilderei und illegaler Wildtierhandel müssen bekämpft werden. Wir wollen ein Verbot der Herstellung und ein Importverbot von Pelzen.
  • Wir schützen wilde Tiere, indem wir Biotope miteinander verbinden. Durch Tierkorridore reduzieren wir Wildunfälle: Hier helfen zum Beispiel Zäune an Autobahnen und Geschwindigkeitsbegrenzungen.
  • Die Haltungsstandards in Zoos, im Gewerbe und in Haushalten müssen an die Grundbedürfnisse der jeweiligen Tiere angepasst werden. Soziale Tiere sollen nur noch in Ausnahmefällen einzeln gehalten werden dürfen. Wir fordern ein sofortiges Verbot von Delfinarien, Wildtieren in Zirkussen sowie ein Verbot der Tierhaltung auf Jahrmärkten und an ähnlichen Orten.
  • Die EU muss eine Positivliste zur Haltung von Haustieren entwickeln. Die soll exotische Tiere vor der Entnahme aus der Natur schützen. Und sie soll sicherstellen, dass nur Tiere privat gehalten werden, deren Grundbedürfnisse auch erfüllt werden können und die keine Gefahr für die Bevölkerung darstellen (Krankheiten, Prädatoren).
  • Wir streiten für ein Importverbot von Tieren. Ausnahmen gelten nur für Tiere, die nachweislich in Zoos und Aquarien besser geschützt sind als in der Wildnis. Wild gefangene Tiere dürfen nicht in Zootierhandlungen verkauft werden.
  • Die europäischen Naturschutzrichtlinien müssen so reformiert werden, dass die Freizeitjagd begrenzt wird. Die Jagd auf Hunde und Katzen sowie Prädatoren wie Füchse wollen wir untersagen.

Auf Pflanzen, Tiere, Menschen und andere Lebewesen sowie auf ihre Organe, Gene, Gensequenzen und auf Zuchtverfahren dürfen keine Patente angemeldet werden.

Wir erleben einen Epochenbruch. Der Konflikt um die Vorherrschaft in der Welt spitzt sich zu. Eine verschärfte Weltmarktkonkurrenz feuert Konflikte um Märkte und Ressourcen überall an. Das langsame Ende der Vormachtstellung der USA und der Aufstieg Chinas führen überall zu imperialen Spannungen und neuen Stellvertreterkonflikten. Hinzu kommt das Großmachtstreben Russlands. Die NATO-Mitglieder und andere Staaten wie China, Indien und Russland rüsten massiv auf. Davon profitieren vor allem Rüstungskonzerne. Der auf Profitmaximierung beruhende Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.

Reaktionäre Bewegungen sind an vielen Orten auf dem Vormarsch. Die Bedrohung durch den Autoritarismus ist auch in Europa real. Die Gefahren eines Weltkriegs und die Angst vor einer atomaren Eskalation waren seit 70 Jahren nicht so groß wie heute. Das macht deutlich: Eine multipolare Welt braucht internationale Verhandlungsformate und eine neue Sicherheits- und Entspannungspolitik. Doch trägt die EU allzu oft zur Eskalation bei und ist Teil des Machtkampfs großer Mächte, die in verhärteter Konkurrenz zueinanderstehen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat erklärt, dass „wir“ eintreten in eine „Ära regionaler Rivalitäten und großer Mächte, die ihr Verhältnis zueinander neu austarieren“. Deswegen möchte sie die EU zu einem Player im globalen Kampf um Hegemonie aufbauen. Damit steht sie stellvertretend für Regierende und führende Kapitalfraktionen in der EU, die auf wirtschaftliche wie militärische Konfrontation orientieren. Die Handelsstrategien der EU im Indopazifik und in Afrika zeugen von dem Bestreben, wirtschaftliche Einflusssphären und Absatzmärkte zu sichern. Allein in den letzten Jahren wurden die Rüstungsausgaben der europäischen NATO-Mitgliedstaaten von 235 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 310 Milliarden Euro im Jahr 2022 erhöht. Der 2017 geschaffene Europäische Verteidigungsfonds soll den Weg zu einer europäischen Armee ebnen. Er soll mit Milliarden ausgestattet werden. Mit dem „strategischen Kompass“, der auf dem EU-Gipfel im März 2022 verabschiedet wurde, werden rüstungspolitische Vorgaben gemacht, um die EU als zentralen imperialen Akteur in Zeiten einer „Rückkehr der Machtpolitik“ in Stellung zu bringen. Diese Version einer „strategischen Autonomie“ nutzt nicht zuletzt den europäischen Rüstungskonzernen und treibt Europa weiter hinein in Blockkonfrontation und Wettrüsten.

Dafür wurden diverse Instrumente ausgebaut oder neu geschaffen: Die Europäische Friedensfazilität ist zu einem wichtigen Topf geworden, um Waffenlieferungen zu finanzieren. Ihr Budget wurde von 5,7 Milliarden Euro auf – vorläufig – 12 Milliarden Euro erhöht. Außerdem fördert das im September 2023 vom EU-Parlament beschlossene „Instrument zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung“ (EDIRPA) den länderübergreifenden Ankauf von Rüstungsgütern mit vorerst 300 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt. Damit ist die Zivilmacht Europa einen weiten Weg gegangen: Die Forschung und Entwicklung von Rüstungsgütern, der Einkauf und die Produktion, alles wird inzwischen über den EU-Haushalt mitfinanziert. Der gegenwärtige Krieg ist ein Riesengeschäft für die Rüstungsindustrie.

Die Linke setzt dagegen auf Deeskalation, globale Gerechtigkeit und zivile Konfliktlösung, um der sich zuspitzenden Blockkonfrontation eine friedliche Alternative entgegenzustellen. Das meint eine Politik, die nicht der Logik des Militärischen folgt, die die Bedrohung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit von innen und außen ernst nimmt, aber grenzübergreifend Ausgleich, Abrüstung und sozialer Gerechtigkeit verpflichtet ist. Eine Entspannungspolitik, die internationales Recht und den Weg der Diplomatie und Verhandlung stärkt. Die endlich die Fluchtursachen bekämpft – nicht die Geflüchteten. Die solidarischen Handel und gemeinsame Entwicklung stärkt, statt Standortkonkurrenz und neokoloniale Ausbeutung zu verschärfen. Die jene Menschen, Organisationen, Gewerkschaften und Bewegungen unterstützt, die für Demokratie und Gerechtigkeit eintreten, anstatt weiter Deals mit Diktatoren zu machen. Die dafür sorgt, dass die EU nicht ein Treiber des Wettrüstens bleibt, sondern eine Friedensunion wird.

Das kann gelingen mit einem neuen Internationalismus, der ohne Doppelstandards Völkerrecht und Menschenrechte achtet – und überall für Gerechtigkeit, Kooperation und Demokratie eintritt. Für uns heißt Internationalismus Solidarität mit den Menschen, Bewegungen, Gewerkschaften, Organisationen, Parteien und Regierungen, die sich für einen eigenständigen Entwicklungsweg jenseits kapitalistischer Profitlogik und gegen imperialistisches Hegemoniestreben einsetzen. Denn Rosa Luxemburgs Alternative „Sozialismus oder Barbarei“ wird immer aktueller. Die Linke ist als internationalistische Partei Teil der weltweiten Bewegung für eine friedliche und gerechte Welt, gegen Imperialismus und Krieg, gegen Faschismus und Rassismus, gegen Ausbeutung, Unterdrückung, Armut und Umweltzerstörung. Die Grenzen verlaufen zwischen oben und unten, unser Kampf für Gerechtigkeit ist universell. Es braucht weltweit soziale Gerechtigkeit, eine klimagerechte Wirtschaft und Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und handlungsfähige internationale Strukturen. Wir streiten daher für eine EU, die weder Spielball noch imperialer Akteur in der neuen Welt(un)ordnung ist. Für eine EU, die sich strategisch unabhängig vom Rüstungswettlauf und der Blockkonfrontation zwischen den USA auf der einen und China und Russland auf der anderen Seite macht. Eine EU, die dem Frieden und der globalen Gerechtigkeit verpflichtet ist.

Wir verstehen uns als aktiver Teil der Friedensbewegung. Wir wollen die Friedensbewegung stärken und aufbauen. Gemeinsam mit Aktivist*innen, Bewegungen und Gewerkschafter*innen wollen wir Druck machen für eine Politik, die die Menschen in den Mittelpunkt stellt. Daher verweigern wir uns der Einteilung der Welt in die Einflusssphären von Großmächten. Deswegen wollen wir mit der Politik des militärischen Tunnelblicks in der EU brechen und treten für zivile Alternativen weltweit ein. Deswegen lehnen wir Waffenexporte und das Geschäft mit Waffen, Zerstörung und Tod ab. Deswegen stellen wir uns überall gegen Großmachtpolitik und imperiale Vorherrschaft. Deswegen gehören für uns Sicherheit und soziale Gerechtigkeit zusammen. Deswegen bilden das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen für uns den Rahmen der internationalen Beziehungen. Deswegen stehen wir dafür ein, dass Krieg kein Mittel der Politik sein darf. Deswegen ist Die Linke die Friedenspartei.

Gegen den russischen Angriffskrieg – für Frieden in der Ukraine

Wir verurteilen den verbrecherischen Angriffskrieg der Russischen Föderation. Wir verurteilen die Kriegsverbrechen und setzen uns für eine Bestrafung der Verantwortlichen ein.

Dabei vergessen wir nicht, dass der Angriffskrieg Putins auch eine Vorgeschichte hat, in der der Westen mit der NATO-Osterweiterung die Krise zugespitzt hat. Unsere Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine und allen, die unter dem Krieg leiden, Widerstand leisten oder fliehen müssen. Und sie gehört allen in der Region, die sich gegen den Krieg stellen, den Kriegsdienst verweigern oder desertieren und dafür verfolgt werden. Sie gilt denen, die sich weltweit gegen den Krieg stellen und die Menschen auf der Flucht unterstützen. Wir fühlen uns mit ihnen verbunden. Wir betonen das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung und das Recht auf Asyl für alle Kriegsdienstverweigerer*innen und Deserteur*innen. Es ist unteilbar und gilt für alle, sei es in Russland oder der Ukraine. Der Krieg gegen die Ukraine muss sofort beendet und die russischen Truppen müssen aus der Ukraine zurückgezogen werden. Wer angegriffen wird, besitzt das Recht der Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta der UN. Die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine in gesicherten Grenzen müssen wiederhergestellt werden. Legitime Sicherheitsinteressen der Ukraine und Russlands sowie die Rechte nationaler Minderheiten müssen angemessen berücksichtigt werden. Dabei ist klar: Es braucht mehr als Appelle. Putins imperialistische Aggression muss aufgehalten werden.

Gleichzeitig darf der Westen nicht weiter mit Eskalation und Aufrüstung darauf reagieren, dass die globale Vorherrschaft der Führungsmacht USA zurückgeht. Wir stehen für eine Politik, die Demokratie, Frieden und Völkerrecht mit zivilen Mitteln verteidigt und Alternativen zur militärischen Logik stark macht. Wir fordern einen schnellen Waffenstillstand ohne Vorbedingungen, der den Weg zu ernsthaften Friedensverhandlungen freimacht. Statt immer mehr Waffen in einen schon viel zu lang andauernden Abnutzungskrieg zu liefern und das Risiko einer weiteren Eskalation in Kauf zu nehmen, müssen die nichtmilitärischen Möglichkeiten endlich umfassend genutzt werden. Wir setzen uns für die Stärkung der Antikriegsbewegung beim Aggressor Russland, in der Ukraine und weltweit ein.

  • Bundesregierung und EU müssen endlich alle Anstrengungen unternehmen und – auch gegen den Willen der USA – Initiativen zahlreicher Länder wie China, Indien und Brasilien aufgreifen und diplomatischen Druck auf Russland ausüben. Waffenstillstandsverhandlungen auf Einladung der UN und die Berücksichtigung bestehender Verhandlungsinitiativen sind nötig, selbst wenn diese noch nicht hinreichend sind.
  • Gezielte Sanktionen müssen sich gegen Putins Machtapparat, die Oligarch*innen und den militärisch-industriellen Komplex und damit gegen die Fähigkeit zur Kriegsführung richten. Sanktionen müssen klar definierte Ziele haben und enden, wenn diese erfüllt sind. Sanktionen, die sich vor allem gegen die Bevölkerung richten oder zur Verarmung im Globalen Süden beitragen, lehnen wir ab.
  • Bundesregierung und EU müssen ihrer Verantwortung für die Enteignung von Vermögenswerten russischer Oligarch*innen im nationalen und europäischen Rahmen nachkommen. Ein Transparenzgesetz, das die Verschleierung von Vermögen erschwert, ist dringend notwendig. Die Einrichtung eines internationalen Finanzregisters, wie von Thomas Piketty gefordert, ist notwendig und überfällig. Außerdem braucht es ein zentrales, transparentes Immobilienregister.
  • Die Linke setzt sich für Sanktionen gegen den russischen Atomsektor ein.
  • Widerstand gegen Militarismus und Nationalismus überall!
  • Unterstützung des Widerstandes in Russland gegen Krieg und Diktatur!
  • Kriegsdienstverweigerer*innen und Deserteur*innen beider Kriegsparteien müssen das Recht auf Asyl erhalten und unbürokratisch anerkannt werden.
  • Wir fordern einen Schuldenschnitt für die Ukraine, um einen Wiederaufbau nach dem Krieg zu ermöglichen. Der Ausverkauf des Landes an westliche Konzerne und die Abhängigkeit der Ukraine von Kreditgeber*innen und Finanzinvestor*innen wie Blackrock muss gestoppt werden.
  • Russland ist mehr als Putin! Wir stehen gegen Stimmungsmache gegen Russ*innen und russischsprachige Menschen hierzulande ein und unterstützen progressive Kräfte in Russland.
  • Osteuropa besteht heute aus einer Vielzahl unabhängiger Staaten, die das Recht haben, über ihre Entwicklung souverän zu entscheiden. Wir wollen zivilgesellschaftliche Beziehungen in alle diese Länder erhalten, um uns dem wachsenden Nationalismus entgegenzustellen.
  • Geflüchtete müssen unabhängig von ihrer Herkunft schneller und unbürokratischer aufgenommen werden. Dass das möglich ist, sieht man am Umgang mit den Geflüchteten aus der Ukraine. Dieser Umgang muss für alle Geflüchteten gelten.

Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Geflüchteten soll das Ankommen erleichtert werden, indem sie schnell dezentral untergebracht werden. (Siehe Kapitel 5, „Die Grenzen der Demokratie: Keine Festung Europa“)

Militärbündnisse wie die NATO geben vor, mehr „Sicherheit“ für ihre Mitglieder zu schaffen, indem Gewaltpotenziale gebündelt werden. Insbesondere die Vereinbarungen zur Aufrüstung sorgen jedoch für mehr Unsicherheit und führen zu einem Sicherheitsdilemma: Andere Länder stocken ebenfalls ihre Rüstungshaushalte auf. Statt Geld in Sozialpolitik zu stecken, gehen Milliarden an Rüstungsunternehmen.

Während vonseiten der NATO oft von einem Verteidigungsbündnis gesprochen wird, sieht die Bilanz anders aus. Vom Kosovokrieg über den Irak bis zum „War on Terror“: Oft haben im Westen kurzfristige Profitinteressen in der Handelspolitik und imperiale Ambitionen der NATO und ihrer Verbündeten triumphiert. Auch aktuell missachten NATO-Staaten wie die Türkei oder die USA und ihre Verbündeten wie Saudi-Arabien systematisch Völkerrecht und Menschenrechte. Die NATO ist keine „Wertegemeinschaft“.

Auch die neue Sicherheitsstrategie der Bundesregierung und entsprechende Konzepte der EU bleiben dem Vorrang „militärischer Sicherheit“ und der Unterordnung unter die NATO verhaftet. Doch militärische Aufrüstung schafft nur scheinbar mehr Sicherheit, tatsächlich erhöht sie die Gefahr gewalttätiger Konfrontation. Einige EU-Staaten beteiligen sich mit ihren Streitkräften inzwischen sogar an der Eskalation zwischen den USA und China. Das ist brandgefährlich. Wir wollen raus aus dieser Spirale. Denn fast alle Staaten auf der Welt rüsten auf – und ein Ende ist nicht in Sicht.

Im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine hat die Ampelregierung mit den Stimmen der CDU und der AfD-Opposition ein Sondervermögen zum Bundeshaushalt von über 100 Milliarden Euro beschlossen. Damit will die Bundesrepublik über Nacht das Ziel der NATO übererfüllen, 2 Prozent des Bruttoninlandsproduktes für Militär und Rüstung auszugeben. Aufrüstung bekommt – gegen das Friedensgebot des Grundgesetzes – Verfassungsrang. Eine weit größere Steigerung des Rüstungshaushalts ist geplant. Dazu kommen die Aufrüstung und die Militarisierung der EU.

Insgesamt sind in ihrem aktuellen Finanzrahmen bis zu 46 Milliarden Euro öffentliche Investitionen für Rüstung und militärisch relevante Forschungsprojekte vorgesehen. Die von EU-Kommission und Bundesregierung verfolgte Version einer „strategischen Autonomie“ soll der EU vor allem die Möglichkeit geben, militärisch global zu agieren. Die „Zeitenwende“ hin zu einem neuen Rüstungswettlauf bedeutet, dass Ressourcen vom Kampf für Klimaschutz, bessere Bildung, Entwicklungszusammenarbeit und soziale Sicherheit verschoben werden zu (noch) mehr Militär. Diese Politik treibt eine Aufrüstungsspirale an, die keinesfalls mehr Sicherheit in Europa schafft. Denn das Militär in der EU ist nicht unterfinanziert. Die Rüstungsausgaben der EU-Staaten umfassen bereits ein Vielfaches der Rüstungsausgaben Russlands. Wir streiten für eine EU, die strategisch unabhängig ist, aber für Frieden, Verhandlungen und Abrüstung eintritt. Wir wollen daher eine Sicherheitsstrategie für Europa, die nachhaltig Sicherheit schafft, ohne weiter zu eskalieren und den Rüstungswettlauf anzutreiben, und die zugleich international wieder eine Perspektive für Abrüstung und Deeskalation eröffnet.

  • Stopp der Aufrüstung und keine militärischen Auslandseinsätze, stattdessen gegenseitige Sicherheit, Abrüstung, strukturelle Nichtangriffsfähigkeit und den Umbau der Streitkräfte auf der Basis strikter Defensivpotenziale. Die riesigen Schlupflöcher in den EU-Rüstungsexportrichtlinien müssen geschlossen und Sanktionen für Verstöße geschaffen werden. Die Bundeswehr muss aus allen Auslandeinsätzen zurückgeholt werden. Sie darf jenseits notwendiger Katastrophenhilfe nicht im Innern eingesetzt werden. Die Notstandsgesetze, die den Einsatz der Bundeswehr im Inneren vorsehen und ermöglichen, müssen aufgehoben werden.
  • Stopp der Militarisierung der EU! Keine EU-Armee und Auflösung der EU-Battlegroups sowie der „Verteidigungsagentur“ und des Verteidigungsfonds der EU. Die geplanten Rüstungshaushalte EVF, EFF und die Ausgaben für „Militärische Mobilität“ und PESCO wollen wir in Investitionen für sozialökologischen Umbau und Energieunabhängigkeit umwidmen.
  • Das Prinzip der Parlamentsarmee darf nicht aufgeweicht werden, über Einsätze der Bundeswehr muss weiter der Bundestag entscheiden.
  • Wir werden keiner Veränderung der EU-Verträge zustimmen, die Schritte zu einer weiteren Militarisierung der EU umfassen.
  • Die Verträge der EU müssen geändert werden: Die Aufrüstungsverpflichtung für die Mitgliedstaaten schreibt Militarisierung in die Grundlagen der EU. Sie muss überwunden werden.
  • Wir wollen die Streitkräfte in Europa abrüsten. Es braucht eine konventionelle Rüstungskontrolle in Europa nach dem Vorbild des A-KSE-Vertrags (Angepasster Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa).
  • Die EU darf nicht Teil von Konfrontation und Eskalation sein! Daher müssen unnötige Provokationen wie das Großmanöver „Air Defender“ oder eine dauerhafte Stationierung von deutschen Kampftruppen an der russischen Grenze unterbleiben.
  • Auch wenn es aufgrund des russischen Angriffskrieges gerade schwer vorstellbar ist: Langfristig braucht es die Perspektive eines kollektiven Sicherheitssystems in Europa. Wir wollen dafür eine Wiederbelebung der OSZE und ihre Weiterentwicklung als OSZE 2.0 zur zentralen Struktur für eine nachhaltige Friedens- und Sicherheitsordnung.
  • Wir wollen ein Europa ohne Massenvernichtungswaffen. Die EU muss dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten und sich für eine Wiederauflage des Vertrags über Abrüstung und Vernichtung von Mittel- und Kurzstreckenraketen in ganz Europa einsetzen. Verhandlungen zwischen NATO und Russland über die Eliminierung taktischer Atomwaffen vom Atlantik bis zum Ural sind dringend geboten. Ziel muss die Beseitigung aller Atomwaffen sein.
  • Wir wollen die US-Militärbasen in der EU schließen, da diese Aufmarschorte der Blockkonfrontation sind und für völkerrechtswidrige Kriege, gezielte Tötung durch Drohnenangriffe, extralegale Inhaftierung, die Stationierung und Lagerung von Atomwaffen und geheimdienstliche Überwachung weltweit benutzt werden.
  • Keine Sicherheit ohne soziale Sicherheit! Keine Fake-News-Kampagne hat so viel zur Destabilisierung der EU beigetragen wie die jahrelange, von verschiedenen Bundesregierungen vorangetriebene Kürzungspolitik. Statt einer Neuauflage der Austeritätspolitik braucht ein stabiles Europa massive öffentliche Investitionen in Soziales, Bildung, Gesundheit und den klimagerechten Umbau.
  • Die EU muss zivile Konfliktlösungskapazitäten, internationalen Katastrophenschutz und Entwicklungszusammenarbeit stärken. Wir wollen einen zivilen europäischen Friedensdienst gründen und zivile Strukturen für internationalen Katastrophenschutz aufbauen. Zivil-militärische Kooperationen lehnen wir ab – zivile Hilfe darf nicht an militärische Maßnahmen geknüpft werden.

Kein Geschäft mit Tod und Zerstörung! Rüstungsexporte stoppen

Kriege werden mit Waffen geführt und verursachen millionenfaches Leid, aber viele Rüstungskonzerne und ihre Anteilseigner verdienen damit ein Vermögen. Sie haben ein Interesse an wachsenden Profiten und kein Interesse an einem schnellen Ende der Gewalt. Um glaubhaft internationaler Player sein zu können, setzt die EU auf starke einheimische Rüstungsindustrien in den EU-Staaten. Ohne umfassende Rüstungsexporte ist dies nicht möglich. Aber eine Gesellschaft, in der das Geschäft mit dem Tod wächst, ist nicht friedlich. Wir stehen dagegen für eine andere Perspektive: Statt immer mehr Waffen wollen wir eine Wirtschaft, die nützliche Güter für die Menschen herstellt und ihre Ressourcen zur Lösung gemeinsamer Herausforderungen nutzt.

  • Das Geschäft mit dem Tod lehnen wir ab. Wir wollen keine Waffen und Rüstungsgüter in Krisen- und Kriegsgebiete liefern. Denn jede Waffe findet ihren Krieg, manche sogar mehrere. Die Linke fordert daher ein gesetzliches Verbot von Rüstungsexporten. Bis das erreicht ist, dürfen Rüstungsexporte nicht mehr mit Steuergeldern und Hermesbürgschaften unterstützt werden.
  • Wir wollen den militärisch-industriellen Komplex in Europa nicht weiter aus-, sondern zurückbauen und auf gesellschaftlich sinnvolle Produktion umstellen. Rüstungskonversion ist machbar: Gemeinsam mit gesellschaftlichen Partner*innen aus Gewerkschaften, Friedensbewegung und Kirchen wollen wir Konversionsprogramme für und mit den Beschäftigten in der Rüstungsindustrie entwickeln, um neue, zivile Arbeitsplätze zu schaffen.
  • Wir treten für die Ächtung der Entwicklung, Produktion und Verwendung vollautonomer Waffen ein. Die Bundesregierung muss dafür eine internationale Initiative starten.
  • Wir lehnen die Entwicklung einer bewaffneten Eurodrohne ab, ebenso wie das Future Combat Air System und ähnliche gemeinsame Rüstungsprojekte. Die EU muss einen ersten Schritt tun und sich international für eine völkerrechtlich bindende Ächtung von bewaffneten Drohnen einsetzen.
  • Wir fordern ein EU-weites Exportverbot von biologischen beziehungsweise chemischen Dual-Use-Gütern an Staaten, die die jeweilige Konvention zum Verbot biologischer oder chemischer Waffen nicht unterzeichnet und ratifiziert haben.
  • Investitionen in die Zukunft statt Profite für Rüstungskonzerne! Große Aufgaben liegen beim CO2-neutralen Umbau unserer Wirtschaft vor uns. Dafür wollen wir die nötigen Investitionen mobilisieren und Rüstungsausgaben umwidmen.

Gute Nachbarschaft: Menschenrechte verteidigen

Die Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik wird von der EU-Kommission oft auf kurzfristige und bornierte energie- und migrationspolitische „Lösungen“ verkürzt. Dabei ist eine friedliche, kooperative und umfassende Nachbarschaftspolitik, die eine wachsende wirtschaftliche Zusammenarbeit, Rechtsstaatsdiskurse und Kulturaustausch einschließt, Teil des erklärten Selbstverständnisses der EU. Die Linke steht für eine Nachbarschaftspolitik, die Kooperation, wirtschaftliche Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil, den Schutz der Menschenrechte, interkulturellen Dialog und demokratische Entwicklungen fördert. Während Bundesregierung und EU-Kommission gern von Menschenrechten und feministischer Außenpolitik reden, ist die Realität eine völlig andere. Militär und Polizei verschmelzen zunehmend, insbesondere an den von Frontex bewachten Außengrenzen der EU. Die Militarisierung der EU-Außengrenzen und die militärische „Unterstützung“ von Drittstaaten zur Vorverlagerung der europäischen Grenzen zum Zweck der Migrationsabwehr sind brutal, inhuman und verletzen massiv die Charta der Europäischen Grundrechte. Das destabilisiert die Gesellschaften. Die Kooperation mit autoritären Staaten zur Abschottung der EU vor Geflüchteten schafft selbst neue Unsicherheiten. Das schadet auch der Demokratie in Europa – in einer Festung kann sich keine Demokratie entwickeln. Abschottung ist inzwischen selbst zu einem großen Geschäftszweig geworden, mit Überwachung und „Sicherheitstechnik“ werden riesige Profite erzielt. Auch die Abhängigkeit der europäischen Energieversorgung von fossilen Diktaturen (früher Russland, heute Katar) schadet dem weltweiten Klima, unserer Demokratie hier und den Menschen vor Ort. Zudem exportiert die EU über Beitritts- und Assoziierungsabkommen sowie über ihre Handelspolitik Kürzungs- und Privatisierungspolitik in ihre Nachbarschaft. Das muss sich ändern.

  • Das Sterben stoppen – die europäischen Grenzen müssen entmilitarisiert werden! Drohneneinsätze, Stacheldraht, Pushbacks, Mauern und andere Maßnahmen zur Abschottung vor Geflüchteten lehnen wir ab. (Siehe Kapitel 5, „Menschen retten: Legale Fluchtwege“)
  • Die Unterstützung für und Kooperation mit NATO-Staaten und ihren Verbündeten, die – wie die Türkei unter dem Regime von Recep Tayyip Erdoğan oder Saudi-Arabien im brutalen Krieg im Jemen – das Völkerrecht missachten, müssen umgehend gestoppt werden.
  • Wir fordern die EU auf, ihr Verhältnis zum NATO-Mitglied und privilegiertem EU-Partner Türkei neu auszurichten. Der Beitrittsprozess wird von Präsident Erdoğan nicht mehr verfolgt. Die EU bindet sich durch den Flüchtlingsdeal des Europäischen Rates an das AKP-Regime und schaut bei den innen- und außenpolitischen Repressionen der türkischen Regierung sowie ihrem geopolitischen Eingreifen im Südkaukasus regelmäßig weg.
  • Wir fordern ein Ende der Beteiligung an internationalen Polizei- und Geheimdiensteinsätzen oder Ausbildungsmissionen, die der Unterstützung autoritärer Regime, wie in Ägypten, Tunesien, Saudi-Arabien, Libyen oder Marokko, dienen.
  • Wir lehnen es ab, dass autoritäre Regierungen oppositionelle Bewegungen und Organisationen kriminalisieren und dass die EU aus opportunistischen Gründen diese Kriminalisierung nachvollzieht. Die PKK muss endlich von der „Terrorliste“ der EU gestrichen werden.
  • Wir fordern, dass der Einsatz militärischer Sicherheits- und Söldnerfirmen in der EU verboten wird.
  • Es braucht massive Investitionen in erneuerbare Energien in ganz Europa und den EU-Nachbarstaaten von Nordafrika bis Asien! Das hilft Demokratien und ihre Wirtschaft langfristig unabhängig von fossilen Diktaturen zu machen.
  • Wir wollen die Zivilgesellschaft fördern, statt Deals mit Diktatoren und Warlords zur Abschottung vor Geflüchteten schließen! Deswegen unterstützen wir fortschrittliche Bewegungen und die Zivilgesellschaft von Kurdistan über den Sudan bis in die Westsahara.
  • Eine nachhaltige Friedensordnung und kollektive Sicherheit brauchen ein stabiles ökonomisches Fundament. Nötig ist daher eine solidarische Nachbarschafts- und Handelspolitik, die vor Ort investiert und an die Einhaltung von demokratischen, sozialen und rechtlichen Standards gebunden ist.
  • EU-Erweiterung an soziale und demokratische Standards knüpfen! Eine EU-Mitgliedschaft muss an soziale, rechtsstaatliche und demokratische Entwicklungsindikatoren vor Ort gebunden werden und darf weder politische Verhandlungsmasse für die geostrategischen Interessen von NATO und USA sein noch an Kürzungs- und Privatisierungsauflagen gekoppelt werden.
  • Die EU hat in der Erweiterungspolitik ihren Kompass verloren: bei der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, insbesondere der Förderung rechtsstaatlicher Prozesse in den Kandidatenländern, dem Kampf gegen den Klimawandel und für soziale Teilhabe. Stattdessen wird ein politisch instrumentelles, rein ökonomisches Interesse an der Zusammenarbeit mit diesen Nachbarstaaten der EU verfolgt.
  • Regime wie Aserbaidschan dürfen nicht länger unterstützt werden, solange sie eine ganze Region destabilisieren und der eigenen wie der armenischen Bevölkerung gegenüber kriegerisch, repressiv und völkerrechtswidrig auftreten. Zudem muss die EU sich in diesem Zusammenhang gegen die Politik der Türkei in Aserbaidschan stellen.
  • Die Linke wird sich gegen eine ausschließlich ökonomisch intendierte, interessengeleitete Erweiterungspolitik einsetzen, die letztlich den europäischen Binnenmarkt abschottet.

Demokratisierung und Rechtsstaatsdiskurse sollten von den NGOs und Zivilgesellschaften, von der kritischen Opposition in den Kandidatenländern mitbestimmt werden. Medienfreiheit, Bildung und Teilhabe an europäischer Öffentlichkeit der Nachbarstaaten und Beitrittskandidaten müssen umfassend durch europäische Förderprogramme unterstützt werden.

Das Völkerrecht und die Charta der UN sind der Rahmen, um Konflikte friedlich auszutragen. Beim internationalen Recht darf es keine Doppelstandards geben – im Gegenteil: Wir brauchen mehr internationale Kooperation zwischen Staaten und grenzübergreifende Rechte für die Menschen. Wir wollen daher internationales Recht stärken und Verstöße überall ahnden.

  • Wir wollen Menschenrechte global durchsetzen, dafür müssen die internationale Gerichtsbarkeit gestärkt und Doppelstandards überwunden werden. Auch Staaten wie die USA und Russland müssen sich verantworten.
  • Völker- und menschenrechtliche Konventionen gelten auch für die EU und ihre Verbündeten! Der Debatte über eine Lieferung von geächteten Waffen in Ausnahmefällen (wie Streumunition) erteilen wir eine klare Absage. Kein Zweck heiligt diese Mittel!
  • Die EU muss sich überall für die Freilassung politischer Gefangener einsetzen. Wir sind solidarisch mit verfolgten Whistleblowern wie Edward Snowden und Journalisten wie Julian Assange, die Kriegsverbrechen und rechtswidrige Überwachung der USA öffentlich gemacht haben.
  • Wir fordern, dass das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung in allen Staaten geachtet wird.
  • Die EU muss den Fokus auf zivile Friedensmaßnahmen wie die Einbindung von Fraueninitiativen, Ausbildungsprogramme, Einsammeln von Schusswaffen und auf zivile Vermittler richten. Die für den zivilen Friedensdienst zur Verfügung gestellten Mittel müssen systematisch erhöht werden.
  • International bereits bewährte Instrumente wie unbewaffnetes ziviles Peacekeeping müssen gefördert werden.

Sicherheit geht anders: Vereinte Nationen stärken ...

Die Linke streitet für eine friedliche EU, die nicht an der Konkurrenz der militärischen Pole teilhat, sondern eine ausgleichende Rolle einnimmt. Multilateralismus meint die kooperative und gleichberechtigte Zusammenarbeit mehrerer Staaten zur Lösung gemeinsamer Probleme. Eine multipolare Weltordnung bedarf der Einhegung durch multilaterale Strukturen.

Am Ende der Blockkonfrontation von NATO und Warschauer Pakt hätte es die Möglichkeit gegeben, den Weg freizumachen für ein kollektives Sicherheitsbündnis, das nicht zu Unsicherheit für andere führt. Diese Gelegenheit ist verpasst worden. Die Entwicklung seitdem zeigt nicht, dass dieser Weg unmöglich war, sondern dass er notwendig gewesen wäre. Stattdessen wurden mit der Erweiterung der NATO internationale Spannungen geschürt.

Es bleibt die Herausforderung, eine globale Friedensordnung zu schaffen, die möglichst alle Staaten umfasst. Auch deshalb bedarf es eines Endes der russischen Aggression und eines gerechten Friedens in der Ukraine. Dauerhaften Frieden in einer krisengeschüttelten Welt kann es nur mit Abrüstung und Deeskalation geben. Statt Wettrüsten braucht es stärkere Kooperation für neue Sicherheits- und Abrüstungsverträge und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung. Unser Ziel ist die Überwindung aller Militärbündnisse (wie NATO, OVKS, AUKUS im südpazifischen Raum) durch einen Prozess hin zu einer globalen Friedensordnung. Die multipolare Weltordnung mit ihren verschiedenen imperialen Machtzentren braucht eine neue Friedensordnung, die das Völkerrecht und die Organisationen des Völkerrechts in den Mittelpunkt stellt.

Das System der Vereinten Nationen (UN) umfasst fast alle Staaten der Erde, es ist der akzeptierte Rahmen für die Überwindung des Sicherheitsdilemmas. Die Charta der UN verankert die Gleichheit der Nationen, ihre Souveränität und das Verbot von Angriffskriegen sowie das Friedensgebot. Dazu gehört das auch von NATO-Staaten immer wieder unterlaufene Interventionsverbot.

Für Die Linke stellen die UN den Ansatzpunkt für die Staaten der EU dar, eine gemeinsame zivile Außenpolitik praktisch zu organisieren und global Sicherheit zu schaffen. Wir reduzieren Sicherheit nicht auf Militär und Gewalt, sondern nehmen die tieferliegenden Ursachen von Unsicherheit in den Blick: Fehlende soziale Sicherheit resultiert oft aus ökonomischen Interessen. Die Macht zwischen dem Globalen Norden und Süden ist auch im System der UN ungleich verteilt. Dennoch sind die Institutionen und Unterorganisationen der UN inklusiver und transparenter als alle informellen Zusammenschlüsse mächtiger Staaten wie die G20 oder die G7. Bis heute spielen Institutionen wie der Internationale Währungsfonds oder die Weltbank eine wichtige Rolle bei der Entwicklung globaler Wirtschafts- und Handelspolitik. Jahrzehntelang agierten sie als Hebel für Privatisierungen und Kürzungen. Wir wollen dagegen die UN und ihre entsprechenden internationalen Institutionen stärken und sie zu Foren für soziale Entwicklung machen.

  • Wir wollen die UN aufwerten und zu dem internationalen Ort machen, an dem verfeindete Staaten niedrigschwellig in Dialog treten. Entspannungspolitik kann es nur unter denen geben, die miteinander Konflikte haben.
  • Über die UN muss eine globale Abrüstungsinitiative angestoßen werden, in der für alle Mitgliedstaaten verbindliche Abrüstungsziele festgelegt werden.
  • Wir wollen einen Ausgleich ökonomischer Interessen im Nord-Süd-Verhältnis erreichen. Die Unterorganisationen der UN haben erhebliches Wissen, das für die Entwicklung einer gerechten Welthandelspolitik genutzt werden muss.
  • Wir wollen Fragen des Welthandels verstärkt in die UN holen. So können sie angemessen mit sozialen, entwicklungs- und umweltpolitischen Zielen verknüpft werden – und die UN-Nachhaltigkeitsziele können mit Leben erfüllt werden.
  • Wir fordern eine vierte Konferenz für Entwicklungsfinanzierung unter Federführung des Wirtschafts- und Sozialrates der UN (ECOSOC), um strukturelle Probleme der Wirtschaftspolitik in Finanzregulierung, Schulden, Steuern, Handel und Technologie anzugehen.

... und demokratisieren!

Dabei treten wir für eine demokratische Reform der UN ein, nur so kann sie nachhaltig gestärkt werden. Denn auch die UN bedarf dringend der Veränderung. Der UN-Sicherheitsrat ist aufgrund der Konflikte zwischen den Großmächten häufig blockiert. Die fünf ständigen Mitglieder nehmen im System der UN zugleich eine derart privilegierte Rolle ein, dass sie die Charta der UN de facto immer wieder brechen können. Dies galt für die USA im Irak wie heute für Russland in der Ukraine. Als Union von 27 Staaten hat die EU in der Vollversammlung ebenso viele Stimmen, dieses Gewicht gilt es endlich gemeinsam mit anderen Staaten zu nutzen.

  • Die UN-Generalversammlung muss gegenüber dem Sicherheitsrat gestärkt werden und das Recht erhalten, mit qualifizierter Mehrheit ein Veto eines Sicherheitsratsmitglieds zu überstimmen. Die Forderung nach einem ständigen Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat lehnen wir ab.
  • Den Ländern des Globalen Südens muss mehr Mitspracherecht eingeräumt und eine aktivere Rolle bei der Bekämpfung der drängendsten Probleme der Welt zugestanden werden.
  • Humanitäre Hilfe ist keine Verhandlungssache! Immer wieder wird der UN-Sicherheitsrat durch die Einzelinteressen der Großmächte blockiert, selbst in humanitären Fragen. Das zeigt sich zum Beispiel in Syrien und hat fatale Auswirkungen für viele Menschen. Wir wollen eine von einzelnen Mitgliedstaaten unabhängige UN-Instanz schaffen, die Hilfslieferungen in Konfliktregionen ermöglicht, ohne die Zustimmung des Sicherheitsrates zu benötigen.
  • Die Sonderorganisationen der UN, wie das Welternährungsprogramm (WFP), die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) oder das Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), sind aufgrund von Unterfinanzierung nicht in der Lage, den Krisen angemessen zu begegnen. Die reichen Mitgliedsländer müssen endlich ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen und die Finanzierungslücke schließen. Im Fall des UNHCR geht es nur um einen Bruchteil der deutschen Rüstungsausgaben.
  • Um den Einfluss privater Akteure zurückzudrängen, wollen wir die Basisbeiträge für die UN anheben, insbesondere für die reichen Länder.

Sozial gerecht weltweit

Immer noch profitieren der Westen und die EU-Länder von ungerechten Handelsbeziehungen, die auf Jahrhunderten des Kolonialismus aufbauen. Die Industrieländer erhalten günstig Rohstoffe und liefern industriell hergestellte Waren. Außerdem nutzen sie das niedrige Lohnniveau der Länder des Globalen Südens für eigene Zwecke aus. Für diese Länder bedeutet dies eine Zementierung der Armut. Sie sollten stattdessen in die Lage versetzt werden, Rohstoffe selbst zu verarbeiten und den wirtschaftlichen Aufbau ihrer Länder zu schützen. Oft sind die Arbeitsbedingungen am Ende der europäischen Lieferketten brutal. Das hat fatale Auswirkungen für Milliarden Menschen: Die weltweite Hungerkrise, ausgelöst durch die Folgen des Klimawandels, durch Ausbeutung und ungleiche Verteilung von Ressourcen, bedroht weltweit Millionen Menschen. Um Ressourcen wie seltene Erden, die für die Digitalisierung und den klimagerechten Umbau entscheidend sind, ist längst ein weltweiter Konkurrenzkampf entbrannt. Bei der Suche nach Energiealternativen droht für Staaten des Globalen Südens ein „grüner Kolonialismus“. Der Streit um ukrainische Getreideexporte hat gezeigt, wie fragil die Ernährungsversorgung in weiten Teilen der Welt ist. Wichtige Entscheidungen der globalen Wirtschaftspolitik werden von exklusiven Gruppen wie Paris Group, G7 oder G20 getroffen. Mit dem „Splitting“, also das Freihandelsabkommen ohne Zustimmung der Mitgliedsländer und ihrer Parlamente durchgesetzt werden, werden demokratische Mehrheiten ausgehebelt.

Entwicklungsprogramme des Globalen Nordens wie die Afrika-Strategie der EU dienen eher den ökonomischen Interessen und dem Einfluss seiner Eliten und großer Konzerne. Oft legitimieren sie bestehende Ungleichheiten, ohne für eine spürbare Verbesserung der Situation in den Ländern des Südens zu sorgen. Es ist daher kein Wunder, dass die Kritik an der Politik von EU und USA inzwischen weltweit wächst. Dagegen würde eine EU, die in unserer multipolaren Welt inklusive Lösungen verhandelt, auch an diplomatischem Gewicht gewinnen. Ein multilateraler Ausgleich von Interessen umfasst dabei auch Fragen von Ökonomie und Entwicklung.

Die Zusammenarbeit zwischen den Ländern des Nordens und den Ländern des Südens muss fair, ökologisch gerecht und auf der Grundlage demokratischer Prinzipien gestaltet werden. Globale Ungleichheiten müssen endlich durch inklusive Foren angegangen werden. Wir begrüßen deshalb Initiativen innerhalb der UN, die allen betroffenen Ländern eine Stimme geben, wie das Forum UN Financing for Development und die Vorschläge für eine neue globale Steuerkonvention. Auch die Gipfeltreffen der G77-Staaten sind in dieser Hinsicht von großer Bedeutung. Die Nachhaltigkeitsziele der UN (Agenda 2030) haben die Weltgemeinschaft auf Ziele verpflichtet, die zentraler Bestandteil einer auf Kooperation setzenden Politik mit den Ländern des Globalen Südens sein müssen. Aktuell ist das Erreichen der Agenda-2030-Ziele hochgradig gefährdet. Auch ein Überschreiten des 1,5-Grad-Zieles des Pariser Klimaabkommens wird für die Länder des Globalen Südens katastrophale Folgen haben. Das Konzept der „geteilten, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeit“ (common but differentiated responsibilities) aus den globalen Klimaverhandlungen muss auch auf andere Politikfelder angewendet werden.

Wir wollen Ausbeutung in den Nord-Süd-Beziehungen entgegentreten, Armut und Hunger bekämpfen und die Lasten der Klimapolitik gerecht verteilen. Sicherheit umfasst mehr als die Abwesenheit von Gewalt. Die Versorgung mit guten Lebensmitteln muss gewährleistet sein, es muss Zugang zu medizinischer Versorgung, zu Wohnraum, Kultur, Bildung und Ausbildung in einer intakten Umwelt geben.

  • Wir wollen ein effektives europäisches Lieferkettengesetz, das wirksam gegen Kinderarbeit, Ausbeutung, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden vorgeht und klare Sorgfaltspflichten für Unternehmen vorschreibt. Der Finanzsektor darf von diesem Gesetz nicht ausgeschlossen bleiben. Der EU-Rat muss den Weg für die Lieferkettenrichtlinie des Europaparlamentes freimachen. (Siehe Kapitel 2, „Für die sozialökologische Rohstoffwende“)
  • Europäische Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPAs) sind häufig unter starkem Druck der EU zustande gekommen und überwiegend von den wirtschaftlichen Interessen der EU bestimmt. Sie sehen einen weitgehenden Freihandel vor. Dies führt dazu, dass diese Länder mit billigen, industriell hergestellten Waren überschwemmt werden und die einheimischen Handwerksbetriebe in großem Umfang zugrunde gehen. Die EU muss die EPAs durch Kooperations- und Investitionsabkommen ersetzen, die systematisch darauf ausgerichtet sind, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
  • Die Linke setzt sich gegen die Freihandelsideologie und für faire Kooperationsabkommen ein, die die UN-Nachhaltigkeitsziele zum Maßstab haben, im Einklang mit Klimaschutzzielen, Menschenrechten, Entwicklungszusammenarbeit und Rechten von abhängig Beschäftigten stehen und die Bekämpfung von Armut anstelle von Profitstreben zum Ziel haben.
  • Zentrale Bestandteile fairer Abkommen sind: kein Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, für deren Produktion Wälder abgeholzt werden oder die biologische Vielfalt gefährdet wird; eine Rohstoffwende, die Kreislaufwirtschaft stärkt (siehe Kapitel 2, „Mehr Kreislaufwirtschaft, weniger Abfälle“), und der Transfer von Technologie und Wissen.
  • Demokratische Beteiligung und Transparenz müssen bei Verhandlungen gewährleistet sein! Wir wollen die volle Einbeziehung der Zivilgesellschaft, einschließlich kleinbäuerlicher Initiativen, Frauennetzwerken, indigener Gruppen usw. und eine starke Beteiligung der Parlamente bei Verhandlungen. Es braucht hohe Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards für Produkte und Dienstleistungen sowie klare Regeln beim Datenschutz. Sonderklagerechte von Konzernen müssen abgeschafft werden.
  • Überwindung von Hunger und Armut heißt: Existenzsicherung für bäuerliche Betriebe und Landarbeiter*innen weltweit! Wir wollen Regionen darin unterstützen, Landwirtschaft nicht vorrangig für den Export zu betreiben. Es muss Schluss damit sein, dass Nahrungsmittelmärkte von außen mit Lebensmitteln – zum Beispiel von der EU subventionierten – überschwemmt werden. Wir wollen die ökologische Produktion weltweit fördern und dafür internationale Systeme vereinbaren, die vor Preisverfall schützen.
  • Die EU sollte kommerzielle landwirtschaftliche Großprojekte („Grüne Revolution“), die oft die Versorgung der lokalen Bevölkerung missachten, nicht mehr unterstützen. Eine Förderung von Landwirtschaft mit Hybridsaatgut, starker künstlicher Düngung und Pestiziden, die die bäuerlichen Betriebe abhängig von Chemiekonzernen machen, lehnen wir ab. Dasselbe gilt für Projekte, bei denen die einheimische Bevölkerung wegen fehlender Eigentumsnachweise von angestammten Bewirtschaftungsflächen vertrieben wird. Stattdessen setzen wir auf Programme, die lokales Wissen sowie neue Technologien kombinieren, um die soziale Lage und die Ernährungssouveränität der einheimischen Bevölkerung zu sichern.
  • Das Monitoring und die Evaluation bestehender Projekte müssen mit Blick auf Menschenrechte, insbesondere das Recht auf Nahrung verbessert werden.
  • Die EU hat mit fast allen westafrikanischen Staaten Fischereiabkommen geschlossen, die europäischen Flotten in großem Umfang den Fang vor ihren Küsten erlauben. Seither klagen die afrikanischen Fischer über starken Rückgang der Bestände. Die EU muss dafür sorgen, dass die Fischerei dort und in anderen Teilen der Welt nicht durch den europäischen Fischfang eingeschränkt wird. Die Versorgung der lokalen Bevölkerung durch die einheimische Fischerei hat Vorrang gegenüber internationalen Wirtschaftsinteressen.
  • Wir lehnen das Mercosur-Abkommen, wie es aktuell verhandelt wird, ab. Damit bleibt Lateinamerika reiner Rohstofflieferant, mit negativen Folgen für Klima, Artenschutz und Menschenrechten. Das Abkommen dient vor allem Konzernen und missachtet Bedürfnisse von Mensch und Natur. Stattdessen wollen wir Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika auf Augenhöhe durch einen Partnerschaftsvertrag, der Rechte der Beschäftigten und die Umwelt in allen beteiligten Staaten schützt und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung voranbringt.
  • Die Linke verurteilt die umfassende Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade der USA gegen Kuba. Sie verletzt auf elementare Weise das Recht des kubanischen Volkes auf einen selbstbestimmten Entwicklungsweg. Die EU muss ihren Einfluss nutzen, um auf die Beendigung der US-Blockade sowie auf die Streichung Kubas von der US-Liste „terrorunterstützender Staaten“ hinzuwirken. Vor diesem Hintergrund kommt dem Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit der EU mit Kuba aus dem Jahr 2016 eine besondere Bedeutung zu. Um dieses Abkommen wirkungsvoll umzusetzen und mit Leben zu füllen, müssen alle Mitgliedstaaten der EU das Abkommen unterzeichnen. Die Linke weist alle Versuche der rechten Kräfte im EU-Parlament zurück, dieses Abkommen infrage zu stellen.
  • Wir unterstützen das UN-Treaty-Abkommen, das Unternehmen in die Pflicht nimmt, die Rechte und die Würde der Beschäftigten zu beachten. Beschäftigte erhalten dadurch die Möglichkeit, am Ort ihrer Tätigkeit überall auf der Welt ihre Rechte einzuklagen.
  • Wir wollen ein Exportverbot für Pestizide, die in der EU und in den Mitgliedstaaten aus Umwelt- und Gesundheitsgründen nicht zugelassen sind. Das Ziel einer Landwirtschaft ohne Pestizide muss Grundlage der EU-Handelspolitik sein. (Siehe Kapitel 2, „Für eine sozialökologische Landwirtschaft“)

Global gerecht: Schulden streichen und Entwicklung finanzieren

Viele Länder des Globalen Südens drohen an ihren Schulden zu ersticken. Die Überschuldung hat dramatische Folgen, da durch Tilgung von Zinsen kaum Geld für die Bekämpfung von Armut, für Bildung und Gesundheit bleibt. Statt eines Schuldenschnitts finanziert die EU Entwicklungshilfe, etwa über die Initiative Global Gateway. Damit will sie vor allem Anreize für private Geldgeber schaffen. So wird einer Senkung von Standards, Deregulierung von Märkten und der Privatisierung von Infrastruktur Tür und Tor geöffnet. Die Initiative wird vor allem aufgrund geostrategischer Erwägungen entwickelt: als Gegenmodell zur chinesischen Seidenstraßeninitiative. Sie dient nicht primär der Armutsbekämpfung. Doch ein globales Finanzierungsprogramm muss die Verbesserung der Lage der Menschen vor Ort zum Ziel haben.

  • Wir fordern einen Schuldenschnitt und eine nachhaltige Entschuldungsinitiative.
  • Wir wollen eine gezielte Ausrichtung der Global-Gateway-Initiative auf sozialökologischen Umbau, transparente Verwendung der Mittel in partnerschaftlichen Übereinkommen und klare menschenrechtliche Standards für Unternehmen.

Die Koppelung von Entwicklungshilfegeldern an Abschottungsmaßnahmen und Grenzkontrollen lehnen wir ab. Eine Vergabe von Geldern darf nicht an die Zusammenarbeit zur Migrationsabwehr gebunden werden. (Siehe Kapitel 5, „Menschen retten: Legale Fluchtwege“)

Wir streiten für eine EU, in der Demokratie jeden Tag erlebbar wird. Wir wollen die Rechte der Menschen stärken – für mehr Teilhabe und Mitbestimmung, gegen Überwachung und Ausbeutung. Wir wollen das Europäische Parlament stärken und den Einfluss der mächtigen Lobbyverbände in Brüssel begrenzen. Demokratie muss mehr Gleichheit bei der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums und bei den Lebensbedingungen in den verschiedenen Ländern in Europa und Deutschland bedeuten. Und sie bedeutet mehr gemeinsame Debatte und Mitbestimmung der Vielen in Gewerkschaften, Betrieben, Schulen und Hochschulen, Verbänden und Bewegungen bei den Entscheidungen, die das Leben aller in Europa betreffen. Die öffentlichen Leistungen, die soziale Vorsorge dürfen nicht durch Profitstreben, Spekulation und Markt kaputt gemacht werden.

Demokratie ist nicht eine Frage von Bekenntnissen und schönen Worten. Demokratie braucht soziale Grundlagen, gesellschaftliche Strukturen und Dienstleistungen. Ein starker Sozialstaat schützt nicht nur vor Armut, er macht den gesellschaftlichen Zusammenhalt, Gesellschaft überhaupt erlebbar. Grundrechte sind mehr als die Abwehr von Willkür und Überwachung. Das Recht auf Wohnen ist ein Grundrecht wie das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung. Das Recht an den eigenen Daten muss ebenso verteidigt werden wie das Recht, frei von Armut zu leben. Der Kampf für eine gerechte Verteilung des Reichtums, für gleichwertige Lebensverhältnisse in der EU und eine funktionierende soziale Daseinsvorsorge gehören untrennbar zum Kampf für mehr Demokratie.

Seit die sozialen Grundlagen der Demokratien in Europa ausgehöhlt werden, werden die Rechten stärker. Die rechten Regierungen machen mobil gegen Sozialstaat und Demokratie, gegen die Rechte der Menschen und gegen Arbeitsschutzgesetze, Frauenrechte, Queers und Geflüchtete. Sie befeuern Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Die Linke steht gegen die rechtsextremen Bewegungen und Parteien überall in Europa. Wir wehren uns gegen den Abbau von Demokratie und Grundrechten. Wir kämpfen überall gegen Rassismus und Diskriminierung. Wir wollen den Rechten den Treibstoff entziehen: Das Gefühl so vieler Menschen, dass es nicht gerecht zugeht, ist richtig, aber die Antworten der Rechten sind falsch und schädlich. Sie befördern Ungerechtigkeit und Unrecht und stärken die Macht der Mächtigen im Namen der Ohnmächtigen. Sie spielen Opposition, um wirkliche gesellschaftliche Opposition für Frieden und soziale Verbesserung zu verhindern.

Die Charta der Europäischen Grundrechte ist gut, sie muss endlich eingehalten werden. Die Grundrechte in Europa müssen unantastbar und einklagbar sein. Auch die Geflüchteten, die sich auf den Weg in die Europäische Union machen, sind Träger*innen dieser Grundrechte. Wie die EU die Geflüchteten behandelt, sagt etwas über die Menschenwürde überall in der EU aus. Wir verteidigen die Rechte der Geflüchteten auf Leben und menschenwürdige Behandlung. Wir verteidigen damit auch die Rechte aller Menschen.

  • In den vergangenen Jahren haben Tausende europäische Bürger*innen, Nichtregierungsorganisationen, Verbände und Gewerkschaften im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas (CoFE) Ideen zur Weiterentwicklung der EU und für Reformen der EU-Institutionen entwickelt. Die Konferenz zur Zukunft Europas hat zum ersten Mal einen transnationalen demokratischen Prozess geboten. 2022 wurden als Ergebnis 49 Vorschläge mit zahlreichen konkreten Handlungsempfehlungen zu Klimaschutz, Energie, Migration, Außen- und Sicherheitspolitik, Mobilität, Soziales, Gesundheit und Pflege, Jugend und Bildung vorgelegt. Diese Vorschläge spiegeln die Erwartungen der europäischen Bürger*innen: Sie wünschen sich eine stärkere öffentliche Daseinsvorsorge, höhere Steuern für Großunternehmen, kostenfreie Bildungs- und Erziehungsangebote. Die erarbeiteten Vorschläge sind aber nicht verbindlich in die Politikgestaltung eingeflossen. Die Linke war Teil der Konferenz zur Zukunft Europas, wir teilen viele der Forderungen und setzen uns weiterhin dafür ein, diese zu verwirklichen. EU-Politik soll gemeinschaftlich entwickelt werden, um die EU mit Blick auf die Bekämpfung der grenzübergreifenden multiplen Krisen zukunftsfähiger und resilienter zu machen.

Wir wollen die Dauerblockaden innerhalb der EU – insbesondere durch den Europäischen Rat – überwinden und eine stärkere Mitbestimmung der Regionen. Das Initiativrecht für EU-Gesetze liegt allein bei der EU-Kommission. Gerade bei der Kommission gibt es einen starken institutionalisierten Einfluss von Lobbygruppen. Wir fordern deshalb:

  • Der Europäische Rat soll in eine zweite Kammer umgewandelt werden.
  • Das Europäische Parlament muss ein uneingeschränktes Initiativrecht bekommen, damit es selbst Gesetzesprozesse anstoßen und so Politik entwickeln kann.
  • Im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion soll das Parlament gleichberechtigt mit Rat und Euro-Gruppe entscheiden können.
  • Nur das Europäische Parlament soll die Kommission und die Präsidentin oder den Präsidenten der Kommission vorschlagen, wählen und abwählen können.
  • Das Europäische Parlament soll für seine Zuständigkeiten ein alleiniges Haushaltsrecht bekommen. Es soll auch die EZB demokratisch kontrollieren. (Siehe Kapitel 1, „Europäische Geldpolitik“)
  • Der Ausschuss der Regionen soll gestärkt werden, indem er in die Entscheidungsstruktur der EU-Institutionen einbezogen wird. So sollen die Regionen zukünftig effektiv an der Politikgestaltung beteiligt sein. Der Ausschuss der Regionen formuliert dann nicht mehr nur Stellungnahmen mit empfehlendem Charakter, sondern darf über Gesetzesinitiativen des Parlaments mitbestimmen und selbst welche einbringen.

Lobbyismus einen Riegel vorschieben

Schätzungsweise 25 000 Lobbyist*innen mit einem Jahresbudget von 1,5 Milliarden Euro nehmen in Brüssel Einfluss auf die EU-Institutionen. Etwa 70 Prozent von ihnen arbeiten für Unternehmen und Wirtschaftsverbände. Sie genießen privilegierte Zugänge zu den Kommissar*innen. Sie nehmen massiv Einfluss auf die Gesetzgebungsverfahren und überhäufen die Abgeordneten mit Änderungsanträgen für Gesetzesvorlagen – oder versuchen, die Gesetze gleich selbst zu schreiben. Die Linke will dem Einfluss der wirtschaftsnahen Lobbyist*innen einen Riegel vorschieben.

  • Wir wollen Abgeordnetenbestechung wirksam unter Strafe stellen. Die bisherigen Verschärfungen reichen nicht aus. Wer Gegenleistungen für Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der Ausübung des Abgeordnetenmandats annimmt, soll bestraft werden. Einschränkungen und Ausnahmen wollen wir abschaffen.
  • Nebenverdienste von Abgeordneten müssen zeitnah, auf den Euro genau veröffentlicht werden.
  • Spenden von Unternehmen und Lobbyist*innen an Parteien im Europäischen Parlament und Parteiensponsoring wie Unternehmensstände auf Parteitagen wollen wir verbieten und Spenden von Privatpersonen auf 25 000 Euro im Jahr begrenzen.
  • Wir fordern digital lesbare rechtsverbindliche Lobby- und Transparenzregister, die den Einfluss von Lobbygruppen auf die Gesetzgebung sichtbar machen.
  • Mitglieder der Europäischen Kommission, die nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt in privatwirtschaftliche Unternehmen wechseln, mit deren wirtschaftlichen Interessen sie zuvor politisch befasst waren, müssen eine strikte Wartezeit einhalten. Die Länge der Wartezeit soll sich an ihrer Amtszeit und dem sich daraus ergebenden zeitlichen Anspruch auf Übergangsgeld orientieren.

Neue Verträge und eine Verfassung für die EU

Die Linke will die Demokratieblockade der Europäischen Union lösen. Die Verträge von Maastricht und Lissabon haben den Neoliberalismus in die Grundlagen der EU eingeschrieben. Wir brauchen eine friedliche, soziale und demokratische EU mit veränderten vertraglichen Grundlagen, neuen Strukturen, neuen Hoffnungen. Eine neue Verfassung kann nur von und mit den Menschen, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen in Europa entwickelt werden. Wir wollen einen öffentlichen und demokratischen Raum für die Debatte über die Verfassung und die Demokratisierung der Institutionen schaffen und die Dominanz des Europäischen Rates zurückdrängen.

  • Deshalb treten wir für einen Verfassungskonvent ein. Vertreter*innen aus den EU-Staaten sollen dort gemeinsam mit Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbänden und weiteren Nichtregierungsorganisationen einen Entwurf für die Verfassung diskutieren. Die Ergebnisse der Europäischen Zukunftskonferenz von 2022 sind eine gute Grundlage. Der Prozess der Zukunftskonferenz kann ein Vorbild für den Beteiligungsprozess eines solchen Verfassungskonventes sein.

Eine Veränderung der Europäischen Verträge steht seit 2007 erstmals ernsthaft zur Debatte, denn die Krisen von Krieg und Corona haben deutlich gemacht, dass die neoliberalen Grundlagen nicht haltbar sind. Die überzogenen Schuldenregelungen verhindern, dass langfristige gesellschaftliche Aufgaben auch langfristig öffentlich finanziert werden. Doch anstatt Aufgaben der Daseinsvorsorge wie Energie und Wasser, Bahn, Post, Telekommunikation, Bildung, Gesundheitsversorgung etc. wieder in die öffentliche Hand zu nehmen, werden bürokratische und ineffiziente Strukturen zur Überwachung der Unternehmen geschaffen, die diese Dienstleistungen in einem gemeinsamen Markt anbieten. Die Folgen sind überall zu sehen: Die öffentliche Daseinsvorsorge wird auf Verschleiß gefahren, Gesundheitssysteme brechen zusammen, Bahn- und Nahverkehr funktionieren nicht, in Bildung und Erziehung klaffen riesige Lücken und es wird viel zu wenig investiert in nachhaltige Energie und Wirtschaft.

  • Die Linke fordert, dass öffentliche Direktinvestitionen der Staaten und der EZB und die eigenwirtschaftliche Betätigung von EU, Bund, Ländern und Kommunen zur Stärkung einer sozialen und ökologischen Transformation der Wirtschaft und für eine öffentliche Daseinsvorsorge in die EU-Verträge aufgenommen und gestärkt werden.
  • Die Privatisierung von Dienstleistungen darf nicht mehr in den Verträgen festgeschrieben und befördert werden.
  • Die Bürger*innen der Beitrittskandidaten müssen über den Beitritt in die EU in Volksentscheiden abstimmen können.
  • Der Beitritt darf nicht an die Voraussetzung geknüpft werden, dass neoliberale Wirtschaftsreformen umgesetzt werden.

Damit Bewegung reinkommt: Mehr Bürger*innenbeteiligung und direkte Demokratie

Mehr als drei Viertel aller europäischen Bürger*innen wünschen sich mehr Mitsprache bei der Entscheidungsfindung in der EU. Bürger*inneninitiativen sind dafür ein wichtiges Mittel. Wir setzen uns dafür ein, dass bürokratische Hürden für Initiativen gesenkt werden und die Ergebnisse verbindlich in die Gesetzgebungsverfahren einfließen.

  • Bürger*innen in der EU sollen das Recht erhalten, über Volksentscheide und Volksbegehren EU-Politik mitzugestalten und Gesetze zu initiieren.
  • Mehr Bürgerräte zur Stärkung der Demokratie! Wir fordern, dass europaweit Bürgerräte – vergleichbar den Transformationsräten – eingerichtet werden. So sollen Mitsprache und Teilhabe der Bürger*innen gestärkt werden.
  • Die Europäische Zukunftskonferenz soll in Form von regelmäßig stattfindenden Bürgerräten zu thematischen Schwerpunkten und zum jährlichen Arbeitsprogramm der Kommission verstetigt werden. Dadurch können Bürger*innen und insbesondere die Jugend bei zukünftigen EU-Gesetzesvorhaben ihre Ideen im Vorfeld einbringen.
  • Die Europäische Bürgerinitiative muss zu einer vollgültigen EU-Bürgergesetzgebung ausgebaut werden: Jede erfolgreich eingebrachte Europäische Bürger*inneninitiative muss dem Europäischen Parlament zur Entscheidung vorgelegt werden, sodass diese im Einklang mit dem jeweils anwendbaren Gesetzgebungsverfahren umgesetzt werden kann. Die Initiator*innen sollen das Recht bekommen, ein EU-Bürgerbegehren durchzuführen und eine EU-weite Volksabstimmung anzustreben, wenn das Parlament ihre Initiative abgelehnt hat.
  • Wir fordern, dass die 49 Vorschläge der Europäischen Zukunftskonferenz die Arbeitsgrundlage der nächsten Kommission werden, inklusive der Vorschläge, die Vertragsveränderungen bedürfen. Wir fordern die Kandidat*innen zur Kommissionspräsidentschaft auf, sich dazu öffentlich zu positionieren.
  • Eine EU-Beteiligungsinfrastruktur braucht einen zentralen Onlinezugang für alle Beteiligungsinstrumente. Auf dem Zugang müssen alle Beteiligungsinstrumente erreichbar sein, erklärt werden und die Bürger*innen müssen sich darüber vernetzen können.

Grund- und Menschenrechte stärken – für alle

Wir wollen die Grundrechte in Europa stärken. Die EU muss endlich der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten. Die Menschenrechtskonvention muss um das Recht auf Asyl und Schutz auf der Flucht ergänzt und für jeden Mitgliedstaat der EU verbindlich geregelt werden.

  • Soziale Grundrechte müssen – entsprechend der revidierten Europäischen Sozialcharta des Europarates – von einzelnen Personen auch beim Europäischen Gerichtshof einklagbar sein.
  • Sozialleistungen in einem Staat dürfen für Bürger*innen anderer EU-Staaten nicht eingeschränkt werden, wie es beim Kindergeld immer wieder von rechts gefordert wird. Das menschenwürdige Existenzminimum muss unabhängig vom Aufenthaltsstatus jederzeit gewährleistet werden.
  • Keine verdachtsunabhängige Datenspeicherung: Die Erhebung, Verarbeitung und das Teilen von personenbezogenen Daten in und zwischen europäischen und nationalen Behörden muss auf ein Minimum beschränkt sein.
  • Um eine Verletzung der Grundrechte zu verhindern und den Schutz der Privatsphäre aller Personen zu gewährleisten, fordern wir ein europaweites Verbot der Verwendung von Gesichtserkennungstechnologie im öffentlichen Raum. Studien belegen: Entsprechende Software ist anfällig für Ungenauigkeiten, rassistische Diskriminierung und Identitätsbetrug.
  • Wir wollen, dass die Lage von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten in der EU regelmäßig länderspezifisch evaluiert wird und Verstöße durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) sanktioniert werden.
  • Rechtsstaatsmechanismen verbessern: Wenn Mitgliedstaaten die EU-Grundwerte nicht achten, muss ein Stopp der Zahlungen von Fördermitteln zukünftig zielgenauer geregelt werden – beispielsweise dürfen Projekte im sozialen Bereich, Integrations- oder Bildungsprojekte nicht gefährdet werden. Bei gravierenden Verletzungen dieser Grundwerte sollte dem betreffenden Staat das Stimmrecht im Rat entzogen werden.
  • Millionen Menschen, die seit Jahrzehnten hier leben und arbeiten, dürfen nicht politisch mitbestimmen, nur weil sie den falschen Pass haben. Wir fordern ein gemeinsames EU-Wahlrecht mit einem aktiven und passiven Wahlrecht für alle Menschen, die dauerhaft in der EU leben.
  • Auch Jugendliche müssen stärker politisch teilhaben können. Bislang dürfen 16- und 17-Jährige nur in vier EU-Mitgliedstaaten zur Wahl des Europaparlaments gehen. Wir wollen, dass das aktive Wahlrecht in allen EU-Mitgliedsländern auf 16 Jahre gesenkt wird.
  • Deutschland muss seine Blockadehaltung aufgeben und der Gleichbehandlungsrichtlinie der EU, unter anderem gegen die Diskriminierung wegen Alter, sexueller Orientierung, Religion oder Behinderung, zustimmen. In der EU darf keine Altersdiskriminierung stattfinden. Die von der EU-Kommission in Aussicht gestellte zwangsweise und anlasslose Überprüfung der Fahrtauglichkeit und befristete Führerscheine lehnen wir ab.

Das Europäische Parlament hat sich verschiedentlich gegen Rassismus und Diskriminierung ausgesprochen – auch auf Initiative der LINKEN. Den Worten müssen Taten folgen:

  • Wir wollen, dass die EU kulturelle und sprachliche Vielfalt in Europa verlässlich fördert.
  • Die Kopenhagener Kriterien zum Schutz der Rechte von Minderheiten, denen sich 2004 alle Beitrittskandidaten unterworfen haben, müssen von allen Mitgliedstaaten eingehalten werden.
  • Die EU soll sich für die europaweite Anerkennung der Jenischen als Minderheit einsetzen.

Sinti*zze und Rom*nja haben das Recht, die Freizügigkeitsregelungen überall in der EU in Anspruch zu nehmen. Diskriminierende Sonderregelungen müssen abgeschafft werden.

Geschlechtergerechtigkeit – europaweit

In ganz Europa verdienen Frauen weniger als Männer, leisten mehr Sorgearbeit in der Familie und bekommen weniger Rente im Alter. Ärmere Frauen vorwiegend aus Osteuropa versorgen pflegebedürftige Menschen in Ländern wie Deutschland zu unwürdigen Bedingungen. Die soziale Ungleichheit zwischen Frauen wird größer: Die einen machen Karriere, die anderen putzen ihre Wohnungen. Jeden dritten Tag wird allein in Deutschland eine Frau getötet (Femizid). Für Hunderttausende Frauen in Europa gehört Gewalt durch den Partner zur alltäglichen Erfahrung. Die Linke kämpft gegen Verhältnisse, in denen Frauen, trans und andere queere Menschen unterdrückt und benachteiligt werden. Wir setzen uns dafür ein, die Lebensbedingungen aller Frauen zu verbessern und sie konsequent vor Gewalt zu schützen. Gleichberechtigung auf allen Ebenen voranzubringen, steht für uns in Verbindung mit Kämpfen für gute Arbeit und gute Löhne, für eine andere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums und der gesellschaftlichen (Sorge-)Arbeit, für sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung, gegen Ausbeutung und Ausgrenzung und gegen Antifeminismus, Homo- und Transfeindlichkeit.

  • Gute Arbeit und soziale Absicherung für alle Frauen. Frauen arbeiten häufig in prekären, nicht sozialversicherten Beschäftigungsverhältnissen. Wir wollen sie in reguläre Beschäftigung mit guten Arbeitsbedingungen überführen. Für Branchen, deren Geschäftsmodell auf unfreiwilliger Teilzeitarbeit besteht (zum Beispiel im Einzelhandel) fordern wir das Recht auf eine Vollzeitstelle.
  • Lohndiskriminierung europaweit beenden – gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Wir setzen uns für kürzere Arbeitszeiten in ganz Europa ein, damit mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern entsteht. Wir schlagen dafür eine Verkürzung auf etwa 30 Stunden pro Woche (4-Tage-Woche) vor: bei vollem Lohn- und notwendigem Personalausgleich und für die Beschäftigten flexibel über die Berufsbiografie zu wählen. Dann können mehr Männer unbezahlte Sorgearbeit übernehmen. (Siehe Kapitel 1, „Umverteilen für gute Arbeit“)
  • Wir streiten für Antidiskriminierungsgesetze in allen EU-Staaten mit Verbandsklagerecht.
  • Sexismus bekämpfen und Rechte von Frauen stärken: Wir wollen verbindliche Anti-Sexismus-Regelungen im öffentlichen und privaten Sektor.
  • Bessere Bezahlung und mehr Personal in „Frauenberufen“ (Pflege, Sozial- und Erziehungsdienste, Einzelhandel). Wir unterstützen Streiks der dort Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften.
  • Sorgearbeit muss finanziell und sozial aufgewertet werden: Mit besserer Bezahlung und guten Arbeitsbedingungen werden Sorgeberufe (wie Pflege und Erziehung) attraktiver (etwa für Männer, die ihren Job in der Industrie verlieren). Das ist auch eine Antwort auf den Fachkräftemangel. (Siehe Kapitel 1, „Umverteilen für gute Arbeit“)
  • Informelle Arbeit in Privathaushalten zur 24-Stunden-Betreuung von pflegebedürftigen Menschen („Live-in-Care“) wollen wir in reguläre Arbeitsverhältnisse mit Sozialversicherung, gesetzlicher Arbeitszeit, Urlaub und Mindestlohn umwandeln.
  • Die Bedingungen für pflegende Angehörige müssen verbessert werden. (Siehe Kapitel 1, „Gute Gesundheit und Pflege“)
  • Flächendeckende Betreuungsangebote für Kinder und alte Menschen in ganz Europa.
  • Die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt muss in allen Mitgliedstaaten vorbehaltlos umgesetzt werden.
  • Flächendeckende Versorgung für von Gewalt betroffene Frauen mit Schutzräumen, Beratungsangeboten und psychologischer Begleitung. Auch digitale Gewalt gegen Frauen muss bekämpft werden.
  • Verbindliche Mindeststandards für eine wohnortnahe medizinische Versorgung (ambulant und stationär) bei Krankheit und Schwangerschaft (mit Vor- und Nachsorgeangeboten). (Siehe Kapitel 1, „Gute Gesundheit und Pflege“)
  • Unabhängige Frauengesundheitseinrichtungen und -initiativen sowie frauenspezifische Gesundheitsforschung wollen wir stärker finanziell fördern.
  • Gewalt gegen Frauen, trans und queere Personen und ihre Verfolgung muss als Asylgrund europaweit anerkannt werden.
  • Es braucht spezifische Unterstützung und psychologische Begleitung für die Opfer von sexueller Gewalt aus Kriegsgebieten und menschenverachtenden Regimes.
  • Bedarfs- und bedürfnisgerechte Unterbringung und Schutzräume für geflüchtete Frauen und ihre Kinder sowie für trans und queere Menschen. Sozialpädagogisches Fachpersonal mit gender- und queersensibler Schulung in den Unterkünften.
  • Finanzielle Förderung von Initiativen für die Selbstorganisierung und Interessenvertretung von geflüchteten Frauen und queeren Menschen.
  • Reproduktive Rechte in ganz Europa stärken. Abschaffung aller Einschränkungen des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in den Strafgesetzbüchern der EU-Mitgliedsländer. Finanzielle Unterstützung von Bündnissen für sexuelle und körperliche Selbstbestimmung sowie von Medizinstudierenden und Ärzt*innen, die sich für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs einsetzen.
  • Kostenfreie Empfängnisverhütung (inklusive „Pille danach“) für alle. Es müssen Gelder für die Erforschung neuer Verhütungsmittel bereitgestellt werden, besonders für Männer.
  • Sicherer und kostenloser Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen überall in Europa.
  • EU-weites Förderprogramm für schulische und außerschulische Bildungsarbeit gegen Sexismus und Queerfeindlichkeit, das Betroffeneninitiativen einbezieht.
  • Rechte von Sexarbeiter*innen stärken, ihre Gesundheitsversorgung mit niedrigschwelligen Angeboten verbessern und ihre Selbstorganisation unterstützen, sichere Arbeitsorte ermöglichen sowie Stigmatisierung, Repression und Kriminalisierung von Sexarbeiter*innen und Kund*innen verhindern.
  • Opfer von Menschenhandel – auch „Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung“ – wollen wir besser schützen (Aufenthaltsrecht, psychische Betreuung, Rechtsbeistand und Rechtshilfe, Zugang zu sozialen Leistungen).

Queer, sozial und gerecht

Die Linke will ein Europa, in dem lesbische, schwule, bi, trans, inter und nichtbinäre (= queere) Menschen angstfrei, selbstbestimmt und sozial abgesichert leben können. Dieses Ziel ist in keinem Mitgliedsland der EU erreicht, auch wenn sich in einigen Ländern die rechtlichen Bedingungen für queere Menschen verbessert haben. Zugleich haben sie sich in anderen Ländern verschlechtert. Überall in der EU sind queere Menschen überdurchschnittlich von Armut und Ausgrenzung betroffen. Das zeigt sich besonders in der Arbeitswelt, im Bildungsbereich und der Gesundheitsversorgung. Auch die (Selbstbestimmungs-)Rechte von trans, inter und nichtbinären Personen werden noch nicht in allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt. Die LGBTIQ-Gleichstellungsstrategie der EU-Kommission ist ein Schritt in die richtige Richtung. Sie muss jedoch um Problemlagen wie Wohnungslosigkeit, Isolation oder Gesundheitsversorgung ergänzt werden.

  • Mehr finanzielle Mittel für die Selbstorganisation und Interessenvertretung von queeren Menschen. Die finanzielle Förderung von zivilgesellschaftlichen Initiativen und NGOs, die sich für ihre Rechte und Anliegen einsetzen, muss europaweit ausgebaut und verstetigt werden.
  • Nationale Aktionspläne gegen die Diskriminierung und für die Gleichstellung queerer Menschen in allen Mitgliedstaaten, die um soziale Aspekte erweitert werden, damit auch sozioökonomisch schlechter gestellte Queers von den Programmen profitieren.
  • Projekte, mit denen queere Jugendliche und ältere queere Menschen vor Obdachlosigkeit geschützt werden. Housing-First-Angebote für diese Gruppen.
  • Die Erkenntnisse zur sozialen Lebensrealität queerer Menschen in der EU müssen verbessert werden. Die EU soll Forschungsaufträge zu diesem Zweck vergeben.
  • Hassgewalt insbesondere gegen trans, inter und nichtbinäre Menschen muss konsequenter verfolgt und bestraft werden. Hasskriminalität muss genauer statistisch erfasst und regelmäßig veröffentlicht werden. Diskriminierung durch staatliche Behörden wie die Polizei muss wirksam bekämpft werden.
  • Wir wollen die Prävention von trans- und queerfeindlicher Gewalt in allen gesellschaftlichen Bereichen stärken. Insbesondere im Bildungsbereich, der Kinder- und Jugendhilfe, der Verwaltung und in der Arbeitswelt sind Aufklärungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen erforderlich.
  • Unternehmen sollen verpflichtet werden, die unabhängige Selbstorganisation ihrer queeren Beschäftigten mit entsprechenden Ressourcen zu fördern und Strategien gegen ihre Diskriminierung am Arbeitsplatz zu entwickeln.
  • Ein Selbstbestimmungsgesetz für trans, inter und nichtbinäre Menschen in allen EU-Mitgliedstaaten und einheitliche Regelungen bezüglich des selbstbestimmten Geschlechtseintrags in offiziellen Dokumenten.
  • Mehr Beratungs- und Gesundheitszentren für queere und insbesondere für trans und inter Menschen und eine umfassende und kostenfreie Gesundheitsversorgung, die niedrigschwellig und diskriminierungssensibel ist.
  • Keine Nachsicht gegenüber der Diskriminierung von queeren Communitys durch einzelne Mitgliedstaaten! Die EU-Kommission muss konsequent von Vertragsverletzungsverfahren Gebrauch machen. Deutschland sollte sich in diesen Fällen grundsätzlich als Streithelferin beteiligen.
  • Die EU muss sich gegenüber Menschenrechtsverletzungen an queeren Menschen auch außerhalb der EU eindeutig positionieren und dagegen protestieren. Humanitäre Visa für queere Geflüchtete!
  • Derzeit werden die Rechte der Eltern von 2 Millionen Kindern in der EU in einem anderen Mitgliedstaat nicht vollständig anerkannt. Wir wollen die europaweite Gleichstellung von Regenbogenfamilien. Die EU-Kommission hat dazu einen Verordnungsvorschlag beschlossen. Wir setzen uns dafür ein, dass auch der Europäische Rat diesen Vorschlag annimmt.
  • Reform des Abstammungsrechts, damit Kinder in Regenbogenfamilien gleiche Rechte haben. Kinder lesbischer, bisexueller, trans, inter und nichtbinärer Elternteile sind noch immer auf die Stiefkindadoption angewiesen, um einen zweiten rechtlichen Elternteil zu bekommen.
  • Die Übernahme von Familienverantwortung muss unabhängig von der Ehe möglich sein. Auch Regenbogenfamilien, in denen die Elternschaft nicht an die Paarkonstellation gebunden ist, und Mehrelternschaften brauchen rechtliche Anerkennung.
  • Wir wollen das Sorge- und Besuchsrecht am Kindeswohl ausrichten.

Ein sozial gerechtes Europa muss inklusiv sein

Für ein inklusives und soziales Europa fordern wir die volle Teilhabe aller Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen, unabhängig von Hautfarbe, Sprache, sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität, ob sie alt oder jung sind oder mit einer Behinderung leben.

Die Linke kämpft für ein Europa, in dem Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung nicht benachteiligt und ausgegrenzt werden. Von diesem Ziel sind alle Mitgliedstaaten der EU noch weit entfernt. Verbesserungen für die 80 Millionen Menschen in Europa, die mit einer Behinderung leben, werden dadurch blockiert, dass einige Länder die Umsetzung der 5. EU-Gleichstellungsrichtlinie auf nationaler Ebene verhindern. Dazu zählt auch Deutschland. Menschen mit Behinderung sind überdurchschnittlich von Erwerbslosigkeit und Armut bedroht. Viele Menschen mit Behinderung müssen gegen ihren Wunsch in stationären Einrichtungen leben. Das verstößt gegen ihr Selbstbestimmungsrecht.

Die UN-Behindertenrechtskonvention wird in Deutschland nur ungenügend umgesetzt, wie eine Überprüfung der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderung in diesem Jahr ergab. Menschen mit Behinderung werden immer noch auf das stark ausgebaute System von Sonderstrukturen verwiesen in der schulischen Bildung, bei der Beschäftigung in Werkstätten, in Form von großen stationären Wohneinrichtungen. Doch nur eine inklusive Gesellschaft ist demokratisch und sozial gerecht. Um ein inklusives Europa für alle Menschen unter dem Motto „nichts ohne uns über uns“ Wirklichkeit werden zu lassen, fordern wir:

  • Wir wollen den Kampf für Gleichheit und Nichtdiskriminierung verstärken als grundlegendes und allgemeines Prinzip für den Schutz der Menschenrechte. Die Blockade Deutschlands bei der Umsetzung der 5. EU-Gleichstellungsrichtlinie muss beendet werden.
  • Alle Sondereinrichtungen für Menschen mit Behinderung – vor allem hinsichtlich des Lernens, Arbeitens und Wohnens – müssen abgeschafft werden.
  • Lebenslanges Lernen und ein inklusives Bildungssystem müssen auf allen Ebenen gewährleistet werden, von der Kinderkrippe bis zur Universität und darüber hinaus (Artikel 24 UN-BRK).
  • Wir wollen einen inklusiven Arbeitsmarkt. In allen Bereichen, in denen Menschen mit Behinderung arbeiten, muss der gesetzliche Mindestlohn gelten.
  • Behinderte Menschen müssen selbst bestimmen dürfen, wie, wo und mit wem sie wohnen und leben wollen.
  • Das Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit muss ohne Diskriminierung aufgrund einer Behinderung durchgesetzt werden (Artikel 25 der UN-BRK).
  • Geflüchtete und Asylbewerber*innen mit Behinderung brauchen besonderen Schutz auf Grundlage der Europäischen Aufnahmerichtlinie für besonders schutzbedürftige Personen im Asylverfahren.
  • Es müssen Programme für die Gleichstellung von Frauen, Mädchen sowie Angehörigen der queeren Communities mit Behinderung aufgelegt werden. Sie sind in allen Lebensbereichen mit Mehrfachdiskriminierung konfrontiert.
  • Barrierefreiheit in den Kommunen einschließlich des gesamten ÖPNV.
  • Barrierefreiheit muss auch in der Privatwirtschaft einschließlich dem Onlinehandel verpflichtend sein.
  • Für alle Menschen mit Behinderung muss barrierefreie Kommunikation entsprechend ihrem individuellen Bedarf (blinde und sehbehinderte Menschen, gehörlose und hörbehinderte Menschen, Menschen mit Lernschwierigkeiten) möglich sein. Das muss digitale Barrierefreiheit einschließen.
  • Ein Europäischer Behindertenausweis, der Menschen mit Behinderung Zugang zu Sonderkonditionen in allen Mitgliedstaaten sichert, muss zügig eingeführt werden.
  • Menschen mit Behinderung und ihre Selbstvertretungsorganisationen müssen uneingeschränkt an demokratischen Prozessen teilhaben können. Auch hierfür müssen inklusive, barrierefreie Strukturen geschaffen werden.
  • Damit sichergestellt ist, dass das Wahlrecht wahrgenommen werden kann, braucht es technische Mittel wie taktile Schablonen, QR-Codes oder Anleitungen in leicht lesbarer Sprache, Gebärdensprache oder Blindenschrift.

Alle Diskriminierungen von Menschen mit Behinderung in Rechtsverfahren, besonders hinsichtlich psychiatrischer Sondergesetze und ärztlicher oder betreuungsrechtlicher Zwangsbefugnisse, müssen aufgehoben werden!

Europa erlebt einen gefährlichen Rechtsruck. Nach Jahrzehnten des neoliberalen Abbaus von sozialen Rechten, der Abschottung vor Geflüchteten und einer Politik, die Verarmung bestimmter Regionen und Länder in Kauf genommen hat, sind in vielen Ländern Parteien der extremen Rechten auf dem Vormarsch, mancherorts regieren sie bereits mit. Zu oft übernehmen die bürgerlichen Parteien Sprache und Forderungen der extremen Rechten und stärken sie dadurch. Der Effekt ist eine Erosion von Demokratie, Menschenrechten und Humanität auf europäischer Ebene. Dies ist untrennbar verbunden mit der Militarisierung der Gesellschaft.

Die Linke stellt sich der extremen Rechten entgegen. Wir stehen überall auf gegen Nationalismus, völkische Ideologien und Rassismus, gegen antimuslimischen Rassismus und Antiziganismus, gegen Antisemitismus und Homophobie, gegen alle Formen der Menschenfeindlichkeit. Die Linke steht und kämpft für die Gleichheit aller Menschen: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Aus dem „Nie wieder!“ der Befreiung vom Faschismus müssen Konsequenzen gezogen werden. Das ist unser Antrieb und unser Auftrag. Wir gehen in ganz Europa mit Antifaschist*innen auf die Straße und stellen uns den Neonazis in den Weg, wir verteidigen den öffentlichen Raum gegen die Versuche der Rechten, dort Angst zu verbreiten. Die Rechte will Grund- und Bürgerrechte abbauen und demokratische Institutionen schwächen. Dagegen setzt Die Linke auf mehr Demokratie und mehr soziale Rechte.

Es gibt keinen Gegensatz zwischen den Interessen der Arbeiter*innenklasse und den Forderungen aus Feminismus, Antirassismus, der LSBTTIQ*-Bewegung und dem Kampf gegen Klimawandel. Solidarität ist unsere Waffe – sie ist unteilbar!

  • Die Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz und der Agentur für Grundrechte müssen in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden.  Wenn sie nicht umgesetzt werden, müssen Sanktionen folgen.
  • Der EU-Aktionsplan gegen Rassismus soll über 2025 hinaus verlängert werden. Vertreter*innen der von Rassismus bedrohten Gruppen, Expert*innen und Wissenschaftler*innen müssen einbezogen werden. 2020 unterstützte die Mehrheit der Abgeordneten des EU-Parlaments in einer Resolution die Black-Lives-Matter-Bewegung – jedoch ohne rechtliche Konsequenzen. Die EU muss auf die Mitgliedstaaten einwirken, um Racial Profiling, rassistische Polizeigewalt und institutionellen Rassismus zu bekämpfen.
  • Die Linke fordert, dass europaweite Programme finanziell gestärkt werden, die langfristig und dauerhaft Mittel für Initiativen und Projekte gegen Rassismus und andere Formen der Diskriminierung bereitstellen. Sie sollen Bestandteil einer europäischen Präventionsarchitektur gegen alle Formen des Rassismus und Neofaschismus werden.
  • Die extreme Rechte ist europaweit vernetzt. Deshalb müssen länderübergreifende Monitoring-Projekte geschaffen und unterstützt werden. Die Erkenntnisse zu länderübergreifenden Verbindungen im Rechtsterrorismus müssen gebündelt und ausgewertet werden.
  • Wir wollen ein Bleiberecht für die Opfer rechter Gewalt in der EU, um der auf Vertreibung gerichteten Intention der Täter*innen entgegenzutreten.

Wir verurteilen die Angriffe auf Moscheen, Synagogen sowie andere sakrale oder symbolische Orte. Auch linke Menschen und Strukturen geraten immer wieder in den Fokus rechter Angriffe. Wir stehen zusammen und sind solidarisch mit Opfern rechter Gewalt und ihren Angehörigen. Sie müssen langfristig besser unterstützt werden. Die Linke setzt sich dafür ein, dass der Tag der Befreiung vom Faschismus und der Beendigung des Krieges überall in der EU Feiertag wird.

Unter den Schlagworten „Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität“ beziehungsweise der „irregulären“ Migration hat die EU in den vergangenen Jahrzehnten die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden massiv ausgebaut. Sie beruht auf umfassenden Datenbanken, die besonders eine Bevölkerungsgruppe betreffen: Migrant*innen. Mit der „Interoperabilitätsverordnung“ werden diese Datenbanken umfassend über ein gemeinsames Abfrageportal miteinander verknüpft: EURODAC zur Erfassung von Asylsuchenden, VIS zur Erfassung von Visumantragsteller*innen, das im Aufbau befindliche Entry/Exit-System (EES) zur Erfassung aller Einreisen von Drittstaatsangehörigen und ihrer Aufenthaltstitel, das European Travellers Identifcation and Authorization System (ETIAS) zur Erfassung aller Drittstaatsangehörigen, die von der Visumpflicht befreit sind. Von ihnen allen werden biometrische Daten gespeichert, anhand derer die Datenbanken durchsucht werden können. Hinzu kommt das Schengener Informationssystem (SIS), das neben Einreiseverboten auch gesuchte Personen und Gegenstände umfasst. Mit Milliardensummen wurden Systeme aufgebaut, die die lückenlose Erfassung von Migrant*innen sicherstellen sollen und zugleich Ausdruck eines Generalverdachts gegen diese Bevölkerungsgruppe sind. Auch soziale Bewegungen und Fußballfans werden inzwischen grenzüberschreitend überwacht, immer wieder werden etwa anlässlich von Großdemonstrationen Grundrechte eingeschränkt.

Wir verteidigen die Grundrechte und wollen die Demokratie ausweiten. Wir wollen von den riesigen, milliardenteuren Datenhalden zu einem System gegenseitiger Rechtshilfe zurückkehren, bei dem die Polizeibehörden im Einzelfall personenbezogene Daten bei anderen Behörden abfragen können.

Die EU-Kommission erklärt regelmäßig, dass sie gegen Rassismus und Hassrede vorgehen will, präsentiert aber kaum konkrete Maßnahmen. In Deutschland trifft unrechtmäßige Polizeigewalt vor allem arme Menschen, die überdurchschnittlich Angehörige nichtweißer Minderheiten und besonderem Verdacht ausgesetzt sind (Racial Profiling). Rassistische und unverhältnismäßige Polizeiarbeit spielt eine wichtige Rolle dabei, herkunftspezifische Ungleichheit in Europa aufrechtzuerhalten.

  • Maßnahmen, die allein oder weitgehend an das äußere Erscheinungsbild von Betroffenen anknüpfen, müssen verhindert werden: Verdachtsunabhängige Kontrollen durch Polizeibehörden müssen verboten werden. Wir benötigen klare Leitlinien für die Praxis, die vorbeugende Schulungen und strenge Maßnahmen zur Rechenschaftslegung und zur Ahndung von Verstößen umfassen sollten.
  • Polizeiliche Razzien, die pauschal auf migrantische Orte zielen, lehnen wir ab. Gleiches gilt für die Verwendung stigmatisierender Begriffe wie „Clankriminalität“ und „soziale Brennpunkte“ als Grundlage der Polizeiarbeit und Begründung für Razzien. Wir setzen uns dafür ein, dass ethnisierende Kategorien bei personenbezogenen Hinweisen in der Polizeiarbeit grundsätzlich ausgeschlossen werden.
  • Die EU-Institutionen sollen eine europaweite Überprüfung national angewandter Polizeitechniken und -methoden zur Inhaftierung von Personen einleiten und mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um Methoden zu verbieten, die irreversible Schäden oder den Tod verursachen können.
  • Die Europäische Kommission muss Leitlinien für unabhängige Polizeibeschwerdestellen und deren Befugnisse zur Überprüfung von polizeilichen Maßnahmen bereitstellen.
  • Die Umsetzung der Opferschutzrichtlinie muss überwacht werden. Die Opfer von Polizeibrutalität müssen im Rahmen des EU-Mechanismus auf nationaler Ebene geschützt werden.
  • Die zunehmende Kriminalisierung sozialer Bewegungen in der EU muss gestoppt werden. Protest und ziviler Ungehorsam sind legitim und nötig für eine lebendige Demokratie.

Seit 2014 sind fast 30 000 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Diese schreckliche Bilanz europäischer Abschottungspolitik muss zu einer grundlegenden Änderung der EU-Asylpolitik führen. Wir stehen für eine EU, die Menschen auf der Flucht sicheren Schutz bietet, die keine Deals mit Diktator*innen macht, die Krieg als Mittel der Politik ächtet. Die endlich verhindert, dass Zehntausende im Mittelmeer ertrinken. Flucht ist kein Verbrechen! In ihren Verträgen hat die EU sich verpflichtet, die Genfer Flüchtlingskonvention einzuhalten. Täglich verstößt sie dagegen: Schutzsuchende werden an den EU-Außengrenzen misshandelt und rechtswidrig zurückgeschoben. Im Juni 2023 sind vor Pylos mehr als 500 Menschen infolge eines Abdrängversuchs der griechischen Küstenwache gestorben. Auch hinter dem meterhohen Grenzzaun an der polnisch-belarussischen Grenze sterben regelmäßig Schutzsuchende in Frost und Schlamm, zum Teil nach rechtswidriger Zurückweisung durch Polen. Dennoch leitete die EU-Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren gegen rechtswidrige Pushbacks ein. Diese tödliche Kumpanei der Abschottung muss enden! Die Grenzschutzagentur Frontex war zumindest indirekt an Pushbacks beteiligt oder vertuscht sie. Das internationale Seerecht verpflichtet zur Rettung von Menschen in Not auf dem Meer, sie dürfen auch nicht in unsichere Länder wie Libyen zurückverbracht werden.

Die Linke steht für eine solidarische und humane Migrations- und Asylpolitik, die die Genfer Flüchtlingskonvention, die Europäische Menschenrechtskonvention und insgesamt die Menschenrechte und die Humanität zum Maßstab ihres Handelns nimmt. Rechte Parteien schüren die Angst, dass Migration den Wohlstand bedrohe. Doch Wohlstand und soziale Sicherheit werden bedroht, weil Grenzen für Konzerne und Banken viel durchlässiger sind als für Menschen, die vor Krieg und Elend fliehen. Gegen die ganz große Koalition der Abschottung, die uns mehr Zäune und Mauern als Lösungen verkaufen wollen und Zehntausende Tote in Kauf nehmen, zielen wir auf eine Gesellschaft ohne Abschottung.

Menschen retten: Legale Fluchtwege

Die EU hat erst mit der Türkei und jetzt mit Tunesien ein umfassendes Partnerschaftsabkommen geschlossen, das die Abwehr von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen im Gegenzug für Investitionen vorsieht. Vier Monate zuvor hatte das Europäische Parlament die vielfältigen Menschenrechtsverletzungen in Tunesien kritisiert: Das Parlament war ausgesetzt, Journalist*innen, Richter*innen und Gewerkschafter*innen wurden willkürlich inhaftiert. Jetzt erhält Tunesien von der EU 1,5 Milliarden Euro. Das ist ein Skandal.

In den Lagern an den EU-Außengrenzen herrschen inhumane Zustände. Grenz- und Lagerbewachung werden hochgerüstet. Regelmäßig kommt es zu Menschenrechtsverletzungen, Folter, Verschleppung und Vergewaltigung.

  • Eine Vorverlagerung der Grenzabwehr, sei es in Afrika oder sonst wo, lehnen wir ab. Keine Deals mit Diktaturen!
  • Seebrücken und Fähren statt Frontex! Frontex muss umgewandelt werden in eine europäische Rettungsmission.
  • Wir fordern einen effektiven und ausfinanzierten Überwachungsmechanismus gegen Pushbacks und Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen.
  • Seenotrettung ist nicht nur legal, sie ist nach dem internationalen Seerecht Pflicht. Es braucht eine EU-finanzierte Seenotrettungsmission, um das Massensterben auf dem Mittelmeer zu beenden und die Ausschiffung in einen sicheren Hafen in der EU zu gewährleisten.
  • Da die EU dieser Pflicht nicht nachkommt, versucht die Zivilgesellschaft, diese Lücke zu schließen. Dieses Engagement muss gewürdigt und unterstützt werden, statt es zu kriminalisieren. Zivile Seenotrettung darf nicht unter Strafe gestellt oder systematisch behindert werden.
  • Wir benötigen sichere Fluchtwege für Geflüchtete in die EU, humanitäre Visa zur legalen Einreise und/oder die Aufhebung des Visumzwangs für Schutzsuchende.
  • Aufnahmeregelungen für Schutzbedürftige müssen ausgeweitet werden, etwa auch über das Resettlement-Programm des UNHCR.
  • Armuts-, Umwelt- und Klimaflüchtlinge müssen verbindliche Flüchtlingsrechte bekommen. Niemand flieht freiwillig!
  • Grenzkontrollen im Schengen-Raum und jetzt auch in Deutschland sind rechtswidrig, wir lehnen sie ab. Die „stationären Grenzkontrollen“ finden vorrangig an östlichen EU-Innengrenzen statt. Die Bewegungsfreiheit im Schengen-Raum ist seit 1995 eingeführt und ein großer Fortschritt. Asylsuchende dürfen nicht zurückgewiesen werden und sie müssen einen Antrag auf Asyl stellen können, egal in welchem Land sie sich befinden.

Asyl als Grundrecht – ohne Einschränkungen

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) lehnen wir ab. Es ist eine moralische Bankrotterklärung und ein Einknicken vor den rechten Kräften in Europa. Es verschlimmert die Situation an den Außengrenzen, inhaftiert Schutzsuchende und gefährdet Menschenleben. In Schnellverfahren und unter Haftbedingungen ist keine faire Prüfung möglich. Mit diesem Beschluss entrechten die EU-Regierungen schutzbedürftige Menschen und ziehen die Mauern der Festung Europa höher. Stacheldraht statt Willkommenskultur ist die Botschaft der EU-Asylreform.

  • Wir wollen ein humanes und menschenrechtsbasiertes Aufnahmesystem, das eine menschenwürdige Versorgung und Unterbringung von Schutzsuchenden jederzeit uneingeschränkt gewährleistet.
  • Es darf keine Auslagerung von Asylverfahren in Drittländer geben.
  • Weg von der „Hotspot“-Politik: Wir fordern humane Aufnahmebedingungen statt Lager, in denen Schutzsuchende ohne Perspektive unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten werden.
  • Das unfaire Dublin-System muss überwunden und durch eine solidarische Regelung ersetzt werden. Bei der Bestimmung des Aufnahmelandes müssen die berechtigten Interessen von Schutzsuchenden maßgeblich berücksichtigt werden (zum Beispiel Familienbindung, Sprachkenntnisse). Aufnahmebereite Länder, Städte und Regionen sollen mit EU-Mitteln finanziell und strukturell besonders unterstützt werden.
  • Der Familiennachzug muss uneingeschränkt gewährleistet werden, insbesondere für international Schutzberechtigte und andere Schutzbedürftige, die nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können.
  • Abschiebungen, insbesondere in Krieg, Verfolgung und Elend oder als Form der Doppelbestrafung, lehnen wir grundsätzlich ab – im Gegensatz zu allen anderen Fraktionen im Bundestag und im Europaparlament. Wir haben immer dagegen gestimmt und werden das auch in Zukunft tun.
  • Individueller Bedarf besonders schutzbedürftiger Gruppen muss berücksichtigt werden: von queeren Geflüchteten, unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten und weiteren verletzlichen und schutzbedürftigen („vulnerablen“) Gruppen. Für ihre besonderen Schutz- und Hilfebedürfnisse braucht es qualifiziertes Fachpersonal und geeignete Unterkünfte. Zivilgesellschaftliche Initiativen und NGOs, die sich für ihre Rechte und Selbstorganisation einsetzen, müssen finanziell unterstützt und gestärkt werden.
  • Familien vereinen! Es braucht eine Ausweitung der Familiendefinition auf in den Herkunftsländern nicht anerkannte gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und auf Verwandte zweiten Grades; insbesondere für unbegleitete Minderjährige.

Willkommen braucht Strukturen

Wir wollen einen EU-Fonds für Willkommenskommunen, der Geflüchteten Bewegungsfreiheit sichert und aufnahmebereiten Kommunen und solidarischen Städten hilft. Kommunen, die die Bedingungen für Willkommenskultur verbessern wollen, können damit Mittel für Versorgung und Integration von Geflüchteten beantragen. Diese Investitionsmittel können von ihnen allgemein für die öffentliche Daseinsvorsorge genutzt werden – so gewinnt Solidarität!

  • Wir fordern eine soziale Offensive für alle, eine gut ausgestattete öffentliche Daseinsvorsorge und wir wollen den Mangel in den Kommunen und vor Ort bekämpfen.
  • Wir wollen eine europäische Fluchtumlage, um Verantwortung gerecht zu teilen. Sie knüpft an die Wünsche und Interessen der Geflüchteten an und berücksichtigt bestehende Familienbindungen, sprachliche Kenntnisse und individuelle Umstände.
  • Der Zugang für Geflüchtete und Migrant*innen zum Arbeitsmarkt und zu internationalen Schulen und die Anerkennung von Qualifikationen, Berufsabschlüssen und -erfahrungen müssen vereinfacht werden. Es muss niedrigschwellige Angebote für Sprachkurse geben.
  • EU-weite Lösungen setzen eine länderübergreifende Zusammenarbeit und gemeinsame Konzepte voraus. Dafür sollen die Interreg-Mittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) für die Zusammenarbeit zwischen Regionen und Ländern innerhalb der EU zur Verfügung gestellt werden.

Legalisierung jetzt!

Kein Mensch ist illegal! In Europa leben Hunderttausende Menschen ohne Papiere oder ohne sicheren Aufenthaltsstatus. Menschen mit und ohne Aufenthaltsrecht oder Arbeitserlaubnis leisten Arbeit, ohne die unser Alltag und unsere Wirtschaft nicht funktionieren würden. Sie arbeiten – oft zu niedrigsten Löhnen – in Privathaushalten und in der Pflege, in der Landwirtschaft, auf dem Bau und im Gastgewerbe. Weil sie oft keine Aufenthaltspapiere oder Arbeitserlaubnis haben, sind sie verstärkt Ausbeutung und Betrug durch Arbeitgeber oder Vermieter ausgesetzt.

  • Menschen ohne Aufenthaltsstatus haben oft keine Möglichkeit, eine Krankenversicherung abzuschließen. Wir wollen, dass sie Zugang zu guter Gesundheitsversorgung haben. Sie sollen nicht befürchten müssen, von Ärzt*innen oder dem Krankenhaus der Polizei oder der Ausländerbehörde gemeldet zu werden.
  • Menschen haben ein Recht auf Bewegungsfreiheit und ein Recht auf die Wahl ihres Wohnortes. Das verlangt auch die Europäische Menschenrechtskonvention.

Menschen ohne Papiere dürfen nicht kriminalisiert werden! Wir setzen uns für eine EU-weit abgestimmte Legalisierungskampagne ein.

Bildung muss bedarfsgerecht aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Die Mittel für Bildungsprogramme in der EU sind angewachsen: Erasmus+, das Flaggschiff der EU-Bildungsprogramme, und COSME, ein Programm unter anderem für Weiterbildung und Beschäftigung junger Menschen, bekamen im letzten Haushalt doppelt so viel Geld. Die Orientierung auf „Wettbewerbsfähigkeit“ ist geblieben. Durch den gemeinsamen Europäischen Bildungsraum (European Education Area – EEA) sollte der Bildungszugang für alle leichter werden. Doch es muss mehr passieren, um Ungleichheit in der Bildung zu beseitigen – das zeigt auch der Zwischenbericht 2022. In der Pandemie hat sich die Ungleichheit weiter verschärft. Bis zu 32 Prozent aller Lernenden waren im Frühjahr 2020 zeitweilig von den Bildungsprozessen abgeschnitten. Die Linke hat sich im Europäischen Parlament besonders starkgemacht für mehr Zugang für sozial Benachteiligte und mehr Programmangebote auch für Lehrende. Es braucht sozial offene, kritische und emanzipatorische Bildung und entsprechend demokratische, bedarfsgemäß finanzierte Einrichtungen. Wir streiten für ein Bildungssystem, das überall in Europa und von der Kita bis zur Promotion ohne Gebühren öffentlich bedarfsgerecht finanziert und sozial durchlässig organisiert ist.

  • Das Bildungssystem ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und muss öffentlich finanziert werden.
  • Wir setzen uns dafür ein, dass EU-Bildungspolitik sich auf den gesamten demokratischen Bildungsprozess bezieht und nicht auf Wissenserwerb in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT-Fächern) verkürzt wird.
  • Interkultureller Dialog, humanistische Bildung, demokratischer Austausch sowie unabhängige und gesellschaftskritische Forschung und Lehre gehören zu allen inklusiven Bildungsansätzen.
  • Wir fordern die Reform des Bologna-Systems. Hochschulen sind mehr als Einrichtungen zur Arbeitsmarktbefähigung, wie sie im Bologna-Prozess verstanden wurden. Hochschulen müssen europaweit als offene, soziale und demokratische Einrichtungen gestaltet und verstanden werden, an denen Lehre und Forschung sich frei und unabhängig von Markt und Profit, aber in gesellschaftlicher Verantwortung entwickeln können.

Die Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums muss das Bleiberecht sicherstellen und vor Abschiebung schützen. Auch Wissenschaftler*innen, die politisch verfolgt werden, wollen wir die Fortführung ihrer wissenschaftlichen Arbeit an Hochschulen in Deutschland und in der EU ermöglichen.

Damit Menschen informiert an den gesellschaftlichen Entscheidungen teilhaben können, müssen Medien unabhängig und kritisch berichten können. Auch in der EU werden Journalist*innen, Aktivist*innen für Klimagerechtigkeit und Menschenrechte mit Klagen ohne Aussicht auf Erfolg überzogen, um sie einzuschüchtern. Öffentlich vorgebrachte Kritik soll damit unterbunden oder die entsprechenden Nichtregierungsorganisationen sollen in den Konkurs getrieben werden.

  • Wir fordern, die neue Anti-SLAPP-Richtlinie der EU (SLAPP: Strategic Lawsuit Against Public Participation – für das Recht auf eine strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung) zu verschärfen.
  • Das geplante Medienfreiheitsgesetz sieht den „Schutz der nationalen Sicherheit“ als möglichen Grund der Einschränkung von Pressefreiheit vor. Das lehnen wir ab.
  • Betroffene Journalist*innen sollen rechtliche und psychologische Beratung erhalten und die Kosten dafür erstattet bekommen.
  • Medien benötigen Öffentlichkeit. Europäische fiktionale wie dokumentarische Produktionen sollten europaweit besser zugänglich und auffindbar gemacht werden.
  • Das Gesetz über Digitale Dienste (DSA – Digital Services Act) ist eine Gefahr für die Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit, wie auch die internationale Vereinigung von Bürgerrechtsbewegungen (European Digital Rights, EDRi) kritisierte. Proaktive algorithmische Filter, die gegen die Nutzer*innen sozialer Medien eingesetzt werden, schränken die Meinungsfreiheit empfindlich ein. Mit dem Gesetzesvorschlag werden Wirtschaftsinteressen gegen digitale Bürger*innenrechte gestärkt. Digitale Werke, die unter Beteiligung der öffentlichen Hand oder öffentlicher Unternehmen geschaffen wurden, müssen als digitale Gemeingüter unter offenen Lizenzen veröffentlicht werden.
  • Wir fordern einen umfassenden Schutz von Whistleblowern. Bislang sind im neuen Hinweisgebergesetz in der EU und Deutschland Geheimdienste und ihre illegalen Operationen ausgenommen.

Kreatives Europa

Viele Kreative sind in der Pandemie in ganz Europa in Erwerbslosigkeit und Bezug von Transferleistungen gedrängt worden. Die Arbeitsverhältnisse der Kreativen müssen krisenfest und nach gewerkschaftlichen Standards geregelt werden.

  • Wir wollen eine Kultur des Teilens stärken. Der freie Zugang zu und der Umgang mit Wissen und Kultur muss abgesichert werden. Dazu gehören eine weitgehende Fair-Use-Regelung, eine Verkürzung der Schutzfristen und Schrankenregelungen für Wissenschaft und Bildung.
  • Die europäische Verordnung zur Netzneutralität muss verschärft werden, damit Internetunternehmen sie nicht weiter weitgehend straffrei unterlaufen können.
  • Die europäischen Rahmenbedingungen für die Rechte freier Arbeiter*innen müssen per Gesetz geregelt und Mindestlöhne und -honorare eingeführt werden.
  • Um einen EU-weiten Rahmen für bessere Arbeitsbedingungen von Kulturproduzent*innen zu schaffen, soll die Einführung eines europaweiten „Fair-Work-Siegels“ in der kreativen Branche geprüft werden. Solch ein Siegel soll für alle Konzertangebote, Musiktitel, Computerspiele, Theaterereignisse, Bücher, Ausstellungen vergeben werden, wenn Kreative dort gut bezahlt werden und ordentliche Verträge haben.
  • Keine Doppelbesteuerung bei grenzüberschreitendem Arbeiten für gemeinsame Produktionen.
  • Die für 2021 bis 2027 vereinbarten Mittel für das Programm Creative Europe MEDIA zur Unterstützung der Kultur- und Kreativwirtschaft müssen der aktuellen Krisenlage angepasst und erhöht werden.

Europäische Erinnerungspolitik

Wir rufen zur kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte der EU auf. Die Aufarbeitung und Erinnerung an den Kolonialismus und den damit verbundenen Sklavenhandel und die Sklaverei müssen präsenter werden.

  • Es soll für die EU eine gesetzliche Grundlage für die Rückgabe unrechtmäßig erworbener Kulturgüter aus kolonialen Kontexten geschaffen und die Herkunftsforschung ausgebaut werden. Ebenso muss die Rückgabe von NS-Raubkunst gesetzlich geregelt werden, weil damit unter anderem EU-weit gehandelt wurde.
  • Die Folgen der Sklaverei wirken bis heute weltweit durch tradierten und wiederbelebten Rassismus. Wir fordern eine Anerkennung für die Opfer. Es müssen gesetzliche Regelungen für Entschädigungsansprüche geschaffen werden. Das ist in der Europäischen Menschenrechtskonvention bereits vorgesehen, wird aber nicht durchgesetzt.
  • Die kritische Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe muss Teil der Lehrpläne werden.
  • Der Ankauf von aktuell geraubten Kulturgütern, etwa aus Syrien und dem Irak, durch Museen und Privatleute muss unterbunden werden. Solche Güter müssen zurückgeführt werden.

Weil der Meeresspiegel steigt und extreme Wettereignisse zunehmen, wird es schwieriger, das UNESCO-Welterbe und Denkmäler zu erhalten. Wir fordern ein Programm der EU für Pflege und Erhalt, vergleichbar dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

Unternehmen, Banken und Konzerne sitzen gegenüber Verbraucher*innen am längeren Hebel und nutzen ihre Macht oft aus – so zum Beispiel beim Abgasbetrug der Automobilhersteller im Dieselskandal. Die Linke setzt nicht nur auf Transparenz, wir wollen die Rechte von Verbraucher*innen stärken. Viele windige Geschäftspraktiken zielen auf Menschen mit geringem Einkommen und Senior*innen – denen tut diese Abzocke im Geldbeutel besonders weh. Verbraucherverbände müssen mehr Rechte bekommen. Sie bündeln die auf viele Personen verteilten Einzelinteressen gegenüber zum Teil globalen Unternehmen. Auch nach der Umsetzung dieser EU-Richtlinie stehen Verbandsklagen unter dem Primat des Schutzes wirtschaftlicher Interessen. Die Verbraucherverbände müssen hohe Haftungssicherheiten hinterlegen und mindestens von 50 Betroffenen Ansprüche belegen.

  • Wir fordern ein Opt-out-Verfahren wie in den Niederlanden, bei dem sich Verbraucher*innen vorher nicht in einem Klageregister anmelden müssen.
  • Es braucht weitreichende Informations- und Auskunftsrechte gegenüber Behörden und Unternehmen.
  • Beschwerderechte gegenüber Behörden, um sie zu konkretem Handeln gegenüber unlauteren Unternehmen auffordern zu können, müssen geschaffen werden.
  • Die Arbeit von Verbraucherorganisationen muss unabhängig und ausreichend finanziert werden. Die Unternehmen müssen nach dem Verursacherprinzip beteiligt werden. Staatliche Einnahmen aus Kartellstrafen und unlautere Gewinne der Unternehmen müssen den Organisationen direkt zufließen.
  • Reiserecht: Wir wollen generell ein Recht auf Klage und Schadenersatz schaffen, besonders bei Buchungsportalen – wahlweise im Land des Unternehmenssitzes und des/der Kläger*in/Geschädigten.
  • Ernährung: Eine verständliche und Verbraucher*innen-freundliche Nährwertkennzeichnung soll verpflichtend werden.
  • Wir fordern eine strikte Einhaltung des Vorsorgeprinzips bei der Regulierung von hormonschädlichen Stoffen.
  • Es braucht eine Chemikalienpolitik, die die Gesundheit des Menschen in den Vordergrund stellt. Nach der EU-Chemikalienverordnung (REACH) zur Verringerung der Verwendung krebserregender und biologisch nicht abbaubarer Stoffe dauert es mehr als zehn Jahre, bis eine bereits verwendete Chemikalie verboten werden kann. Wir fordern dagegen schnelle und zuverlässige Prüfverfahren.
  • Grenzwerte für die Belastung von Lebensmitteln und Wasser mit Chemikalien und/oder Keimen dürfen nicht angehoben werden, um die Interessen einzelner Industriezweige, wie etwa der europäischen Fischerei, zu schützen. Wirtschaftspolitik darf nicht auf Kosten der Gesundheit gehen, gerade wenn es um die Akkumulation von Stoffen in Tierprodukten geht.

Wir fordern das Verbot von giftigen Chemikalien. Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) sind Ewigkeitschemikalien, weil sie durch die Umwelt nicht abgebaut werden können. Dass sie für bestimmte Produkte nicht mehr verwendet werden dürfen, begrüßen wir. Wir fordern, dass das Verbot auf alle Produkte ausgedehnt wird.

Wir brauchen einen starken europäischen Datenschutz, der Massendatenspeicherung bei staatlichen und privaten Akteuren entgegenwirkt. Die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wurde vor der letzten Europawahl beschlossen.

Seitdem wird sie unterhöhlt, indem geschlossene Datenräume geschaffen werden, wie etwa beim europäischen Raum für Gesundheitsdaten (European Health Data Space, EHDS). Dieser Tendenz in der EU-Kommission wollen wir entgegentreten. Wir setzen uns für die konsequente Umsetzung der DSGVO ein, besonders wenn es um große Konzerne wie Facebook geht. Die Linke hat sich für ein komplettes Verbot von Tracking und personalisierter Werbung eingesetzt, um die skrupellosen Geschäftspraktiken zu beenden. Im Gesetz für digitale Dienste konnte Die Linke ein Verbot von personalisierter Werbung für Minderjährige und besseren Schutz von persönlichen Daten durchsetzen. Das Sammeln hochsensibler Daten zu Gesundheit oder sexueller und politischer Orientierung für Werbezwecke ist zukünftig untersagt. Wir setzen uns dafür ein, Daten für das Gemeinwohl zu nutzen, statt für den Profit weniger.

  • Bei der DSGVO und sektorbezogener Datenregulierung wollen wir die weitere Kommerzialisierung von Daten verhindern.
  • Die EU muss Druck auf Irland machen, damit Milliardenstrafen gegen Facebook wegen der Datenschutzverstöße verhängt werden.
  • Aus den Enthüllungen von Edward Snowden vor zehn Jahren wurden keine Lehren gezogen: Der Datenaustausch mit den USA verstößt gegen den europäischen Datenschutz und muss beendet werden.
  • Wir fordern die seit Langem geplante E-Privacy-Verordnung. Private elektronische Kommunikation muss stärker geschützt werden. Massenhaftes Scannen privater Kommunikation lehnen wir ab, ebenso eine Chatkontrolle.
  • Das Auslesen von Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation auf den Endgeräten durch Spähsoftware oder Staatstrojaner (Quellentelekommunikationsüberwachung, Onlinedurchsuchung) lehnen wir generell ab. Es ist ein Sicherheitsrisiko, da dafür Schwachstellen in der Software gezielt offengehalten werden – was auch Kriminelle nutzen können.
  • Das EU-Vorhaben für die digitale Brieftasche (EUid-Wallet) sehen wir aus Datenschutzsicht kritisch. Der digitale Ausweis muss an eine physische Chipkarte gebunden bleiben, um ausreichend Sicherheit zu gewährleisten. Es muss sichergestellt werden, dass persönliche Daten aus der digitalen Brieftasche nicht verknüpfbar oder nachverfolgbar sind. Die Überarbeitung der eIDAS-Verordnung darf außerdem nicht dazu führen, dass künftig private Unternehmen hoheitliche Aufgaben ausführen. Wir setzen uns stattdessen für den datensparsamen Ausbau von Open-Source-Anwendungen des elektronischen Personalausweises auch auf EU-Ebene ein.
  • Die Menschen dürfen nicht Objekt staatlicher Datenausspähung werden. Die EU muss sich zum Prinzip der Gewaltenteilung und der Trennung von Polizei, Geheimdiensten und Militär bekennen und es verteidigen.
  • Datenaustausch zwischen Strafverfolgungsbehörden muss auf eine rechtsstaatliche Basis gestellt und die Rechte der Betroffenen müssen gestärkt werden. Daten dürfen nur bei echten grenzüberschreitenden Ermittlungen ausgetauscht werden.
  • Wir stellen uns gegen pauschalisierte Überwachungsmaßnahmen und gegen pauschalisierten Datenaustausch. Illegal erworbene Daten dürfen in Deutschland und der EU nicht in Gerichtsverfahren verwendet werden.
  • Die zahlreichen Urteile des EUGH zum Verbot der Vorratsdatenspeicherung müssen endlich umgesetzt werden.

Die anlasslose Speicherung von Fluggastdaten und das neue Ein- und Ausreisesystem für visumfrei Reisende muss abgeschafft werden. In der EU existieren mit dem Visuminformationssystem, dem Schengener Informationssystem und den nationalen Fluggastdatensystemen bereits Register über einhundert Millionen Menschen, die in der Vergangenheit in die EU eingereist sind. Jetzt kommen Datenspeicher mit weiteren Hunderten Millionen Datensätzen hinzu: ein neues System zur Registrierung aller Personen, die visumfrei in die EU einreisen können, und ein System, in dem alle Einreisen und die Gültigkeitsdauer von Einreise- und Aufenthaltserlaubnissen gespeichert werden. Die Datensätze enthalten alle biometrischen Daten und werden miteinander verknüpft („Interoperabilität“). Auf diese Daten haben Polizei und Geheimdienste Zugriff. Schon die schiere Menge dieser Daten macht den formal geltenden Datenschutz zur Farce.

Anwendungen der künstlichen Intelligenz werden bereits umfangreich im Bereich Migration, Asyl sowie Grenzkontrollen entwickelt und eingesetzt. Ihr Einsatz führt häufig zu massiven Eingriffen in die Grundrechte der Betroffenen (Recht auf Privatsphäre, Datenschutz und Verfahrensrechte).

  • Deshalb fordern wir ein Verbot von KI-gestützten Systemen zur individuellen Risikobewertung und Risikoprofilierung im Bereich Migration.
  • KI-gestützte vorhersagende (predictive) Analysesysteme, die in den Bereichen Migration, Asyl und Grenzkontrolle Migration unterbinden oder einschränken sollen, müssen verboten werden.
  • Automatisierte Gesichtserkennung und Verhaltensklassifikation in öffentlich zugänglichen Räumen wollen wir verbieten.
  • Hasskriminalität und digitale Gewalt müssen bekämpft werden. Wir setzen uns für Melden und Löschen ein. Chatkontrollen lehnen wir ab.
  • Die Anonymität im Netz muss gewahrt werden. Alterskontrollen helfen dem Jugendschutz nicht.
  • Neue Technologien wie künstliche Intelligenz brauchen Technik- und Grundrechtefolgenabschätzung durch Dritte, bevor neue Systeme eingeführt werden.
  • Den Export von Überwachungstechnologien und von Technologien, die als Waffe zum Einsatz kommen können, wollen wir verbieten.

IT- und Datensicherheit

Immer mehr Vorgänge erfolgen digital. Von Verbraucher*innen und Anbieter*innen von Dienstleistungen (Ärzt*innen, Bibliotheken, Behörden etc.) wird erwartet, digitale Systeme zu nutzen. Die Sicherheit aller IT-Produkte und damit der darin anfallenden Daten darf dabei nicht von der Technikkompetenz oder vom Geldbeutel der Anwender*innen abhängen. Vielmehr ist es eine gesellschaftliche Aufgabe, die Sicherheit dieser Systeme und der Daten entlang der Wertschöpfungskette zu gewährleisten, um zuverlässigen Datenschutz für alle zu ermöglichen und die digitale Spaltung nicht noch weiter zu vertiefen.

  • Datensicherheit durch Technikgestaltung und datenschutzfreundliche Voreinstellungen (by design and by default) muss Zulassungsbedingung für den europäischen Markt sein (also in den Voreinstellungen von Hard- und Software und bei der Entwicklung von Software).
  • Verpflichtende Sicherheitsupdates für die Lebensdauer der Geräte sind nötig. Wir wollen die Mindestgarantiepflicht auf fünf Jahre erhöhen (in Abhängigkeit von der Art des Gerätes). Herstellerunabhängige Nutzung und Updates über die Garantiezeiten hinaus müssen möglich sein.
  • Ankauf, Verkauf und Ausnutzen von Sicherheitslücken in IT-Systemen durch Geheimdienste, Polizeibehörden etc. wollen wir verbieten. IT-Sicherheitslücken müssen im Interesse aller geschlossen werden.
  • Wir wollen die IT-Sicherheitsforschung, also Hacking, entkriminalisieren, wenn es zum Zweck der Verbesserung der IT-Sicherheit erfolgt.
  • Open-Source-Entwicklung wollen wir fördern: Dadurch können Sicherheitslücken schneller erkannt und behoben werden. (Siehe Kapitel 2, „Das Internet von den Konzernen befreien“)

Digitale Teilhabe für alle sichern

Auf dem Land gibt es oft kein Netz, weil der flächendeckende Ausbau für die privaten Anbieter nicht profitabel ist. Den Menschen geht das Datenvolumen aus, weil das Geld nicht reicht. Oder sie haben kein Smartphone, auf dem man private Daten sicher eingeben kann. Es gibt viele Gründe, warum digitale Angebote gesellschaftliche Teilhabe für Menschen erschweren können. Wir wollen, dass die soziale Spaltung nicht weiter vertieft, sondern verringert wird!

  • Die Telekommunikationsnetze sind durch die Konzerne ohnehin verbunden. Wir wollen die Infrastruktur der Netze in eine öffentliche, europäische Einrichtung überführen. Die dadurch erzielten Effizienzgewinne wollen wir für den Ausbau der Netze nutzen.
  • Lange Garantiezeiten technischer Geräte erleichtern Menschen mit weniger Geld eine sichere Nutzung digitaler Angebote. Die Kosten für digitale Geräte, Anschluss und Datenvolumen müssen in den Regelsätzen der Grundsicherung berücksichtigt werden.
  • Das EU-Vorhaben der digitalen Brieftasche (EUid-Wallet) darf nicht so umgesetzt werden, dass Menschen ausgeschlossen werden, die sich die neuesten Mobiltelefone nicht leisten können oder wollen. Die aktuell diskutierten Versionen der EUid-Wallet würden auf den meisten heutigen Smartphones nicht laufen. Unternehmen dürfen die Nutzung der digitalen Brieftasche für ihre Dienste nicht vorschreiben; einen solchen App-Zwang lehnen wir ab. (Siehe Kapitel 5: „Datenschutz und Schutz vor staatlicher Überwachung“)
  • Fortbildungen zu Computer- und Internetnutzung müssen flächendeckend angeboten und finanziert werden.
  • Gleichzeitig setzen wir uns für ein Recht auf analoges Leben ein. Es muss stets auch möglich sein, nichtdigital Anträge beim Amt abzugeben, Anfragen beim Kundenservice zu stellen, Karten fürs Schwimmbad, die Bahn oder das Kino zu bekommen – ohne zusätzliche Gebühren. Menschen müssen insbesondere bei Ämtern, Ärzt*innen und anderswo unkompliziert die Möglichkeit haben, ihre Anliegen mit einem Menschen zu besprechen und Unterstützung zu bekommen.

In unserem Wahlprogramm haben wir formuliert, was sich ändern muss für ein Europa der Menschen statt der Banken und Konzerne. Jede einzelne der genannten Maßnahmen wäre eine Verbesserung. Alles zusammen erfordert einen grundlegenden Umbau, einen Systemwechsel. Wir werden im Europäischen Parlament für jede der genannten Forderungen und Ziele einstehen, um jede mögliche Verbesserung kämpfen. Ein demokratisches Europa, das auf Frieden und sozialer Gleichheit gründet, das die Profitlogik und Kriegspolitik überwindet, können wir nur gemeinsam erreichen. Dafür braucht es das Engagement jede*s Einzelnen. Gehen wir es an!